Doping-Studie Uni Leipzig Wie Sportler ihren moralischen Kompass verlieren

11. Mai 2019, 11:56 Uhr

Dopen, ja oder nein: Was beeinflusst eigentlich, ob sich Sportler dafür oder dagegen entscheiden? Wissenschaftler haben untersucht, wer oder was das Zünglein an der Waage für die eine oder andere Entscheidung ist.

Je wichtiger Sportler ihren eigenen moralischen Kodex nehmen, um so eher verzichten sie auf illegale Dopingsubstanzen. Erleben sie im Umfeld und Team Leistungsdruck und Doping-Akzeptanz, kann das den eigenen moralischen "Zeigefinger" zu verbotenen Substanzen aushebeln. Die voraussichtliche Schuldfrage, was zieht das Ja oder Nein zum Doping nach sich, scheint ebenfalls eine Schlüsselrolle zu spielen: So die Kernaussagen einer Studie, der Uni Burmingham und Uni Leipzig, die das hypothetische Verhalten von Sportlern in Dopingsiutationen erfragt hat: 1.495 Sportlerinnen und Sportlern aus Großbritannien, Griechenland und Dänemark, junge Frauen und Männer in den höchsten Fußball-Amateurligen kurz vor dem Profistatus wurden befragt.

Die große Rolle des eigenen Moralkodex

Eine Frau lehnt an einem Geländer
Sportpsychologin Prof. Dr. Anne-Marie Elbe von der Universität Leipzig Bildrechte: Swen Reichhold/Universität Leipzig

"Die Ergebnisse weisen darauf hin, wie stark moralische Faktoren beim Doping eine Rolle spielen", sagt Prof. Dr. Anne-Marie Elbe von der Uni Leipzig. Aus der Verhaltensforschung weiß man, dass Individuen Befriedigung und Stolz daraus ziehen, wenn sie ihren eigenen Moralvorstellungen folgen. Auf Verstöße gegen den Moralkodex hingegen folgen negative Emotionen wie Scham oder Schuldgefühle: Diese antizipierten Moralvorstellungen regulieren, wie man sich verhält. Warum aber dopen Sportler dann doch, obwohl sie wissen, dass sie gegen den eigenen Kodex handeln? Die Folgen sind bekannt.

Egal, was für Sportler und Sportarten auf dem Spiel steht?

Athleten, die dopen, riskieren mehr als nur ihren guten Ruf: jahre- oder lebenslange Sperren und Sanktionen, finanzielle Einbußen oder Strafen, den Ruf der Sportart an sich. Betroffen bei nachgewiesenen Dopingfällen sind immer auch unbeteiligte Dritte - das Team, ein ganzer Sportzweig und Sportkollegen leiden unter dem Imageschaden und Geldeinbußen durch Dopingfälle. Und das, was am langfristigsten und oft irreparabel ist: Gesundheitliche Nebenwirkungen der Medikamente. Sie können nicht nur die körperliche Konstitution verändern, sondern auch auf die Psyche wirken.

Nein zum Doping - kann man das lernen oder ist das ein Kampf gegen Windmühlen-Flügel?

Sportler wissen all das - und trotzdem gibt es immer wieder Schlagzeilen um Dopingfälle bei großen Sportevents. Wie kommt es dazu? Frühere Studien haben das untersucht und gezeigt, wie Sportler ihre eigenen moralischen Haltungen umgehen. Da sprechen Athleten und Umfeld - also Trainer oder andere Athleten - von "Vitaminen", "Saft" und davon, dass "es normal sei, alles zu tun, weil allein das Team zählt". Das verschiebt die Verantwortung für das eigene Verhalten auf andere. Dadurch gerät man nicht mehr mit den eigenen moralischen Ansätzen in Konflikt - und negative eigene Emotionen wie Scham oder Schuld werden unwahrscheinlicher. Das erleichtert dann die Entscheidung für Doping-Substanzen.

Früh übt sich, wer später "Nein" zum Doping sagt

Und genau an dieser Stelle wollen die Forscher ansetzen, wie Professor Anne-Marie Elbe vom Insitut für Sportpsychologie und Sportpädagogik erläutert: Die Uni Leipzig wird eine Art Doping-"Impfung" in Form von Infomaterial entwickeln: Schon an Sportschulen sollen Kinder darin gestärkt werden, Entscheidungen auf Basis ethischer Kriterien zu treffen, anstatt sie über die Nebenwirkungen von Dopingmitteln aufzuklären. Das Projekt wird für drei Jahre vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft gefördert.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Sport im Osten | 20. April 2019 | 16:48 Uhr