Maria Kleshnina, Forscherin für Evolutionäre Spieltheorie
Maria Kleshnina, Forscherin für Evolutionäre Spieltheorie, eine der Autorinnen der Studie Bildrechte: Maria Kleshnina

Wissen-News Erweiterte Spieltheorie: Nicht immer ist Vorwissen eine hilfreiche Basis für Zusammenarbeit

24. Juli 2023, 16:45 Uhr

Stärkt es die Zusammenarbeit von Menschen, wenn sie alle umfassend über die Hintergründe der Zusammenarbeit wissen? Nicht immer, sagt eine neue Studie. Wenn Menschen merken, dass sich ihr direktes Umfeld ohne Kooperation verschlechtert, hilft Unkenntnis sogar.

Grundlage der Studie, die vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) durchgeführt wurde, sind Experimente auf der Basis eines neuen Spieltheorie-Modells. Wie bei anderen Modellspielen auch, treten reale Spieler gegen- und miteinander an – wohl wissend, dass es sich um ein Spiel handelt. Gleichwohl sind ihre Spielzüge und -aktionen später die wissenschaftliche Grundlage für mathematische Berechnungen zu Entscheidungsfindungen, zu Reaktionen und Strategien. Während dies meistens in konstanten Spielumgebungen erfolgt, arbeitete die aktuelle Studie mit einem sich verändernden Versuchsaufbau, der auf die Aktionen der Spielenden reagiert.

Die Forschenden waren mit der Annahme gestartet, dass es in Teamarbeit grundsätzlich besser ist, wenn alle Beteiligten umfassendes Hintergrundwissen haben. Dies zeigte sich dann allerdings nur in 80 bis 90 Prozent aller Fälle. Dazu Maria Kleshnina, eine der Autorinnen der Studie: „In einem sich verändernden System ist es wahrscheinlicher, dass die Unwissenheit ein Vorteil ist, wenn sie in Systemen auftritt, die von Natur aus die Nicht-Kooperation bestrafen. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn sich das Umfeld der Gruppe durch fehlende Zusammenarbeit schnell verschlechtert. In einem solchen System haben die Individuen starke Anreize zu kooperieren, ein unrentables Spiel in der Zukunft zu vermeiden“

Zudem konnten die Forschenden laut Kleshnina feststellen, „dass in informierten Populationen die Individuen ihr Wissen einsetzen können, um differenziertere Strategien anzuwenden. Diese nuancierten Strategien können jedoch weniger wirksam sein, um die Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten. In einem solchen Fall gibt es tatsächlich einen kleinen Vorteil der Unwissenheit für die Zusammenarbeit.“ Ob sich diese Ergebnisse auch auf größere reale Herausforderungen wie die Bewältigung des Klimawandels übertragen lassen, müsse mit einem umfassenderen Modell getestet werden.

Originalpublikation: Kleshnina, M., Hilbe, C., Šimsa, Š. et al. The effect of environmental information on evolution of cooperation in stochastic games. Nature Communications:

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist | 09. Januar 2023 | 10:30 Uhr

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