Männer in Schutzanzügen
Die nächste Seuche steht schon vor der Tür. Das Expertengremium SAGO soll dafür sorgen, dass sie nicht wieder zur Gefahr für die öffentliche Gesundheit wird. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

SARS-CoV-2 und andere gefährliche Viren Krankheit X: Expertengremium der WHO soll uns für künftige Seuchen wappnen

06. Januar 2022, 09:18 Uhr

Der Ursprung von Sars-CoV-2 ist noch immer nicht abschließend geklärt und das nächste gefährliche Virus steht vielleicht schon vor der Tür. Wir wissen nur noch nicht, welches es sein wird. Um aber trotzdem gewappnet zu sein, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO ein 26-köpfiges Expertengremium names SAGO aufgestellt, das erarbeiten soll, wie mit künftigen gefährlichen Viren verfahren wird, um weitere Epidemien oder gar Pandemien zu verhindern. Virologe Christian Drosten ist einer von ihnen.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass immer wieder neue Infektionserreger auftreten, die das Potenzial haben, Epidemien oder Pandemien auszulösen und zu einer globalen Bedrohung für die öffentliche Gesundheit zu werden. Sars-CoV-2 ist das jüngste Beispiel. Wir stecken mittendrin in der Pandemie. Aber dieses Virus war nicht das erste. In den letzten 30 Jahren hatte die Menschheit mit einigen dieser Erreger stark zu kämpfen: MERS, Ebola, Influenza, Marburg, Lassa, Nipah, Zika und SARS reihen sich auf einer WHO-Liste gefährlicher Erreger aneinander. Und sie werden nicht die letzten sein, so viel ist sicher. Deshalb steht am Ende der Liste seit 2018 auch die "Krankheit X". Also eine Krankheit, die noch nicht aufgetreten ist, aber durchaus auch das Potenzial haben wird, die Weltgemeinschaft und das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen zu stellen.

Weltweit gibt es eine große Zahl von Pathogenen, die schwere Erkrankungen hervorrufen können. Weil die Ressourcen, diese zu erforschen, aber begrenzt sind, führt die WHO seit 2015 eine Liste, die aufzeigt, welche Krankheiten aufgrund ihres epidemischen Potenzials das größte Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellen.

Besser und schneller handlungsfähig sein

Um einer solchen "Krankheit X" in Zukunft besser entgegentreten zu können, hat die WHO die Scientific Advisory Group on the Origins of Novel Pathogens (SAGO) etabliert. Diese Beratergruppe für die Ursprünge neuartiger Krankheitserreger, soll Studien zu eben solchen hochgefährlichen Erregern besser koordinieren, anleiten und einen internationalen Rahmen schaffen. Natürlich gab es solche Studien auch schon früher. Aber immer wieder steht die Wissenschaft vor logistischen und politischen Hindernissen.

Die Erforschung von SARS-CoV-2 bietet da leider keine Ausnahme. Zwar haben die Mitgliedsstaaten der WHO im Mai 2020 einstimmig beschlossen, dass internationale Experten für wissenschaftliche und gemeinschaftliche Studien zur Erforschung des Corona-Ursprungs zusammengebracht werden müssen. Doch die Mühlen der Politik haben diese Forschung erheblich verlangsamt. Die SAGO wird sich dem Fall Sars-CoV-2 nun erneut widmen und alle bisher gewonnenen Erkenntnisse bewerten und darüber beraten wie noch bestehende Lücken geschlossen werden können. Dabei sollen alle gängigen Theorien zum Ursprung des Virus geprüft werden. Ein völlig offener und transparenter wissenschaftlicher Prozess sei hier laut WHO von wesentlicher Bedeutung.

Laborhypothese nicht vom Tisch

Auch die sogenannte Laborhypothese wird laut WHO noch einmal von SAGO in Augenschein genommen. Sie kann erst ausgeschlossen werden, wenn genügend Beweise vorliegen, dass es sich bei der Verbreitung von Sars-CoV-2 nicht um einen Laborunfall gehandelt hat.

Mitarbeiter des Institute of Biological Products in Wuhan in der chinesischen Provinz Hubei während der Arbeit.
Bildrechte: imago images / Xinhua

In Wuhan befinden sich die Labore des Instituts für Virologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Mit mehr als 1.500 verschiedenen Erregerstämmen beheimatet das Institut die größte Virusbank Asiens. Dort sind die ersten Fälle von Covid-19 bei Menschen aufgetreten. Schnell gab es den Verdacht, dass das Virus aus dem Labor stammt und seinen Weg nach draußen gefunden hat. Genährt wurde diese Theorie vor allem dadurch, dass China eine internationale Untersuchung zum Ursprung des Virus lange Zeit ablehnte. Erst mehr als ein Jahr nach Auftauchen des Virus durften ausländische Experten nach Wuhan reisen. Die politischen Fronten sind hier verhärtet. China wirft den USA vor, den Virus-Ursprung als politische Attacke gegen das Land verwenden zu wollen. Die USA werfen China vor, entscheidende Informationen vorzuenthalten. Die WHO erhofft sich mit dem Einsatz der SAGO einen besseren Handlungsspielraum.

Überschneidungsbereiche von Mensch und Tier

Neben der Labortheorie gibt es vor allem die Theorie, dass das Virus vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist, also eine zoonotische Übertragung stattgefunden hat. Auch hier gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Studien. So könnte das Virus direkt von Fledermäusen übertragen worden sein oder über andere Wildtiere, die in Wuhan auf den Märkten verkauft werden. Auch gibt es Studien zu präpandemischen biologischen Probeentnahmen und andere Studien zur Anfälligkeit von Tieren. All das muss erneut gesichtet und bewertet werden. Auch sind weiterhin Untersuchungen der frühesten bekannten Fälle in China erforderlich, gelagerte Blutproben aus dem Jahr 2019 in Wuhan und Umgebung müssen analysiert und rückblickende Recherchen von Krankenhaus- und Mortalitätsdaten früherer Fälle untersucht werden.

Schnittstelle zwischen Mensch und Tier im Fokus

Laut WHO braucht es in Bezug auf Krankheiten wie Covid-19 und die "Krankheit X" einen robusten "One Health" Ansatz, also eine wissenschaftliche Zusammenarbeit und einen Datenaustausch, der die Bereiche Mensch, Tier und Umwelt zusammenbringt. Nur so kann die Risikoerkennung, -reduzierung und -überwachung der Schnittstelle zwischen Mensch und Tier erfolgen. Gleichzeitig wird ein systematisches Verfahren zur Untersuchung des Auftretens solcher Erreger und ihrer Übertragungswege von natürlichen Reservoirs auf den Menschen gebraucht. All das soll die SAGO im Blick haben.

Dem 26-köpfigen internationale Expertenteam steht für Sars-CoV-2 und künftige Viren einiges an Arbeit bevor. Aus 700 Bewerbern wurden die Forscher ausgewählt. Sie stammen aus unterschiedlichsten Disziplinen wie etwa der Epidemiologie, der Tiergesundheit oder der Molekularbiologie. Der Leiter der Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten, bringt die deutsche Expertise ins Gremium ein.

JeS

Das könnte sie auch interessieren:

0 Kommentare