Hurrikan-Bekämpfung Warum Atombomben nichts gegen Hurrikans ausrichten

21. Juli 2021, 10:51 Uhr

Hurrikan Dorian hat auf den Bahamas extreme Verwüstungen angerichtet. Das Ausmaß wird erst nach und nach sichtbar. Das wirft erneut die Frage auf, wie man solche furchtbaren Stürme stoppen kann? US-Präsident Donald Trump soll in einem Expertengespräch Atombomben gegen Hurrikans ins Spiel gebracht haben - das berichten zumindest Gesprächsteilnehmer, Trump selbst bestreitet es. Die Idee ist allerdings nicht neu. Aber ginge das? Und welche Wege gäbe es, Hurrikans wirklich zu bekämpfen?

Logo MDR 5 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
5 min

MDR AKTUELL So 15.09.2019 03:21Uhr 05:01 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/atombombe-gegen-hurricans100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Einen Hurrikan mithilfe einer Atombomben-Explosion stoppen? Die Idee ist natürlich Quatsch. Ernsthafte Wissenschaftler wollen auf die Frage, ob das überhaupt ginge, am liebsten gar nicht antworten. Abgesehen von der großflächigen radioaktiven Verseuchung, was würde eine Atombombe, die man ins Auge eines Hurrikans wirft, eigentlich bringen?

"Das können wir ganz kurz machen. Das würde überhaupt nichts bringen", sagt Diplommeteorologe Adrian Leyser vom Deutschen Wetterdienst. Auch wenn man sich das kaum vorstellen kann, Atombomben sind trotz ihrer gigantischen Zerstörungskraft einfach zu schwach für Hurrikans.

Die Hurrikans sind ungleich stärker als eine Atombombe. So ein durchschnittlicher Hurrikan setzt Wärmeenergie mit einer Rate von fünf bis 20 Mal zehn hoch 13 Watt um. Das ist eine Zahl mit 13 Nullen und entspricht in etwa einer starken Atombombe, die alle 20 Minuten explodiert.

Adrian Leyser, Deutscher Wetterdienst

Eine einzelne Atombombe würde also gar nichts bewirken. Man hätte in den drei Tagen, die Hurrikan Dorian gewütet hat, über den Bahamas rund 200 Atombomben zünden müssen, um rein von der Energie her gegenzuhalten. Das ist also nicht nur ein abenteuerlicher, sondern vor allem auch ein völlig realitätsferner Gedanke. Zur Ehrenrettung der Amerikaner muss man sagen, dass auch sie die Sache seit den 1950er-Jahren – als die Idee aufkam – nie ernsthaft in Betracht gezogen haben.

Ein anderer Ansatz wäre, Hurrikans im Frühstadium zu bekämpfen, wenn sie noch tropische Tiefs sind, ohne die extremen Kräfte eines Hurrikans. Doch Meteorologe Adrian Leyser sagt: "Das Problem an der Sache ist, dass es davon vor allem über dem Atlantik etwa 80 pro Jahr gibt und nur fünf werden zu Hurrikans." Man müsse also alle 80 tropischen Tiefs beschießen, um sicherzugehen, dass keine Hurrikans entstünden.

Also meiner Meinung nach gibt’s da gar keinen Ansatzpunkt, wo man sagen kann, wir können Hurrikans in irgendeiner Weise aufhalten.

Adrian Leyser, Deutscher Wetterdienst

Hurrikans zur Energiegewinnung nutzen

Die Hurrikanforschung geht im Moment eher in eine andere Richtung. Dabei geht es um die unvorstellbaren Energiemengen in einem Hurrikan. Mit Windrädern, die stabil genug für einen Hurrikan sind, könnte man diese riesigen Energiemengen zur Elektrizitätsgewinnung nutzen. Es gibt erste Versuchsanlagen – zum Beispiel vor der Küste Japans, erklärt Leyser: "Die sind halt ungleich größer als die Windräder, wie wir sie kennen, können Windgeschwindigkeiten von über 150, über 200 Kilometer pro Stunde standhalten und setzen diese Windenergie eben in Elektrizität um."

