Umstrittener Waldpapst Peter Wohlleben Wissenschaftler kritisieren "Das geheime Leben der Bäume"

27. Januar 2020, 14:23 Uhr

"Das geheime Leben der Bäume" von Peter Wohlleben war wochenlang ganz oben auf den Bestsellerlisten, jetzt startet der Kinofilm zum Buch. Wald-Forscher sehen Wohllebens Werk allerdings kritisch.

Im Trailer zum Kinofilm "Das geheime Leben der Bäume" steht plötzlich folgender Satz auf dem Bildschirm: "Wussten Sie, dass Bäume sich um ihren Nachwuchs kümmern?" Eine Stimme spricht aus dem Off: "Der Mutterbaum verbindet sich mit dem Kleinen und ernährt den mit. Man kann regelrecht sagen, er wird gestillt."

Nicht jede Behauptung wird von wissenschaftlicher Studie gedeckt

Das lässt aufhorchen und das soll es natürlich auch, sagt Professor Ulrich Schraml von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg. Mit starken Bildern gelinge es Wohlleben, Aufmerksamkeit zu schaffen, was generell eine gute Sache sei. Doch wenn Menschen dadurch denken, dass Bäume ihre Nachkommen wirklich stillen, wie wir Menschen das machen, dann werde eben etwas Falsches transportiert.

Da wird eine Brücke überschritten. Die Anekdote, die Herr Wohlleben erzählt und die Mutmaßung, die er anstellt, stehen da im Vordergrund. Die Behauptung, da gäbe es jetzt eine naturwissenschaftliche Studie, auf die alles andere gründet, was es an Interpretationen gibt, der Zusammenhang geht dann irgendwo zwischendrin im Nebel wirklich verloren.

Ulrich Schraml, Universität Freiburg

Bäume haben kein Bewusstsein und sind trotzdem komplex

Schraml kritisiert, Wohlleben gehe über wissenschaftliche Fakten hinaus und verkaufe seine persönliche Einschätzung als gesichertes Wissen. Und er vermenschliche Bäume, indem er behaupte, sie könnten sehen, schmecken, hören oder eben stillen. Es gebe zwar Erkenntnisse zu diesen Themen, aber solche Schlüsse ließen sich daraus nicht ziehen. "Ein wissenschaftlich argumentierender Mensch würde sagen: Da fangen unsere Lücken an, da kann ich nichts mehr sagen, da sind die Unsicherheiten zu groß. Aber da legt Herr Wohlleben noch richtig los."

Das sieht Neurobiologe Torben Halbe ganz ähnlich. Er hat Wohllebens Thesen sogar in einem eigenen Buch analysiert: "Das wahre Leben der Bäume". "Wohlleben hat insofern Recht, dass Bäume nicht nur Gegenstände sind", sagt er. "Das gilt aber für alle Lebewesen, auch für Bakterien, die sehr komplex auf ihre Umwelt reagieren. Man braucht dafür kein Bewusstsein. Auch bei uns Menschen laufen viele, sehr komplexe Vorgänge rein biochemisch ab, ohne dass wir die bewusst wahrnehmen oder kontrollieren."

Wohlleben schafft Aufmerksamkeit für die Netzwerke im Wald

Aber nicht alle Wissenschaftler sehen Wohlleben so kritisch. Professor Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde etwa hält die Kritik mancher Forstwissenschaftler für zu hart. Außerdem habe Wohlleben ja ein Sachbuch geschrieben und kein wissenschaftliches Fachbuch.

Peter Wohlleben nutzt Metaphern, wenn er davon spricht, dass Pflanzen eine Art Intelligenz haben. Das heißt ja nicht, dass sie nachdenken und Probleme lösen, wie wir Menschen. Aber das hat Wohlleben in seinem Buch auch nicht behauptet, glaube ich. Wenn er sagt, Bäume lieben und sind sozial und junge Bäume werden von älteren gestillt und so weiter, dann glaube ich nicht dass alle Menschen sich das bildlich vorstellen wie beim Menschen.

Pierre Ibisch, HNE Eberswalde

Das Wichtige sei doch, dass es Wohlleben gelungen sei, Aufmerksamkeit für die Netzwerke im Ökosystem Wald zu schaffen.

Experten sind sich einig: Bäume sind tolle Organismen

In den Augen des Freiburgers Schraml geht es im Buch jedoch eigentlich um etwas ganz anderes: "Er stellt da eine Untersuchung an über eine ideale Gesellschaft. Er bringt seine persönlichen Empfindsamkeiten mit ins Spiel und nutzt dazu eben die Metapher Wald. Wenn das Buch dann dementsprechend in den Buchgeschäften eingeordnet ist, ist das völlig okay und durchaus wünschenswert. Aber wenn er dadurch jetzt zur Autorität in politischen Debatten wird, finde ich das bedenklich."

Und warum brauche es denn auch immer dieses Raunen, diese Übertreibungen, fragt Schraml. Reiche es nicht einfach, dass Bäume tolle Organismen seien? Darin sind sich nämlich garantiert alle Fachleute einig.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 23. Januar 2020 | 06:52 Uhr

4 Kommentare

svenson am 11.02.2020

auch wenn der Hype vielleicht mal wieder typisch für diese mediale Gesellschaft ist. Ich denke, es kommt Wohlleben als Naturfreund und Baumliebhaber drauf an, das er aus der Sicht eines Försters über diese märchenhaften Metaphern einem wieder mehr Gefühl schenken kann, das Bäume nicht nur biologische Maschinen sind, die einfach blind und dumm und ohne Empfindungen und Wahrnehmungen funktionieren in dieser eiskalten Anti-Romantisierung und Anti-Poesiesierung der Realität, reduziert zu abstrakten Beobachtungen und Rückschlüsse. Warum sollte ein Wald nicht lebendig sein. Natürlich sind Bäume keine Menschen, jeder, der näher an der Natur lebt, überträgt menschliche Züge, wie es Naturvölker machen, Und nicht nur wissenschaft, kapitalistische, seelenlose Nutzobjekte. Denn ist nicht jeder Wald ein Zauberwald, für das innere Kind. Wäre wirklich schon, wenn diese staunen über die Natur wieder mehr zurück käme in die Welt. Vielleicht freuen sich ja dann auch wieder die Elfen oder die Ents.

jejko am 28.01.2020

Fakt ist, dass Wohlleben einer der ersten war, der die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Kommunikation zwischen Bäumen populär gemacht hat. Dass Botaniker jetzt gekränkt sind, weil ihnen ein Förster die Show gestohlen hat, kann ich nachvollziehen, aber nicht bedauern. Offenbar mangelte es den Botanikern an der Begeisterung und dem Wagemut, den Wohlleben an den Tag gelegt hat. Auch die Klage über den Medienhype steht auf schwachen Füßen. Vor dem Medienhype kam er Erfolg Wohllebens bei seinen Lesern. Das Buch erschien 2015.

Uborner am 23.01.2020

Das ist ja schön, ihr lieben Wissenschaftler dass ihr das alles besser wisst. Dann erzählt es uns aber auch und verheimlicht es nicht - dann müssten auch nicht Leihen oder Förster den Wald auch nicht thematisieren.