Medizin Medizinkarriere als Frau? Augen auf bei der Partnerwahl!

02. März 2021, 09:59 Uhr

Wie weiblich ist die Medizin? Ist das ein Arbeitsfeld, in dem Frauen und Männer inzwischen tatsächlich auf Augenhöhe sind, wenn man sich die Karrierewege anschaut?

Zwei Frauen in Schutzkleidung in einem Impfzentrum. 5 min
Bildrechte: imago images / penofoto

Medizinisch Technische Assistenten, Assistenzärzte, Oberärzte sind oft weiblich. Aber weit oben in der Krankenhaus-Hierarchie gibt es wenig Frauen. Nur 13 Prozent arbeiten in Spitzenpositionen, etwa als Chefärztin oder Direktorin. Das alte Klischee, Frauen assistieren – Männer dirigieren, gilt das noch in der Medizin? Auf den ersten Blick nicht, zum Beispiel wenn man sich allein einmal anschaut, wie viele Frauen sich für ein Medizinstudium entscheiden. Fast doppelt so viele Frauen wie Männer. Offenbar ist Medizin als Arbeitsfeld für Frauen sehr attraktiv, wie die folgende Tabelle zeigt:

Ist die Medizin heute also fest in Frauenhand? Als endlich auch in Deutschland die ersten Frauen Ende des 19. Jahrhunderts zum Medizinstudium zugelassen wurden, waren sie noch Exotinnen im Hörsaal, die hart um dieses Privileg gekämpft hatten. Heute sind Frauen aus dem Medizin-Alltag, egal ob in Praxis, Krankenhaus, in Lehre und Forschung, nicht mehr wegzudenken. Aber wenn man weiter schaut, in die Hierarchien zum Beispiel in den Krankenhäusern, an welcher Stelle stehen die studierten Medizinerinnen heute?

Eine Mutter wird nicht mehr als Expertin wahrgenommen

Sportpsychologin und Professorin Dorothee Alfermann hat jahrelang die Karriere-Wege von Ärztinnen untersucht: Auch sie sagt im Gespräch mit MDR WISSEN, ganz ähnlich wie Professorin Ilona Croy für die Karrierewege in der Psychologie, der Grund für einen einen Knick in der Karriere von Medizinerinnen ist banal: Frauen bekommen Kinder.

Das ist im Medizinsystem ein Faktor, der zunächst mal die gesamte Ausbildung oder Weiterbildung unterbrechen kann.

Prof. Dorothee Alfermann

In manchen Kliniken greift sofort ein Berufsverbot, während andere versuchen, Möglichkeiten zu finden, dass das nicht nötig ist. Und Alfermann verweist auf eine Nebenwirkung der Schwangerschaft bzw. des Status "Mutter":

Die Ärztin als Mutter – das führt nicht selten dazu, dass die Frau gar nicht mehr als Expertin, als Fachfrau wahrgenommen wird, sondern als verwundbar, die leicht ausfallen kann etc..

Prof. Dorothee Alfermann

Lippenbekenntnisse helfen nicht beim Aufstieg

Neben solchen Stereotypen und den Strukturen in den Kliniken muss generell die Familie mitziehen, lautet ein Fazit von Alfermanns Arbeiten. Bei den von ihr beobachteten Ärzte-Paaren wurden drei Frauen Chefärztin. Die Wissenschaftlerin sagt es deutlich: Karriereentwicklung hat auch was mit den Partnerschaften zu tun, für die sich Frauen entscheiden.

Augen auf bei der Partnerwahl! Frauen brauchen Partner, die sie unterstützen und zwar aktiv, bei der Kindererziehung und bei der Kinderbetreuung.

Prof. Dorothee Alfermann

Es reiche nicht, dass der Mann sage, "Ich habe nichts dagegen dass meine Frau Karriere macht", warnt Alfermann im Gespräch mit MDR Wissen.

Was das nach oben wollen möglich macht

Wer jetzt argumentiert: Es wollen ja gar nicht alle Frauen unbedingt nach ganz oben, hat auch recht – auf den ersten Blick. Studien belegen das, wie diese Schweizer Untersuchung von 2010 zeigt: Acht Jahre nach dem Studium streben nur zwischen 2,5 und 3,5 Prozent der Medizinerinnen eine Chefarzt-Stelle an, aber 9,3 bis 13 Prozent der Männer.

Ärztliche Visite im Krankenhaus Spremberg
Sabine Manka (M.): Chefärztin der Gynäkologie im Krankenhaus Spremberg Bildrechte: imago images / Rainer Weisflog

Aber wie sollten Frauen in der Medizin auch nach ganz oben wollen, wenn es nur wenige weibliche Vorbilder gibt, die vorführen, wie sich Führungsposition und Familie vereinbaren lassen? Doch es sind nicht allein die fehlenden Vorbilder, die sich auf die Karriereplanung von Frauen auswirken. Es fängt an beim Wissen, dass Nach-oben-wollen oft gar nicht geht in den heutigen Strukturen mit tagelangen Diensten, Bereitschaften, Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden. Da ist kein Platz für Familie, nur für den Beruf – es sei denn, Familie und Partner/in tragen das mit. Eine Frage, die sich Männer in der Medizin offensichtlich seltener stellen (müssen), angesichts all der anderen Chefärzte, von denen etliche Arbeit und Familie auch unter einen Hut bringen – lassen.

Vollzeit arbeiten - das Maß für Leistung?

Aber wollen künftige Medizinerinnen und auch Mediziner überhaupt noch so arbeiten? Moderne Kliniken – vor allem in Ostdeutschland – bieten flexiblere Strukturen wie zum Beispiel am Uniklinikum Dresden. Professorin Esther Troost ist Onkologin und Direktorin der Klinik für Radioonkologie – eine von zwei Chefinnen. Sie teilt sich ihre Stelle mit einer anderen Frau: Auch eine Möglichkeit, Karrieren zu befördern. Ein Schritt weg vom gängigen Blickwinkel, das nur "Vollzeit arbeiten" als "Leistung" definiert, was wiederum den Aufstieg an Vollzeittätigkeit und weit mehr als 40 Wochenarbeitsstunden koppelt  – und damit indirekt an das männliche Geschlecht: So analysiert Professorin Alfermann die unsichtbaren Mechanismen, die Klinikkarrieren von Frauen an die Spitze behindern. Sie sagt aber auch:

Man muss sich darüber im Klaren sein: der Weg nach oben ist hart, vor allen Dingen wenn man ihn mit Kindern kombiniert.

Prof. Dorothee Alfermann

Was Frauen in Spitzenjobs möglich macht

Was könnte dann also mehr Frauen in der Medizin Führungspositionen und auch den Zugriff auf die einflussreichsten und auch lukrativsten Stellen ermöglichen? Alfermann sieht mehrere Stellschrauben: Mehr Mentoring von Frauen, Änderungen der strukturellen Bedingungen, besser planbare Arbeitszeiten, Betriebskindergärten. Bleiben in den Kliniken die Strukturen unverändert, könnten die Kliniken langfristig Probleme haben Personal zu finden – wenn nämlich Ärztinnen und Ärzte Kliniken als Arbeitsort meiden. Und sich stattdessen anstellen lassen, in Privatpraxen einsteigen. Da können sie nämlich feste, planbare Arbeitszeiten vereinbaren, auch Teilzeit, Urlaubszeiten, die Zahl der Notdienste verhandeln – und so Raum für ein Leben neben dem Beruf schaffen.

(lfw/rk)

0 Kommentare