Ein interessanter Nebeneffekt: Alle Energie, die aus einem Hurrikan gewonnen wird, verliert der Hurrikan. Er wird also schwächer. Bei wenigen Windrädern ist das natürlich nicht zu merken, aber im großen Stil ist ein Effekt möglich. Es gibt eine interessante Studie, die als Gedankenexperiment einen gigantischen Windradpark vor die amerikanische Küste stellt:

Es wurden 80.000 von diesen widerstandsfähigen Windkraftanlagen vor die Golfküste Amerikas installiert und dann Hurrikan Katrina von 2005 simuliert. Da hat man tatsächlich herausgefunden, dass sich die Stärke merklich abschwächt und im Umkehrschluss 500 Gigawatt an Strom erzeugt worden ist.

Adrian Leyser, Deutscher Wetterdienst

Das entspricht der Leistung von 500 Atomkraftwerken. Natürlich ist nicht damit zu rechnen, dass die USA in den nächsten Jahren 80.000 Windräder vor ihren Küsten installieren und die bisherigen Anlagen sind auch technisch noch nicht ausgereift. Sie sind extrem teuer und nicht effizient genug - der Strom, den sie erzeugen, steht in keinem Verhältnis zum Aufwand, sie zu errichten und zu betreiben.

Für das Festland entwickeln Forscher aus Miami eine Art Windschraube, die auf Gebäudedächern den Sturm abbremsen und gleichzeitig Strom erzeugen soll. Aber auch diese Technik steht erst am Anfang.

Hurrikan Dorian ist unterdessen auf dem Weg über den Atlantik Richtung Europa. Wirklich Sorgen machen müssen wir uns in Deutschland aber nicht, sagt Meteorologe Adrian Leyser: "Eine unmittelbare Bedrohung besteht da für uns eher nicht." Es sei so, dass ein größerer Teil dieser Hurrikans zumeist dann nach Nord- und Westeuropa ziehe und dabei deutlich an Intensität verliere. Im Einzelfall könne es aber durchaus zu Orkantiefentwicklungen kommen. Die hätten dann zwar durchaus hohes Schadenspotential, aber nicht in der Form, wie sie Hurrikans besitzen, erläutert der Meteorologe.

Eine unbeherrschbare Naturgewalt

Hurrikan-gefährdet bleiben vor allem die Regionen um den Golf von Mexiko, die Karibik und die US-Golfküste. Denn Hurrikans brauchen zu ihrer Entstehung das warme Oberflächenwasser des Meeres. Dass mit der Klimaerwärmung die Zahl der schweren Hurrikans steigen könnte, ist bisher noch nicht belegt – allerdings sieht Meteorologe Leyser viel Logik in dem Gedanken.

Je wärmer das Oberflächenwasser der Meere ist, desto mehr Energie steckt da natürlich drin und desto mehr Energie können sie umsetzen und das führt unmittelbar dazu, dass diese Hurrikans stärker werden können.

Adrian Leyser, Deutscher Wetterdienst

Es gebe da aber zur Zeit noch keinen messbaren Trend. Die Klimamodelle deuten aber schon an, dass es in diese Richtung gehen könnte, so Leyser. Dass die Menschheit Hurrikans irgendwann beherrscht, kann er sich dagegen nicht vorstellen: Sie gehören für ihn zu den Naturgewalten, die stärker als alle menschlichen Kräfte sind. Allerdings würden wir immer besser lernen, mit ihnen umzugehen: "Was ich mir vorstellen könnte, ist, dass die Wettermodelle noch weiter verbessert werden", so Leyser. "So, dass man schon viele Tage im Voraus relativ genau sagen kann, wo zum Beispiel ein solcher Hurrikan an Land geht, dass da rechtzeitig evakuiert werden kann."

Aber im Grunde werden wir diesen Naturgewalten immer machtlos gegenüberstehen.

Adrian Leyser, Deutscher Wetterdienst

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 15. September 2019 | 03:21 Uhr