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Kann ein Tempolimit von 30 km/h die Belastung mit CO2 reduzieren? Bildrechte: IMAGO / Michael Gstettenbauer

VerkehrVor- und Nachteile: Wie Studien Tempo 30 beurteilen

10. Januar 2023, 13:59 Uhr

Viele Kommunen in Deutschland wollen eine Ausweitung von Tempo-30-Zonen, doch bislang sind die Möglichkeiten dazu rechtlich beschränkt. Wären solche Tempolimits aus Sicht der Wissenschaft sinnvoll?

Viele Umweltverbände und Vertreter von Kommunen wünschen sich eine Ausweitung von Tempo-30-Zonen in Städten und Dörfern. Das Recht erlaubt die Einrichtung solcher Beschränkungen aber nur in bestimmten Fällen. Dieser Rahmen soll größer werden, fordern die Anhänger von Tempo-30, das FDP-geführte Verkehrsministerium zeigt sich bislang zurückhaltend. Doch was würden stärkere Geschwindigkeitsbeschränkungen bewirken? Wären die Effekte positiv oder könnte es auch Nachteile geben? Ein kurzer Überblick über den Forschungsstand.

Führt Tempo 30 zu häufigeren Staus auf Hauptstraßen?

Kritiker eines Tempolimits von 30 km/h auf innerstädtischen Straßen argumentieren, eine Verringerung der Maximalgeschwindigkeit reduziere die Zahl der Fahrzeuge, die in einer bestimmten Zeit über eine Straße fahren könnten.

Das Bundesumweltamt verweist jedoch auf Berechnungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen in Köln. Die zeigen, dass vor allem Ampeln und deren Umschaltzeiten, also die Frequenz von Rot- und Grünphasen entscheidend dafür sind, wie Fahrzeuge durch den Stadtverkehr kommen. Zudem entscheide vor allem die Menge der Autos, die auf einer Straße unterwegs seien und die Frage, ob Fahrradfahrer ebenfalls die Straße nutzen müssen oder ob es für sie eigene Radwege gibt.

Der Think Tank Agora Verkehrswende verweist zudem auf die Erfahrungen aus verschiedenen Verkehrsversuchen, die zeigten, dass Verkehrsteilnehmer die Wahl ihres Verkehrsmittels an das Angebot anpassten. Das bedeutet, je weniger der Straßenraum das Automobil begünstigt und stattdessen den ÖPNV oder Radfahrer gleichstellt, desto mehr Menschen lassen Pkw stehen und wählen andere Verkehrsträger.

  • Umweltbundesamt Deutschland: Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen, PDF
  • Agora Verkehrswende: Weniger Verkehr versuchen

Kann Tempo-30 die Verkehrssicherheit erhöhen und Unfälle reduzieren?

Intuitiv erscheint logisch, dass eine geringere Geschwindigkeit die Gefahr von Unfällen reduziert: Autofahrende haben mehr Zeit, andere Verkehrsteilnehmer und potenzielle Gefahren wahrzunehmen und zu reagieren. Und kommt es doch zur Kollision, ist die Wucht des Aufpralls geringer.

Allerdings kritisiert der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC), dass es kaum Studien gebe, die den Einfluss der Geschwindigkeit auf den Ablauf von Unfällen näher beschreiben. "Alle Untersuchungen leiden darunter, dass die Geschwindigkeit, wie andere Einflussfaktoren auch, nie alleinige Ursache eines Unfalls ist."

Das Umweltbundesamt hält dem einige Einzelerfahrungen entgegen. So hätten Erfahrungen in Schwerin, Berlin und der Schweizer Stadt Könitz gezeigt, dass die Ausweitung von Tempo-30-Zonen mit einem Rückgang der Unfallzahlen verbunden gewesen waren. Allerdings könnten dabei immer auch andere Faktoren, wie eine veränderte bauliche Struktur der Verkehrsanlagen zu dieser Verbesserung beigetragen haben.

Senkt Tempo-30 CO2-Emissionen, Abgase und Feinstaub?

Ein strengeres Tempolimit würde den Ausstoß von CO2 bei Verbrennungsmotoren und den Reifenabrieb bei allen Autos verringern, argumentieren die Befürworter von Tempo 30 in den Städten. Kritiker halten dagegen, Tempo 30 steigere den CO2-Austoß sogar, da Motoren bei diesem Tempo oft eine geringe Effizienz hätten. Die Studie "Ersteinschätzung der Wirkung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen auf die NOx- und PM10-Emissionen" kam 2012 zu dem Ergebnis, dass der Kraftstoffverbrauch steigt, wenn ein Auto konstant mit 30 statt 50 Kilometern pro Stunde unterwegs ist.

Die gleiche Studie zeigt jedoch auch: Ein strengeres Tempolimit kann die Feinstaubbelastung deutlich senken, weil weniger Staub aufgewirbelt wird und auch der Reifenabrieb geringer ist.

Andere Forscher wie Wolfram Schmidt von der TU Dresden weisen zudem auf die Effekte des im Stadtverkehr häufigen "Stop and Go" Modus hin. "Wenn sie vor einer Kreuzung stehen und beschleunigen, dann haben sie bei einer Beschleunigung auf eine Zielgeschwindigkeit von 50 km/h ungefähr dreimal höhere Emissionen und Verbrauch, als wenn sie nur auf 30 beschleunigen", sagt er im Gespräch mit MDR WISSEN.

Diese Überlegung wird gestützt von Daten des Berliner Senats. Laut einem Papier des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hat Tempo 30 in der Hauptstadt dazu beigetragen, die Menge ausgestoßener Schadstoffe durch Beschleunigungsvorgänge deutlich zu verringern.

Kann Tempo 30 die Lärmbelastung reduzieren?

Hinsichtlich der Lärmbelastung von Anwohnern sind die Ergebnisse dagegen recht eindeutig. Die Einführung von Tempo 30 Gebieten in Frankfurt am Main, Mainz und Berlin sei mit einer deutlichen Verringerung des Verkehrslärms verbunden gewesen, gaben viele Anlieger bei Befragungen an.

(ens)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 10. Januar 2023 | 13:00 Uhr