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Gemütlicher Rückzugsort - kann zur Hölle werden, wenn man früh mit Stichen und Quaddeln am Körper aufwacht. Bildrechte: imago images / Westend61

Denkste!Drei Irrtümer über Bettwanzen

12. Oktober 2020, 11:43 Uhr

Schon der Gedanke an Bettwanzen löst bei manchen Leuten Panik aus oder den dringenden Wunsch, Matratzen zu lüften und das Schlafzimmer auf den Kopf zu stellen. Dabei ist vieles, was über Bettwanzen geredet wird, Unsinn.

Es ist einer der wundervollsten Orte der Welt, warm, weich, vertraut, der Inbegriff von Zuhause: Die Rede ist von unserem Bett. Aber nicht nur wir Menschen lieben unsere Betten, auch Bettwanzen können sich kaum eine schönere Location vorstellen. Location ist die passende Bezeichnung, denn Bettwanzen pflegen hier ihre Mahlzeiten einzunehmen.

Irrtum Nummer 1: Schlechte Hygiene lockt Bettwanzen an

So sehr viele Leute ihre Tiere lieben, Katzen, Hunde oder Meerschweinchen, bei Bettwanzen kriegen wir uns gar nicht mehr ein. Oder haben Sie schon mal jemanden erlebt, der stolz seine Bettwanzen präsentiert? Blöde Vorstellung! Denn für Bettwanzen schämt man sich eher – weil nämlich alle denken, dass Bettwanzen dort zu finden sind, wo es dreckig und keimig ist. Einer von mehren Irrtümern über die kleinen Parasiten. Bettwanzenforscher Professor Klaus Reinhardt aus Dresden:

Das ist ein Mythos, dass das irgendetwas mit Schmutz und Dreck zu tun hat. Aber es gibt da tatsächlich keine gesicherten Hinweise.

Professor Klaus Reinhardt

Wenn Sie also solche vier Millimeter großen braunen Hornplättchen, also Bettwanzen, in Ihrem Bett finden, schämen Sie sich nicht. Die sind genauso in Luxushotels wie in Hostels zuhause, bei Arm oder Reich, in tipptopp gepflegten Haushalten, genau wie da, wo Sauberkeit etwas legerer gehandhabt wird. Bettwanzenforscher Klaus Reinhardt ist sich sicher, dass es Bettwanzen so gut wie in jeder größeren Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern gibt.

Bettwanzen: Warum sie sich wieder zu uns kuscheln

Dichtere Besiedlung in unseren Städten, Haustiere, wärmeres Klima: All das führt aus Sicht des Dresdner Wanzenforschers dazu, dass das Risiko, Bettwanzen zu bekommen, steigt.

Die meisten Bettwanzen sind übrigens von hier und nur selten, wie immer gern behauptet, eingeschleppt.

Professor Klaus Reinhardt

Flach und klein - und weil sie sich gern unter Tapeten verkriechen, nennt der Volksmund Bettwanzen auch "Tapetenflunder". Bildrechte: imago images/blickwinkel

Ein Punkt, über den man sich streiten kann – oft werden Kammerjäger von Menschen in Haushalte gerufen, die anderswo im Urlaub waren und nach der Rückkehr einen Bettwanzen-Befall feststellen. Konkrete Zahlen dazu fehlen – es gibt keine Meldepflicht für Wanzenvorkommen.

Irrtum Nummer 2: Bettwanzen übertragen Krankheiten

Wenn Sie also früh immer mal mit so einer Art von Mückenstichen aufwachen, könnten die auch Zeichen für Bettwanzen sein. Das kann sehr unangenehm sein, aber zumindest in einer Hinsicht ohne weitere Folgen: anders als etwa Zecken übertragen Bettwanzen keine Krankheiten.

Da gibt es Dutzende, wahrscheinlich Hunderte Studien, die das alles gemacht haben. Okay, es gibt verschiedene Viren, die überleben eine Weile im Darm der Bettwanze. Aber die können sich nicht vermehren und dadurch sind sie auch nicht infektiös. Hinweise, dass Bettwanzen Krankheiten übertragen, gibt es Null.

Professor Klaus Reinhardt

Bettwanzen-Irrtum Nummer 3: Matratzen klopfen, Chemie sprühen

Trotzdem ist ein Bettwanzenfund für viele der GAU schlechthin, Alarmstufe rot! Da wird sofort panisch die Chemiekeule rausgeholt, die Matratzen werden rausgestellt und ausgeklopft – alles falsch, sagt der Zoologe Prof. Klaus Reinhardt:

90 Prozent der Leute, die würden was Falsches machen. Wenn man da wild irgendetwas umhersprüht, dann rennen die Bettwanzen im ganzen Zimmer rum und nisten sich im Nachbarzimmer ein. Oder wenn man die Matratze auf den Flur stellt, dann geht sie vielleicht in die Nachbarwohnung und kommt irgendwann zurück.

Professor Klaus Reinhardt

Kälte kann den kleinen Blutsaugern kaum etwas anhaben, erst ab minus 20 Grad im Tiefkühler oder draußen im Winter wird es für sie kritisch. Dagegen sind 60 Grad in der Waschmaschine für Bettwanzen und ihre Brut absolut tödlich. Auch die Mikrowelle wäre eine Lösung, wenn die Textilien sich nicht waschen lassen. Also was tun, wenn der Bettwanzenbefund sicher ist? Die ungeladenen Bettgäste verraten sich selbst – nicht nur durch die Einstichstellen auf der Haut, sondern durch ihren Kot, den man als kleine, schwarze Punkte auf dem Bettlaken findet.

Ich rate immer zur Ruhe! Ganz in Ruhe Schädlingsbekämpfer rufen, die machen das schon. Die verstehen ihr Handwerk.

Professor Klaus Reinhardt

Aber warum reagieren wir eigentlich auf Bettwanzen so panisch und oft mit den falschen Mitteln? Der Dresdner Forscher hat dafür durchaus Erklärungen:

Ich verstehe das schon. Die Bettwanze war jetzt lange weg und die Leute wissen nicht mehr, wie man damit umgeht. Deswegen sind da jetzt größere Ängste vorhanden.

Dieses Thema im Programm:MDR aktuell | Radio | 01. September 2019 | 12:50 Uhr