Schüler mit Handy
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Mediensucht Wie viel Medien sind gut für Kinder?

05. Juni 2021, 15:01 Uhr

Wie wichtig der Zugang zu digitalen Medien für Kinder und Jugendliche ist, hat der Unterricht im Lockdown gezeigt. Doch wieviel Zeit im Internet ist zu viel? Ab wann wird das Surfen zur Sucht? Wer soll darauf achten, dass es gar nicht erst so weit kommt? Das Deutsche Kinderhilfswerk hat nachgefragt, wie Eltern und Kinder das sehen. Sie wünschen sich vor allem mehr Aufklärung und Beratungsangebote.

Es muss etwas geschehen, darüber sind sich die Befragten des Kinderreports 2021 einig: Sie fordern Maßnahmen, um die exzessive Mediennutzung oder gar Mediensucht von Kindern und Jugendlichen zu vermeiden. Sie wünschen sich mehr Aufklärung in den Schulen. Außerdem sollen Onlineplattformen und Spiele mit großem Suchtpotential gekennzeichnet werden und selbst mehr Verantwortung übernehmen. Eltern müssten stärker über die Gefahr der Mediensucht informiert und Therapie- und Betreuungsangebote ausgebaut werden. Das ergab die repräsentative Studie, an der 669 Kinder und 1.023 Erwachsene teilnahmen.

Kinderrechte und Aufklärung statt Panikmache

Hitzige Debatten um die Mediennutzungszeiten führten nicht dazu, Kinder vor der Sucht zu schützen, so Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks. Besser sei, über Hilfsangebote für junge Menschen und Familien nachzudenken. Das war auch 90 Prozent der Befragten des Kinderreports 2021 wichtig. Sie wünschen sich eine flächendeckende professionelle Beratung. Außerdem müsse es Anlaufstellen geben, die Therapien vermitteln könnten, wenn die Mediennutzung zur Sucht wird. Damit es aber gar nicht erst dazu kommt, sollte das Leben mit den digitalen Möglichkeiten auch in der Schule ein Thema sein.

Aus kinderrechtlicher Sicht müssen dabei Chancen und Risiken der Mediennutzung gleichberechtigt thematisiert werden.

Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks

Die Voraussetzungen dafür müssten allerdings vielerorts erst noch geschaffen werden, so Krüger: "Wir brauchen Lehrkräfte, die selbst fit im Umgang mit Medien sind, und Schulen, die über funktionierende und leistungsfähige Ausstattungen verfügen und ihren Lehrkräften Weiterbildungen ermöglichen."

Neues Jugendschutzgesetzt nimmt Anbieter in die Pflicht

Mit Maßnahmen wie Vorgaben für Altersbeschränkungen, technischen Voreinstellungen für begrenzte Nutzungszeiten und dem Verzicht auf Lootboxen (virtuelle Behälter in Spielen, die Belohnungen enthalten, die erspielt oder gekauft werden müssen) werden die Anbieter digitaler Dienste zunehmend mit in die Pflicht genommen. Sie sollen ebenfalls dazu beitragen, das Suchtpotential zu minimieren. All das ist jetzt verbindlich im Jugendschutzgesetz neu geregelt. Außerdem sollen neue Vorgaben auch dafür sorgen, dass alle Kinder und Jugendlichen eine Chance auf Teilhabe an den digitalen Möglichkeiten haben.

Kinder wissen, was Sucht ist

Auch wenn der Bedarf an Aufklärung und Prävention hoch ist, haben doch viele Kinder und Jugendlichen eine konkrete Vorstellung davon, wie sich die sogenannte Mediensucht zeigt: 88 Prozent der befragten Kinder beschrieben, die betroffene Person könne nicht von den Medien lassen, selbst wenn sie es eigentlich möchte. Mehr als 80 Prozent sehen es als Sucht, wenn andere Lebensbereiche wie Arbeit, Schule, Familie und Freunde darunter leiden. Nur 12 Prozent der jungen Mediennutzer gaben jedoch an, bei sich selbst Erfahrungen mit Mediensucht gemacht haben. Die Frage, ob es im Freundes- oder Familienkreis bei Kindern unter 14 Jahren Erfahrung mit Mediensucht gibt oder gab, bejahen 15 Prozent.

Was können Eltern tun?

Es klingt eigentlich plausibel und einfach: Nutzungszeiten festlegen, ein gutes Vorbild sein, Alternativen in der realen Welt anbieten. Doch gerade in Zeiten von Homeoffice und Homeschooling ist das im Alltag nicht immer einfach. Darüber hinaus sind die Diskussionen mit dem Nachwuchs auch Zündstoff, der den Familienfrieden gefährdet. Dennoch rät Suchtforscher Rainer Thomasius vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zur Konsequenz, grundsätzlich und besonders während der Pandemiebedingungen. Rat und Hilfe finden Betroffene auch im Portal www.computersuchthilfe.com, an dessen Entwicklung Thomasius ebenfalls beteiligt war.

Nutzungsrückgang nach Rekordwerten im April-Lockdown 2020

Eine Längsschnittstudie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und der DAK Gesundheit ergab, dass Kinder und Jugendliche im Herbst 2020 digitale Medien zurückhaltender nutzten. So gingen die Gaming-Zeiten um 15 Prozent zurück und lagen dann noch bei 115 Minuten täglich. In den Sozialen Medien verweilten sie etwa ein Drittel weniger, als im Frühjahr. Die Zwischenergebnisse der Studie zeigten, dass sich im Verlauf der Pandemie eine gewisse Entspannung eingestellt hat, so DAK Vorstandschef Andreas Storm.

Die Kinder und Jugendlichen hatten wieder Alternativen zur Online-Welt, die sie auch nutzten. Das ist eine positive Entwicklung.

Andreas Storm, DAK Gesundheit

Dennoch müsse man die Nutzungszeiten der Mädchen und Jungen weiterhin im Blick behalten, um das bestehende Risiko einer steigenden Mediensucht weiter zu verringern, so Storm weiter.

(krm)

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