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Internationaler Tag des GlücksGlück – muss man nicht nur wollen, sondern auch können

03. November 2020, 11:09 Uhr

Glücklich sein – wer will das nicht. Den Finnen gelingt das offenbar am besten, wenn man auf den aktuellen Weltglücksbericht schaut, auf dem Deutschland um zwei Plätze auf Rang 16 abgerutscht ist. Nur wie geht das? Was macht Glück aus, worin finden wir es oder ist es gar etwas, das das wir von Natur aus oder lernen können? Ein Gespräch über Glück mit zwei Spezialisten.

von Karsten Möbius

Glück - dieses Gefühl gehört zu den schönsten Dingen, die es für uns Menschen auf der Welt gibt. Viele sehen im Glück sogar den Sinn des Lebens. Welchen Plan hatte Mutter Natur, die Evolution, als sie dieses mächtige Gefühl auf die Welt brachte? Es muss etwas Großartiges gewesen sein - sonst hätte sie sich nicht so ins Zeug gelegt. Alles beginnt mit einem Ereignis, einem Erlebnis. Mit einem überraschenden Besuch, dem Klingeln des Paketboten, einer guten Nachricht. Tief in den ältesten Regionen unseres Gehirns, im zentralen Nervensystem, beginnt der Reigen der Glückseligkeit. Das Glückshormon Dopamin wird produziert und viele andere seiner Verwandten u.a. auch Endorphine - körpereigenes Opium. Diese Stoffe überschwemmen das Frontalhirn, den Teil des Gehirns, wo unsere Persönlichkeit gesteuert wird.

Und jetzt kann man sich fragen, was macht selbstgemachtes Opium im Frontalhirn und die Antwort ist ganz einfach: Es macht Spaß.

Neurologe Prof. Manfred Spitzer

Wahrscheinlich will uns die Evolution mit diesem Gefühl sagen: Das ist gut, das ist sehr gut, was gerade passiert. Das kannst Du ruhig öfter machen. In diesem Zustand ist unser Gehirn extrem aufnahmebereit und lernfähig. Eine perfekte Kombination: Emotion und Erkenntnis. Jeder weiß, was Spaß macht, wird schnell gelernt. Deshalb ist sich Prof. Spitzer sicher: Glück muss evolutionär ein Nebenprodukt des Lernens sein, denn wenn das System anspringt, wie er sagt, passieren zwei Dinge:

Sie lernen schnell und es macht Spaß. Und jetzt hat man gedacht, jetzt wäre man fertig. Man hat aber auch festgestellt, das Ding geht nicht nur an, wenn was Schönes passiert. Es geht an, wenn was Neues, Schönes passiert, das wir noch nicht wissen! So wird klar: Das ist nicht unser Glückszentrum, über das wir die ganze Zeit reden, das ist unser Lernturbo!

Neurologe Prof. Manfred Spitzer

Glück wirft den Lernturbo an

Glück als Motor der Erkenntnis, als Triebkraft, die Welt zu verstehen. Das könnte in der Tat ein cleverer Plan gewesen sein, der ziemlich gut funktioniert. Ein Plan, der die Besiedlung der Welt durch den Menschen, die Fahrt des Christoph Kolumbus, den Weg ins All und ganz grundsätzlich die Neugier des Menschen erklären könnte:

Was man so Neugierde nennt, das ist so eine Art Vorglühen des Glückszentrums, so dass wenn dann die Information kommt: Wuff, wird sie gelernt, ganz schnell. Und das macht genau das Zentrum, was uns Glücksgefühle bereitet, das sorgt für ganz rasches Lernen, nämlich dann, wenn wir neugierig sind. Das glüht schon mal das Glückszentrum vor.

