Abwaschlappen hängt über Wasserhahn 5 min
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Welttag des Putzens Klinische Reinheit ist ein Mythos

08. November 2021, 11:56 Uhr

Am 8. November ist Welttag des Putzens. Kein offizieller Tag, aber einer, der uns an alle fleißigen Putzfrauen und -männer erinnern soll. Und an die, die es zuhause tun, manche sogar mit großer Hingabe. Aber Vorsicht. Auch beim Putzen gibt es ein Zuviel. Und "klinische Reinheit" ist ein Mythos. Egal, wohin wir gehen, was wir anfassen, die Viren, Bakterien, Pilze sind immer schon da. Wir müssen wieder lernen, die guten zu unterstützen – wenn wir die bösen bekämpfen.

Mikroben. Sie sind winzig-kleine Lebewesen. Bakterien gehören dazu, Viren oder Pilze. Und sie sind überall. Dort, wo wir arbeiten und den Haushalt erledigen. Sie geben uns – gewissermaßen – die Klinke in die Hand und sie liegen uns sogar zu Füßen:

Egal, wie viel wir putzen, Mikroben werden wir aus unserer Wohnung nicht verbannen können.

Susanne Thiele, Mikrobiologin

Autorin Susanne Thiele hat die Welt der Bakterien, Viren und Pilze ausführlich studiert. Doch sie alle zu kennen, ist auch für die Mikrobiologin unmöglich, denn es gibt Milliarden von ihnen. Sie leben auf und in uns und sie umgeben uns, überall. An einem Ort allerdings haben wir meist ganz gut im Griff.

Die Toilette ist eigentlich total überschätzt, vom Infektionspotenzial.

Susanne Thiele

Die Toilettenbrille, so Susanne Thiel, ist einer der bestgeputzten Orte im ganzen Haus. Ergebnis: 100 bis 150 Keime pro Quadratzentimeter. Das ist praktisch nichts.

Die eigentliche Ansteckungsgefahr geht von der Toiletten-Spülung aus. Steht der Deckel offen, können die Keime – etwa 25.000 Viren und 600.000 Bakterien – bis zu zwei Meter weit herausgeschleudert werden und so sogar auf der Zahnbürste landen. Also Deckel runter, dann spülen.

Vorsicht Fernbedienung!

Susanne Thiele mit Fernbedienung in der hand
Fernbedienung - ein wahres Paradies für Keime. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Und nicht vergessen, die Hände zu waschen! Die sind allerdings an einem anderen Ort in viel größerer Gefahr. Vor dem Fernseher, beim Griff nach der Fernbedienung. Für Mikroben das reinste Paradies! "In der Erkältungszeit ist das ein super Übertragungspotenzial für Erkältungsviren oder auch Grippeviren", sagt Susanne Thiele.

Die können nämlich auf der Fernbedienung bis zu 24 Stunden überleben.

Susanne Thiele

Und mit Popcorn oder anderem Essen und den entsprechend öligen oder fettigen Fingern sorgen wir für eine Schutzschicht, die den Viren hilft, noch länger zu überleben. Deshalb der Tipp der Expertin: Die Fernbedienung einmal in der Woche mit einem Brillenputztuch reinigen.

Kommen wir zu den guten Bakterien

Wenn es Sie nun vor lauter Mikroben schon juckt, seien Sie beruhigt. An der TU Dresden erfahren wir: Es gibt nicht nur die Bösen!

Der allergrößte Anteil der Bakterien, die auf der Erde vorkommen, macht überhaupt keine Infektionen.

Prof. Alexander Dalpke TU Dresden

Alexander Dalpke, Mikrobiologe und Professor am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der TU Dresden, rät deshalb von übertriebener Hygiene und dem Einsatz von Desinfektions-Mitteln in den eigenen vier Wänden ab, weil viele Bakterien tatsächlich auch gute Funktionen erfüllen können.

Bakterien tragen bei zum Nahrungsaufschluss, sonst könnten Sie Ballaststoffe gar nicht verdauen.

Prof. Alexander Dalpke

Sie tragen auch zur Produktion von Vitaminen bei, so der Mikrobiologe. Oder sie bekämpfen "böse" Bakterien, etwa auf der Haut oder bei einer Wunde.

Was lernen wir?

Wir müssen die gefährlichen Keime in Schach halten. Durch "vernünftiges Putzen", sagt Susanne Thiele. Und die guten müssen wir unterstützen. Zum Beispiel durch Zimmerpflanzen. Auch Hund oder Katze können uns laut Thiele gute Dienste erweisen.  

Die bringen gute Umweltbakterien mit in die Wohnung, stellen so ein bisschen die Verbindung zur Natur her und trainieren unser Immunsystem.

Susanne Thiele

Für den gesunden Mikroben-Mix daheim hat die Expertin noch wertvolle Tipps:

- Nichts unabgedeckt im Kühlschrank liegen lassen und die Temperatur auf 5 Grad Celsius einstellen.

- Ausreichend lüften.

- Zahnbürsten alle sechs Wochen – oder nach Krankheit sofort –  erneuern.

Damit sich die Lebensgemeinschaft mit unseren unsichtbaren Mitbewohnern friedlich gestaltet.

Susanne Thiele Hat an der Technischen Universität in Braunschweig Biologie studiert. Heute leitet sie die Presse- und Kommunikations-Abteilung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig, schreibt Sachbücher (Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke) und den Blog "Mikrobenzirkus", der als "Wissenschaftsblog 2018" ausgezeichnet wurde.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um zwei | 16. April 2019 | 14:20 Uhr