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Erde im WandelDie menschengemachte Welt – knapp drei Prozent Natur intakt

16. April 2021, 17:07 Uhr

"Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt". Was dabei rauskommt, zeigt uns eine verblüffende neue Anwendung von Google Earth: Die Welt im Zeitraffer – von oben runtergeschaut dank Satellitentechnik. Eine Forschungsarbeit unterfüttert das, was wir so sehen, mit einer erschreckenden Analyse. Ökologisch intakte Areale auf dem Planeten sind kaum noch vorhanden. Überall haben wir unsere Spuren hinterlassen.

So klein der Mensch im Vergleich zum Planeten auch ist, die Spuren und Abdrücke, die der Mensch auf der Erde hinterlässt, sind gigantisch. Das zeigt zum einen die Studie eines internationalen Forschungsteams, das herausgearbeitet hat, wie viel Natur noch unberührt und unbeeinflusst ist von menschlichem Einfluss. Und zum anderen zeigt uns eine neue Anwendungsmöglichkeit des Internet-Giganten Google ganz plastisch, wie der Mensch die Erde in den letzten 40 Jahren verändert hat.

Forschung: Knapp drei Prozent Landfläche intakt

An der internationalen Studie waren Forschende des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie beteiligt. Sie kommen zu dem Ergebnis: Auf nur noch 2,8 Prozent der Landfläche in Gebieten, die 10.000 Quadratkilometer oder größer sind, hat sich der Mensch noch nicht verewigt und übt keinen Einfluss aus auf Flora, Fauna und das komplette Zusammenspiel der Natur.

Das sind dann Regionen ohne bekannten Artenverlust oder in denen Arten kurz vor dem Aussterben stehen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: 97,2 Prozent der Oberfläche der Erde hat der Mensch so geprägt, dass das natürliche Gleichgewicht von Flora und Fauna sowie ihrer Funktionalität nicht mehr intakt ist.

Ein überraschender Fund der Forschungsarbeit: Die Regionen, die in den Analysen als ökologisch intakt identifiziert wurden, entsprachen nicht den Regionen, die als Schutzgebiete ausgewiesen sind. Vielmehr waren viele der ökologisch intakten Gebiete solche, die einheimische Communities selbst verwalten – ohne, dass ein Areal explizit als Naturschutzgebiet festgelegt wurde. Außerdem wiesen die Forschenden nach, dass sich auf zwanzig Prozent der Landmasse die Fauna funktionell komplett regenerieren würde, wenn dort bis zu fünf Tierarten wieder angesiedelt würden – besonders dort, wo der menschliche Fußabdruck noch eher klein ist: zum Beispiel im Norden Kanadas und in Alaska, im östlichen Russland, im Amazonas- und im Kongobecken sowie in Teilen der Sahara.

Was uns "Google Earth" zeigt

Technisch gesehen wunderbar, inhaltlich gesehen erschreckend, kann man sich den menschlichen "Fußabdruck" am Bildschirm anschauen: "Timelapse" nennt sich die neue Funktion von Google Earth. Sie zeigt, wie sich jedes Fleckchen auf der Erde in den letzten vier Jahrzehnten verändert hat – aus der Vogelperspektive und im Zeitraffer. Hier sieht man, wie sich Küstenlinien verändert haben. Ein drastisches Beispiel dafür ist Dubai, Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate am Persischen Golf. Vor der Küste Dubais wachsen im Zeitraffer künstliche Inseln in Palmenformation heran. Oder man beobachtet, wie das einst verschlafene Örtchen "Playa del Carmen" am Golf von Mexiko anschwillt, sich an der Küste entlang ausbreitet und tief ins Landesinnere ausdehnt. Ähnlich verblüffend ist auch die Ausdehnung der Stadt Gliwice (Gleiwitz) in Polen. Und wer mal frösteln will, schaut ganz tief gen Süden oder hoch gen Norden – die Veränderungen der Gletscherlandschaften in der Antarktis oder in Grönland zeigen eindringlich, wie sehr die Erde sich verändert oder wie wir Menschen die Erde verändern.

Jahrzehnte in Sekunden: Zwenkau und Berliner Flughafen

Aber man kann sich auch bei uns vor der Haustür umschauen und zusehen, wie sich Tagebaugebiete – aus der Vogelperspektive betrachtet – regelrecht in die Landschaft einfräsen: Einblicke in den Landschaftswandel im sächsischen Zwenkau südlich von Leipzig, im niedersorbischen Drebkau in Brandenburg oder am Beispiel des Hambacher Forsts. Und sogar die (fast unendliche) Bauzeit des Berliner Hauptstadtflughafens lässt sich dank Satellitentechnik auch deutlich verkürzen: auf ein paar Sekunden.

Wie funktioniert das?

Technisch stecken hinter all diesen Ansichten 24 Millionen Satellitenfotos aus der Zeit zwischen 1984 und 2020 sowie Millionen Rechenstunden auf Tausenden Rechnern. Die Aufnahmen stammen vom US-Erdbeobachtungsprogramm Landsat und von Satelliten des EU-Erdbeobachtungprogramms Copernicus.

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