Neurologe Prof. Manfred Spitzer

Nun springt unser Glückszentrum nicht nur an, wenn wir einen neuen Kontinent entdeckt oder das Rätsel der dunklen Materie gelöst haben, sondern auch bei einem neuen Rasenmäher, einem neuen Kleid oder einem Lottogewinn. Auch das empfinden wir als fantastisch und freuen uns unbändig. Ein Glück, das nur begrenzte Zeit andauert - Glück mit Ablaufdatum sozusagen. Biopsychologe Professor Peter Walschburger:

Glück ist eine Art momentan übersteigerte Zufriedenheit. Also Glück ist ein Zustand, der nur in Zusammenhang mit der Vergänglichkeit Sinn macht und erlebbar ist und erst dann zu Bewusstsein kommt, wenn er schon vorbei ist.

Professor Peter Walschburger

Das ist das Wesen des Glücksmomentes, wie der Name schon sagt, bestätigt Prof. Manfred Spitzer:

Die schlechteste Nachricht des heutigen Tages: Es ist nicht dafür da, uns Dauerglück zu vermitteln. Denn zur dauerhaften Aktivierung ist das Ding gar nicht in der Lage.

Prof. Manfred Spitzer

So richtig das ist, wissen wir alle auch, dass es Dinge und Ereignisse gibt, die uns grundsätzlich glücklich und zufrieden machen, die zu einer Grundzufriedenheit, sozusagen einem Grundrauschen an Glück führen - einer Art Lebensglück.

Glück durch Konsum?

Die Wissenschaft geht davon aus, dass uns unsere Industriegesellschaft immer weiter von unseren Wurzeln, unseren Grundbedürfnissen entfernt. Wir suchen zunehmend schnelles Glück durch Geld und Macht sagt Prof. Peter Walschburger. Die trügerische Botschaft unserer Zeit heißt: Glück durch Konsum!

Wir leben heute so lange, wie noch niemand gelebt hat, wir können uns reproduzieren oder können es bleiben lassen, wir leben im Wohlstand! Aber wir leben nicht mehr in einem Paradies der Zufriedenheit des Lebens. Das ist eigentlich den Menschen weitgehend abhandengekommen.

Prof. Peter Walschburger

Das heißt nicht, zurück in den Wald oder die Savanne. Sondern wenn man das Glück wirklich finden möchte, heißt das besinnen auf die Dinge, die uns wirklich glücklich machen. Diese Dinge sind tief in uns eingebrannt, in unsere Gene. Wir müssten eigentlich nur in uns hineinhören. Unsere moderne Gesellschaft macht uns das allerdings mit ihren Wertesystemen, fremdbestimmten Terminen, Arbeitszeiten und dem Großstadtleben nicht ganz einfach, sagt Prof. Peter Walschburger:

Das Glück wohnt oft in einem eher bescheidenen Ambiente, was naturnahe Bedingungen einschließt. Eine Lebensform, die mehr Zeit mit sich bringt, wo man im Bereich einer erweiterten Familie mit vertrauten Menschen, die man alle kennt. Aufgeht im Hier und Jetzt einer gelingenden Sozialstruktur. Das Glück ist also eher auf Sozialbedingungen bezogen.

Prof. Peter Walschburger

Das Entscheidende für ein dauerhaftes und nachhaltiges Glücksempfinden scheint tatsächlich eine funktionierende Gemeinschaft zu sein. Geborgenheit, Vertrauen, Achtung, Wertschätzung sind seit Millionen von Jahren die Garantie für unser Überleben und sind damit offenbar Voraussetzung für dieses erwähnte Grundrauschen an Zufriedenheit und Glück. Diese Bedürfnis nach Gemeinschaft macht uns ganz verrückt danach, von anderen geachtet und beachtet zu werden

Von der Gemeinschaft können wir nicht genug kriegen. Also das ist das Einzige, was nicht weniger wird über die Zeit im Sinne, dass es uns weniger glücklich macht je länger wir Gemeinschaft haben. Nein, wir freuen uns, wenn wir zusammen sind mit netten anderen Menschen und das hört nie auf.

