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Einmal geimpft, immer immun: Warum funktioniert das nicht bei allen Krankheitserregern? Bildrechte: imago images/Science Photo Library

Das Immunsystem und sein GedächtnisCorona, Grippe, Tetanus: Warum Impfungen unterschiedlich lange wirken

18. November 2021, 09:56 Uhr

Was ist unser Immunsystem nur für ein komischer Kauz: Wenn man gegen Hepatitis A impft, merkt es sich den Erreger zwanzig Jahre lang, gegen Tetanus ist man bis zu zehn Jahre nach einer Impfung immun und gegen Keuchhusten nur für fünf. Um gegen Covid-19 geschützt zu sein, brauchen wir zwei Impfungen und nach einem halben Jahr schon wieder einen Booster. Was ist da los, wie kann man das verstehen?

von Karsten Möbius

Um zu verstehen, was da läuft, kann man sich unser Immunsystem als eine Art Streifendienst durch unseren Körper vorstellen. Milliarden Polizisten patrouillieren durch unsere Adern und scannen alles, was ihnen über den Weg läuft. Die entscheidende Frage ist dabei immer: Gehörst du zu mir oder bist du ein Fremder? Impfungen sind dabei so etwas wie die Polizeischule, wie eine Weiterbildungsveranstaltung, sagt Immunologe Prof. Fred Zepp, Mitglied der Ständigen Impfkommission: "Wir zeigen dem Immunsystem, wogegen es reagieren soll. Aus diesem Grund nehmen wir für eine Impfung Bestandteile eines Krankheitserregers. Zum Beispiel jetzt in der Coronavirus-Pandemie nehmen wir diesen kleinen Pickel, der auf der Außenhülle ist, das sogenannte Spike-Protein."

Wie Proteine das Immunsystem austricksen

Wenn nun das Immunsystem diese Weiterbildung hinter sich hat, patrouillieren besonders viele, besonders trainierte "Polizisten" mit exakt diesem Steckbrief dieses Proteins durch unseren Körper, um, das ist der Sinn des Ganzen, möglichst schnell und möglichst überall reagieren zu können. Das wiederum gefällt den Krankheitserregern natürlich überhaupt nicht. Sie reagieren mit Veränderung. Setzen sich Hüte auf, kleben sich Bärte an, färben ihre Haare, na ja, im übertragenen Sinne.

Das heißt, zufällige Mutationen verändern ihr Aussehen, ihre Proteine, so dass die Erkenntnisse aus der Weiterbildung unserer Immunpolizisten für die Tonne sind. Der Steckbrief, den sie mitbekommen haben, stimmt dann nicht mehr. Ein Grund, dass wir beispielsweise gegen Grippe jedes Jahr impfen müssen, ist also, dass sich der Erreger unglaublich schnell verändert, sagt Prof. Thomas Boehm vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg: "Wenn das Virus sich schnell verändern kann, dann kann das immunologische Gedächtnis die Zweitinfektion mit einem veränderten Virus nicht so gut bekämpfen. Das ist relativ trivial." Beim Grippevirus gehen diese Veränderungen so schnell, dass sich die Erreger am Ende einer Krankheitswelle im März von denen vom Beginn im Oktober schon deutlich unterscheiden. Ganz zu schweigen von der nächsten Saison. Da nütze der "Polizei" der Steckbrief vom letzten Jahr gar nichts mehr. Vielleicht noch ein bisschen, weil die Streife schon eine gewisse Routine im Umgang mit ihren Pappenheimern bekommen hat.

Immunsystem merkt sich stabile Erreger

Aber auch die Art des Erregers und wo er sein Unwesen treibt, scheint für das immunologische Gedächtnis wichtig zu sein, erklärt der Freiburger Wissenschaftler Thomas Boehm: "Bei den Viren, die die Atemwege befallen, ist es oft so, dass die sich nicht nur schnell verändern können, was wir jetzt auch bei diesem Sars-Cov-2 sehen, sondern dass auch die Immunantwort in den Atemwegen insgesamt schwach ausgeprägt ist. So dass solche Erreger oft, wenn man sie jetzt durch Impfung bekämpfen will, Auffrischungsimpfungen erfordern." Im Umkehrschluss bedeutet das auch: Je stabiler ein Erreger, desto größer die Chance, dass sich das Immunsystem diesen Eindringling merkt, weil der Steckbrief nach wie vor gültig ist.

Aber warum halten manche Impfungen länger, andere kürzer?

Aber das klärt nicht in jedem Fall die Frage, warum das immunologische Gedächtnis manchmal zwanzig, manchmal zehn und manchmal fünf Jahre lang anhält. Dafür gibt es dann folgende Theorie: "Das Immunsystem muss auch energieeffizient arbeiten. Man kann nicht beliebig immunologisches Gedächtnis aufrechterhalten. Ist also eine schwache Immunantwort da und der Organismus hat sozusagen gelernt, 'Sterben werde ich davon nicht', dann wird relativ wenig Energie in die Aufrechterhaltung eines Gedächtnisses investiert. Weil man sagt: Wenn der das zweite Mal kommt, dann kriege ich den auch irgendwie um die Ecke." Das Verständnis, warum sich unser Immunsystem was warum wie lange merkt, ist also noch sehr schemenhaft und lässt sich bei neuen Erregern oder für neue Impfstoffe nie wirklich vorhersagen. Es ist wie immer in der Wissenschaft: Man muss es ausprobieren und immer wieder neu herausfinden.

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