Eiskristalle auf blauem Hintergrund
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Winter-Wissen Berliner Phänomen: Darum haben wir jetzt so viel Schnee

09. Februar 2021, 10:37 Uhr

Woher kommt eigentlich der ganze Schnee? Fragen Sie sich das auch gerade? Die Antwort steckt vermutlich im "Berliner Phänomen", das wir derzeit erleben und das massenhaft Flocken fallen lässt. Diese wunderbaren glitzernden Gebilde sind übrigens ohne "Dreck" nicht denkbar.

Von wegen Schneeflöckchen, Weißröckchen! Eigentlich ist Schnee gar nicht weiß, auch wenn wir das traditionelle Winterlied seit Jahrhunderten während der kalten Jahreszeit singen. Dass wir den Schnee als weiß wahrnehmen, liegt nur an der verästelten Oberfläche der einzelnen Schneeflocken, sagt Physikprofessor Georg Schmidt von der Uni Halle und erklärt, was da passiert: "Die vielen kleinen Kristalle reflektieren das Licht hin und her, sodass wir die Substanz der Schneeflocke nicht mehr sehen, sondern wir beobachten einfach nur noch Licht."

Wie entsteht eine Schneeflocke? Fertig aus der Wolke kommt sie nicht

Bis so eine kleine, feine Schneeflocke bei uns auf dem Autodach oder vor der Haustür landet, dauert es von ihrer Wolke bis zu uns zwischen fünf Minuten und einer halben Stunde. Zwischen 300 und 2.000 Meter ist ihr Reiseweg lang. Die Flocken plumpsen aber nicht fertig aus der Wolke, sie starten vielmehr als simple Wassermoleküle. Beim Fallen binden sie sich dann an Schmutzpartikel in der Luft und bilden zunächst sechseckige Waben. Je näher die Kristalle der Erde kommen, desto wärmer wird es. Dann hören sie auf zu wachsen und ihre Oberflächen werden von einer dünnen, wässrigen Schmelzschicht überzogen. Treffen sie auf andere Kristalle, verhaken sie sich ineinander und kleben fest. So entstehen diese einzigartigen, komplexen Sternchen. Weswegen wir genau genommen "Schneeflöckchen, Dreckröckchen..." singen müssten.

Schnee schluckt Lärm?

Wer nach einem ordentlichen Schneefall morgens aufsteht und meint, dass es draußen verblüffend leise ist, hat tatsächlich Recht. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik hat das mit einer Schneeprobe untersucht, die zu knapp 90 Prozent aus Luft und zu etwa zehn  Prozent aus Eis bestand. Ein Ton mit einer Frequenz von 1.000 Hertz wurde fast komplett geschluckt. (Den kann man sich vorstellen wie den Ton vom Fernsehtestbild früher, nachdem das Programm zu Ende war. Hier ein Beispiel auf Youtube.) Aber warum wird der Ton geschluckt? Der Schall trifft auf die mit Luft gefüllten Hohlräume im Schnee. Wenn die unverdichtet aufeinander liegen, werden die Schallwellen geschluckt. Je mehr Hohlräume und je dicker der Schnee, desto besser die Schalldämmung.

Hitzige Sommer mit Dürre, aber wieso dann so viel Schnee?

Einerseits Hitze und Dürre im Sommer, andererseits Schneemassen und extreme Kälte im Winter – wie passt das zum Szenario des Klimawandels, dessen Auswrikunge wir in den extremen Trockenperioden der vergangenen Jahre in Mitteleuropa mehrfach erlebt haben? Vielleicht liegt es einfach daran, wie wir das Wetter wahrnehmen – die kurzen starken Ausbrecher von der "Regel" registrieren wir; die stetigen, kleinen Änderungen fallen uns weniger ins Auge als der ausgedörrte Fluss im Sommer, der verlandete Schlossteich, der fehlende Schnee oder die Massen, die nach Jahren des Schneemangels jetzt gefallen sind. Gesucht ist also eher der Fingerabdruck des Klimawandels, nicht die komplette Faust. Die sieht man erst aus der Ferne als ganzes – wie wenn man vorn an der Schultafel steht und nur Bahnhof versteht – während von hinten im Klassenzimmer aus das ganze Bild deutlich zu sehen wäre. Auf den Klimawandel und Wetterextreme bezogen heißt das, nach Mustern zu suchen, über Jahre hinweg, und nicht nur einzelne Extreme und Spitzen auszuwerten. Das Ergebnis solcher Betrachtung ist beispielsweise die Entdeckung des "Berliner Phänomens", mit dem wir es im Februar 2021 zu tun haben, so benannt, weil es Forscher der Freien Universität Berlin entdeckt haben.

Berliner Phänomen: Hitzewellen in der Stratosphäre

In der Stratosphäre strömen normalerweise heftige Winde in 30 Kilometer Höhe von West nach Ost um den Nordpol. Sie stehen wie eine unsichtbare Barriere zwischen der milden Luft im Süden und der eiskalten im Norden. Erwärmt sich aber die Stratosphäre in einigen Teilen sehr plötzlich um mehr als 50 Grad, bricht der Motor des Polarwirbels zusammen. Dann beginnt das Windband zu trudeln und bricht auf oder zerbirst, wie in diesem Februar, in zwei einzelne Wirbel.

Der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA zufolge kreist nun eine Luftmasse über dem Nordatlantik und eine über dem Nordpazifik. Die eisige Luft aus dem Norden kann so also ungehindert gen Süden strömen. Das zeigen aktuelle Messdaten des Aeolus-Satelliten der ESA. Er misst die polaren Winde aus dem Orbit heraus und berechnet die polaren Winde und deren Geschwindigkeit. Was die Treiber hinter diesem Phänomen sind, ist noch unklar. Die Wissenschaft ist noch auf der Suche nach den Mustern und Auslösern.

lfw

2 Kommentare

MDR-Team am 10.02.2021

@W.Merseburger
Herr Kachelmann sieht keinen Zusammenhang zwischen dem derzeitigen Wintereinbruch und dem Klimawandel. Andere Expert*innen sehen das anders (Beispiel: https://www.deutschlandfunk.de/ploetzlich-winter-warum-der-klimawandel-auch-kaelte-mit.697.de.html).
Und was die Dürren angeht: Inwiefern ist es unseriös, von extremen Trockenperioden in den letzten Jahren zu sprechen? Zwischen 2006 und 2010 waren z.B. rund 15 % des EU-Gebietes und 17 % der EU-Bevölkerung im Jahresmittel von Dürren betroffen. (Quelle: European Environment Agency (2017): Climate change, impacts and vulnerability in Europe 2016, EEA Report No 1/2017). Die wirtschaftlichen Verluste wurden auf 100 Mrd. Euro geschätzt (Meteorological Droughts in Europe: Events and Impacts – Past Trends and Future Projections. Publications Office of the European Union, Luxembourg, EUR 27748 EN, doi:10.2788/450449).

W.Merseburger am 09.02.2021

Schade, dass es zu obigen Bericht und der geäußerten Meinung keinen Namen eines verantwortlichen Berichterstatters gibt. Ich hätte ihn nämlich gern mit einer anderen Meinung z. B . mit Herrn Kachelmann dazu in einer ernsthaften Diskussion gesehen. Diesen extremen Kälteeinbruch im Zusammenhang mit dem Klimawandel (also der stetigen Temperaturerhöhung) in einen Zusammenhang zu bringen, ist schon eine Quadratur des Kreises. Und wenn oben noch von extremen Trockenperioden in letzten Jahren in Mitteleuropa geschwafelt wird, ist das Maß der Seriösität weit überschritten.