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KatastrophenschutzKatastrophen-Warnung: Wie funktioniert Cell Broadcasting?

08. Dezember 2022, 10:33 Uhr

Nach den Katastrophen der letzten Jahre fragen sich viele: Hätten die Menschen schneller und besser gewarnt werden können? Hätte ein anderes Warnsystem verhindern können, dass Menschen sterben? Ein System, das am 8. Dezember zum Warntag in Deutschland erprobt wird, ist Cell Broadcasting, ein Dienst, bei dem Warnmeldungen aufs Handy gesendet werden und der in vielen Ländern der Standard ist.

Es klingt zunächst wie eine SMS: Eine Textnachricht mit einer Warnung ploppt auf dem Handybildschirm auf. Der entscheidende Unterschied: Während eine SMS eher wie ein Brief von A nach B geschickt wird, ist Cell Broadcasting eher so etwas wie eine Postwurfsendung: Der gleiche Inhalt geht an alle und zwar genau zur selben Zeit, erklärt Johannes Rundfeldt von der AG KRITIS, einer Gruppe unabhängiger Fachleute auf dem Gebiet der kritischen Infrastruktur.

Die Masten für die Mobil-Funkzellen fürs Mobilfunknetz haben ihm zufolge eine Reichweite von ein paar Hundert Metern bis ein paar Kilometern, erläutert er: "Man kann also einem Sendemast sagen: Bitte schicke diese Nachricht an alle Geräte, die in deinem Empfangsbereich sind." Die geht dann automatisch an alle Handys, die an diesem Mast angemeldet sind, nicht nur an Smartphones. Nur im Flugmodus funktioniert das nicht.

Alle Handys können Cell Broadcasting

Technisch wäre es kein Problem, das Warnsystem einzuführen: Die Cell Broadcast-Technologie gibt es seit den 1980er-Jahren, alle Handys unterstützen sie standardmäßig. Und Professor Klaus-Peter Graf von der Universität der Bundeswehr in München erklärt, dass ein ganz spezieller Signalisierungston dafür sorgt, dass sich diese Nachricht von anderen eingehenden Nachrichten unterscheidet. Damit habe man eine Art Weck-, Alarmierungsfunktion für die Handynutzer, verdeutlicht Klaus-Peter Graf. Sein Spezialgebiet: Datennetze und Digitale Nachrichtentechnik.

Graf sagt, das bestehende Warnsystem MoWaS müsste lediglich mit der Cell Broadcast-Technologie verbunden werden, denn damit werden die Warnmeldungen der öffentlichen Stellen bundesweit verschickt: "Diese Warnmeldung würde von diesem MoWaS an ein sogenanntes Cell Broadcast-Center gehen. Das kann man sich wie einen Rechner vorstellen, der bei den Mobilfunk-Providern steht. Da läuft die Nachricht ein, das Cell Broadcast-Center passt die Nachricht an die Mobilfunktechnik an, formatiert sie und der Netzprovider überträgt die Nachricht an die entsprechenden, sagen wir salopp, Funkmasten und dort wird sie ausgestrahlt. Dann ist sie in Sekundenschnelle auf allen Handys in der Nähe."

Was Cell Broadcasting neben Infrastruktur noch braucht

Die Infrastruktur dafür ist da, sagen die Fachleute. Was braucht es also noch? Neben den Cell Broadcast-Centern, die jeder Provider betreiben muss, müsste die Technologie noch freigeschaltet werden. Das sei beides weder aufwändig, noch außergewöhnlich teuer. Das System sei robust und zuverlässig, bilanziert Professor Graf: "Ich kann viel besser über Cell Broadcast informieren, auch wenn viele andere Dinge wie zum Beispiel App-Abfragen oder Telefone schon lange nicht mehr gehen, wegen Netzüberlastung."

Wenn alles ausfällt, geht Cell Broadcast noch

Wenn alles schon ausgefallen ist, Cell Broadcast geht immer noch, meint der Professor, "das ist der Last Service Standing". Auch dann noch, wenn das Netz zusammenbricht, zum Beispiel, weil Hochwasser für einen Stromausfall sorgt? Dann ist die Grenze erreicht, erläutert Johannes Rundfeldt von der AG KRITIS: "Wenn der Mobilfunkmast ausfällt, können diese Nachrichten nicht mehr verschickt werden. Aber es gibt ja immer mehrere Mobilfunkmasten in einer Region und man kann davon ausgehen, dass beispielsweise der Vodafone-Mast im Ortskern möglicherweise als erstes kaputtgeht. Aber der O2-Mast, der auf der nächsten Bergkette steht und das ganze Tal mitversorgt, funktioniert noch."

Neben Warn-Apps soll ab 2022 auch Cell Broadcast für en Katastrophenfall genutzt werden. Bildrechte: IMAGO / Friedrich Stark

Außerdem könnten zentrale Funkmasten mit entsprechender Notstromversorgung ausgerüstet werden, um dieses Problem zu entschärfen, ergänzt Rundfeldt. Aber eigentlich sei der Sinn der Sache ja, dass gewarnt wird, lange bevor es soweit kommt. Das Warnsystem wird schon in vielen Ländern genutzt, etwa in den Niederlanden, Rumänien oder den USA. In Deutschland hatte man sich in der Vergangenheit gegen den Cell Broadcast entschieden und stattdessen auf Smartphone-Apps gesetzt. Ab 2022 soll es jetzt aber voraussichtlich eingesetzt werden.

kk/kfw

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 08. Dezember 2022 | 08:00 Uhr