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BrennstoffzellenzugMit der Wasserstoff-S-Bahn elektrisch nach Grimma

09. November 2020, 11:31 Uhr

Das Netz der S-Bahn Mitteldeutschland soll wachsen – unter anderem bis Grimma und Döbeln. Da Dieselzüge die Stammstrecke unter der Leipziger Innenstadt nicht nutzen können und eine Elektrifizierung langwierig und teuer ist, könnten Wasserstoffzüge das Problem lösen. Einer ist jetzt auf Testfahrt.

Wasserstoffzug: Das klingt nach Zukunft. Ist aber keine, sondern Realität und fast schon Alltag in Niedersachsen. Seit dem vergangenen Herbst fahren zwischen Cuxhaven und Buxtehude Bahnen mit Brennstoffzellenantrieb im Pilotprojekt. Linien in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg sollen folgen. Und vielleicht in Sachsen. Denn eine Erweiterung des Netzes der S-Bahn-Mitteldeutschland über Grimma nach Döbeln ist zwar angestrebt, aber nicht so einfach. Die Dieselzüge, die derzeit als Regionalbahnen unterwegs sind, dürfen nicht auf der unterirdischen S-Bahn-Stammstrecke in Leipzig rollen. Das ist aber erforderlich, damit die Schienenverbindung für die zusätzlichen 400.000 Menschen im Einzugsgebiet attraktiver wird. Mit Wasserstoffzügen wäre das zumindest in der Theorie kein Problem.

Wir tanken gasförmigen Wasserstoff, wie man bei anderen Zügen Diesel tankt. Der wird in der Brennstoffzelle in elektrischen Strom umgewandelt.

Jörg Nikutta | Geschäftsführer Alstom Deutschland/Österreich

Statt Dieselruß entsteht als Abfallprodukt nur klares Wasser. Abgesehen davon ist die Brennstoffzellenbahn ein Elektrozug, nur eben ohne Oberleitung. Der Bezug von ausreichend Wasserstoff wäre kein Problem, das Produkt entsteht z.B. als Abfall im Chemiepark Leuna. Über eine Pipeline – derzeit gibt es eine in der Nähe des an die S-Bahn angeschlossenen Flughafens Leipzig-Halle – könnte der "Treibstoff" dann direkt bezogen werden.

Wie geht Brennstoffzelle?Das Prinzip der Brennstoffzelle lautet: Chemische Energie wird in Elektroenergie umgewandelt. Im Falle unserer S-Bahn trifft Wasserstoff auf ionisierten (geladenen) Sauerstoff, beide verbinden sich zu Wasser und dabei wird elektrische Energie freigesetzt, mit der die Motoren angetrieben werden. Klingt einfach, ist aber in der Praxis komplizierter. Denn es ist "eine Herausforderung, Materialien mit den richtigen Eigenschaften zu finden, die im Stande sind, Brennstoff und Sauerstoff in nützliche Elektrizität umzuwandeln", beschreiben Ingenieure vom Forschungszentrum Jülich das Problem. "Sind die richtigen Materialien gefunden, besteht die nächste Schwierigkeit darin, sie in die erforderliche Form zu bringen, oder sicherzustellen, dass die gebauten Geräte robust sind und über eine hohe Lebensdauer verfügen."

Testfahrt von Leipzig nach Grimma

Was der Zug tatsächlich kann, zeigte er am 1. Februar 2019 auf einer Testfahrt von Leipzig-Hauptbahnhof nach Grimma. Für den französischen Hersteller Alstom, der das Concordia iLint genannte Modell seit 2014 entwickelt, Gelegenheit, Eindruck zu machen und zu zeigen, ob sich die Entwicklungsarbeit gelohnt hat. Die wurde vom Bundesverkehrsministerium mit neun Millionen Euro gefördert. Kein Wunder: Gut vierzig Prozent der Bahnstrecken in Deutschland sind nicht elektifiziert, der Wasserstoffzug könnte hier aushelfen.

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Geduld ist gefragt

Im Ballungsraum Leipzig-Halle sind das nicht nur die Strecke nach Döbeln, sondern auch Verbindungen im Leipziger Südwesten Richtung Gera. Doch auch, wenn in anderen Bundesländern schon Züge bestellt werden, in Sachsen ist Geduld gefragt. Ob die Wasserstoffzüge überhaupt durch den S-Bahn-Tunnel rollen dürfen, entscheidet zunächst das Eisenbahnbundesamt. Und selbst dann ist das Aus für die Dieseltriebwagen noch nicht sicher. Beim Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) bremst man die Euphorie. Geschäftsführer Oliver Mietzsch betonte, dass die Dieselzüge erstmal ihr Geld "reinfahren" müssen:

Deshalb sagen wir auch: Frühestens mit der Neuausschreibung des mitteldeutschen S-Bahn-Netzes 2025 ist sowas realisierbar. Vorher auf gar keinen Fall.

Oliver Mietzsch | ZVNL-Geschäftsführer

Aber immerhin: Die Brennstoffzelle als Energiewandler wird uns auch in Zukunft begleiten. Bereits jetzt werden in Japan einige Wohnhäuser mit Wärme und Energie aus Brennstoffzellen versorgt. Außerdem fahren weltweit mehrere tausend Wasserstoffautos. Tankstellen sind aber Mangelware – in ganz Mitteldeutschland gibt es mit Dresden, Magdeburg und Leipzig nur drei. Deshalb wird eine Zukunft der Brennstoffzelle eher im Nahverkehr gesehen. Wie bei der S-Bahn nach Döbeln eben.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 21. Januar 2019 | 07:32 Uhr