Prof. Peter Walschburger

Natur macht uns zu glücklicheren Menschen

Nachhaltig glücklich machen uns also ganz grundsätzlich Dinge, die seit jeher zu uns Menschen gehören. Bewegung gehört dazu aber auch die Natur. Im Wald sinkt unser Blutdruck nachweisbar, das Streßlevel sinkt und unser Immunsystem arbeitet damit besser. Unser Glücksempfinden reagiert sofort auf diese ursprünglichen Reize und Signale: Die Natur macht aus uns glücklichere Menschen. Das macht soviel aus, dass wenn Sie im Krankenhaus liegen und auf Bäume gucken, dann liegen Sie kürzer im Krankenhaus, als wenn Sie auf Mauern schauen. Nachgewiesen!

Glück macht tatsächlich, dass wir länger leben und dass wir uns besser fühlen beim länger leben. Der Effekt ist riesig.

Prof. Peter Walschburger

Neben Dingen, die grundsätzlich glücklich machen, ist Glück auch immer etwas Individuelles. Es gibt kein Rezept für Glück und es gibt auch keine Glücksgarantie für Lottogewinner und keinen Schicksalsschlag, der Glück für immer unmöglich macht.

Stellen Sie sich vor, Sie haben jetzt eine Million im Lotto gewonnen und am morgen kommt jemand und bringt Ihnen eine Tasse Kaffee. Dann finden Sie das gar nicht so toll. Warum? Na ja, weil Sie sind halt Millionär und Sie könnten sich Kaffee leisten ohne Ende und deswegen ist das nicht toll, wenn Ihnen jemand eine Tasse Kaffee ans Bett bringt. Gegenüber der Million verblasst der Kaffee schon ganz heftig.

Prof. Peter Walschburger

Und das Gegenbeispiel:

Jetzt stellen Sie sich vor, Sie hatten einen Autounfall und Sie liegen querschnittsgelähmt im Bett. Und da kommt jemand mit einer Tasse Kaffee an Ihr Bett. Da freuen Sie sich. 'Hey, da denkt jemand an mich. Ich bin ein Krüppel und trotzdem denkt jemand an mich. Und der Kaffee duftet so schön. Ich hab' ja sonst nicht viel vom Leben, aber der Kaffee ist echt klasse.'

Prof. Peter Walschburger

Studien belegen, dass nach längerer Zeit das Unfallopfer tatsächlich glücklicher werden kann als der Lottomillionär. Das heißt auch, Glück steckt in allem und jedem. In einer Geste, in einem Lächeln und sogar in einer Tasse Kaffee. Es ist um uns - wir müssen es nur zulassen. Es ist die Sicht, die Perspektive auf Dinge, auf das Leben, die Glück möglich machen.

Glück kann man nicht erzwingen

Wer sich aufmacht, um das Glück zu suchen, wird es also nicht finden. Es ist ein bisschen wie die Suche nach der großen Liebe, je angestrengter und verzweifelter man sucht, desto unwahrscheinlicher ist es sie zu finden. Es kommt nur, wenn wir nicht an das Glück denken. Wenn wir selbstvergessen Federball spielen, mit Freunden unterwegs sind, einem Hilfesuchenden beistehen oder freudetaumelnd aus einer Prüfung kommen. Lehnen Sie sich also zurück. Lächeln Sie in den Tag und das Glück wird Sie sehen und Ihnen die Hand reichen. Aber so einfach wie sich das anhört, ist es wahrscheinlich nicht. Sonst wären ja alle glücklich. Glück muss man auch können sagt Prof. Peter Walschburger:

Manche können es nicht. Weil sie entweder auf das Große warten oder weil sie hohe Moralvorstellungen haben oder weil sie ängstlich sind. Unbekümmertere Leute, die nehmen das einfach hin. Das muss man sicher auch schon können. Das ist sicher auch Lebenskunst.

Prof. Peter Walschburger

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 20. März 2023 | 08:00 Uhr

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