Mann steht auf einer Bank und Blickt in Sternenhimmel mit Milchstraße, Haus in der Ecke strahlt Licht aus
Das Weltall ist gigantisch. Selbst zwischen den Milliarden Sternen der Milchstraße ist unendlich viel Platz. Alles leerer Raum? Bildrechte: imago images/Cavan Images

Weltraum-Forschung Der Sound der Milchstraße zwischen den Sternen: der Kosmos kreischt

05. Juli 2021, 10:28 Uhr

Wie klingt das Weltall, ganz weit draußen, in der großen Leere hinter dem Rand des Sonnensystems? Es summt und brummt. Mitte Mai veröffentlichte das Fachmagazin Nature Astonomy diese Voyager1-Entdeckung: Im interstellaren Raum gibt es Plasmawellen, die man hören kann. Wo kommen die her und was bedeutet das?

Mann steht auf einer Bank und Blickt in Sternenhimmel mit Milchstraße, Haus in der Ecke strahlt Licht aus 5 min
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1977: Das Jahr, in dem Jimmy Carter Präsident der USA wird, in Frankreich wird letztmals ein Mensch mit der Guillotine hingerichtet, und der Film "Rocky" mit Sylvester Stallone bekommt drei Oscars.

So lange ist es her, dass die Vereinigten Staaten zwei Raumsonden auf die Reise geschickt haben: Voyager 1 und 2. Die "Reisenden" haben mittlerweile, nach 44 Jahren Flugzeit, das Sonnensystem verlassen, funktionieren aber nach wie vor und schicken auch noch Signale zurück auf die Erde. Die zeigen jetzt: Da, draußen, da tut sich noch was - obwohl dort eigentlich alles leer ist. Genauer: Es summt. Im Mai 2021 veröffentlichte das Fachmagazin Nature Astronomy die Voyager1-Entdeckung: Anhaltende Plasmawellen im interstellaren Raum entdeckt.

Draußen im All gibt es noch was: Ionisierte Atome der kosmischen Strahlung in Lichtgeschwindigkeit

Voyager 1 Launch 1977
1977 flog Voyager 1 ins All Bildrechte: IMAGO / United Archives International

Ed Stone ist seit Beginn des Voyager-Programms der Chef des Projekts. Inzwischen fällt dabei kaum noch Wissenschaft ab, daher ist das Team nicht mehr auf dem Hauptcampus des JPL angesiedelt, des berühmten Jet Propulsion Laboratory, das gerade einen Helikopter auf dem Mars fliegen lässt. Ed Stone sieht das gelassen, im Gespräch mit MDR WISSEN sagt er: "Unsere aktuellen Mars-Missionen benötigen viel größere Mannschaften hier auf dem Boden. Uns hat man ausgelagert. Wir sind nur noch ein kleines Team. Und wir betreiben nur noch so etwas wie 'Cruise Science'".

Ed Stone
Ed Stone: Begleitet auf der Erde seit vier Jahrzehnten die Voyager Missionen Bildrechte: imago/ZUMA Press

"Cruise Science" – das klingt nach Kreuzfahrt und das ist gar nicht mal so falsch. Das winzige Voyager-Team fungiert wie die Besatzung eines Ozeanriesen, die ihr Schiff eigentlich nur noch auf Kurs halten muss. Selbst das funktioniert fast von selbst. Das bisschen Wissenschaft, was dort draußen, im Nichts, noch abfällt, nennt Ed Stone eben "Cruise Science": Naja, es ist nicht wirklich 'nichts'. Es ist ein besseres Vakuum als irgendwo hier auf der Erde. Aber auch dort draußen gibt es noch etwas. Es fliegen ionisierte Atome der kosmischen Strahlung mit annähernd Lichtgeschwindigkeit umher. Und wir können nun, nachdem wir den Einflussbereich der Sonne verlassen haben, das Magnetfeld der Milchstraße zum ersten Mal messen."

Warum es dauert, die Magnetfeldmessung der Milchstraße auszuwerten

Das ist vor vier Jahren erstmals gelungen. Aber es dauerte, die Messungen auszuwerten. Voyager1 und 2 sind weit weg, mehr als zwanzig Milliarden Kilometer. Ihre Signale sind schwach und brauchen fast einen Tag, um von außerhalb des Sonnensystems die Erde zu erreichen. Doch nun stellte ein Team um die Astrophysikerin Stella Ocker von der Cornell University im US-Bundesstaat New York fest: "Auch dort draußen tut sich noch was. Das Vakuum macht Musik. "Wir haben ein Summen des Plasmas im interstellaren Raum entdeckt. Was wir hören ist der Klang von vibrierendem Gas."

Ein Gas nennt sich Plasma, wenn in ihm die Bausteine der Atome, Elektronen und Protonen, frei umherfliegen. Genau das passiert im Bereich zwischen den Sternen, im interstellaren Weltraum. Aber warum summen sie dabei? So genau weiß man das nicht, räumt die Astrophysikerin ein: "Wir glauben, dass das Plasma vibriert, weil die Elektronen und Protonen sich nicht statisch verhalten. Sie bleiben nicht an ihrem Platz, sondern bewegen sich ständig. Dadurch entsteht vermutlich ein elektrisches Feld, das im Raum schwingt. Diese Vibrationen haben wir mit den Antennen von Voyager1 entdeckt."

Ein Kreischen aus dem Kosmos

Dieses Summen ist ständig da. Es hört nie auf und wurde vorher noch nie beobachtet. Von wem auch, so weit draußen, außerhalb des Sonnensystems, war vorher noch nichts und niemand. Selbst wenn jemand dort draußen herumflöge, würde es ihm nicht auffallen, meint Ocker und erklärt warum: "Im Vakuum würde man natürlich nichts hören, auch wenn es cool wäre." Deswegen haben die Astronomen die Radiodaten so weit im Frequenzspektrum verschoben, bis sie hörbar wurden. Kein angenehmes Brummen, sondern vielmehr ein grelles Summen, fast schon ein Kreischen aus dem Kosmos. Doch dieses Geräusch ist kein Gag, es verrät Wissenschaftlern wie Astrophysikerin Ocker auch Einiges über die Beschaffenheit des Alls außerhalb des Sonnensystems. Die Wissenschaftlerin sagt: "Unsere Sonne und alle Planeten bewegen sich durch das interstellare Medium. Wir bekommen ein vollständigeres Bild davon, wie dieses Gas verteilt ist. Die Frequenz der Vibrationen im Plasma verrät uns etwas über die Dichte des Gases, durch das die Voyager-Sonden fliegen. Wo ist es dicht und kompakt, und wo ist es eher diffus und weitläufig verteilt?"

Die Voyager-Sonden werden wohl noch ein paar weitere Jahre fliegen und senden. Wer weiß, welche Überraschungen sie dort draußen noch erwarten.

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