Großaufnahme der unteren Gesichtspartie einer Frau, die ihren Mund geöffnet hält und die Zunge herausstreckt. Auf der Zunge liegt ein Papierstreifen.
Geschmackstestung mittels Geschmacksstreifen im Sense-Lab der Abteilung Angewandte Emotions- und Motivationspsychologie der Universität Ulm Bildrechte: Prof. C. Herbert / Universität Ulm

Psychologie Gesunder Mund, gesunde Psyche? Erste Hinweise auf einen Zusammenhang

15. Februar 2023, 08:49 Uhr

Dass unsere körperliche und unsere geistige Gesundheit direkt miteinander zusammenhängen, überrascht wenig. Umso verwunderlicher, dass viele dieser Zusammenhänge noch gar nicht richtig erforscht sind. An der Universität Ulm hat man sich deshalb in einer Pilotstudie genauer angeschaut, wie die Gesundheit des Mundes – also von Zähnen und Zahnfleisch – mit dem Risiko für psychische Erkrankungen zusammenhängt. Es ist der Auftakt für ein umfassenderes Forschungsprojekt.

Zum Auftakt eines größeren Forschungsprojekts mit dem Titel "Mundgesundheit und Psyche – PSY-ORAL", in dem künftig gezielt psychologische Faktoren an der Universität Ulm untersucht werden sollen, wollte Psychologie-Professorin Cornelia Herbert zunächst in einer Pilotstudie klären, ob die Mundgesundheit überhaupt mit dem Risiko für psychische Störungen zusammenhängen kann. Die ersten Ergebnisse legen das nahe: Es zeigten sich demnach Zusammenhänge, bei denen auch psychophysiologischer Stress eine Rolle spielen könnte.

Fokus auf junge Erwachsene

Das Forschungsinteresse der Leiterin der Abteilung Angewandte Emotions- und Motivationspsychologie richtet sich bewusst auf junge Erwachsene. Sie will herausfinden, wie Mundgesundheit, Stress und das Risiko für psychische Störungen bei ihnen zusammenhängen. Dazu zählten etwa Erkrankungen wie Essstörungen oder Depressionen.

Frau sitzt im Hintergrund am Boden. Im Vordergrund ein Apfel, eine Flasche Wasser und ein Maßband.
Das Risiko für Essstörungen wie Bulimie hängt laut Studie signifikant mit der Mundgesundheit zusammen. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Die Idee dahinter zielt auf die Früherkennung von psychischen Störungen. Denn bei älteren Menschen ist bereits nachgewiesen worden, dass ihre Mundgesundheit mit der Psyche zusammenhängt. "Bislang liegt der Fokus beim Thema Mundgesundheit vor allem auf älteren Patientinnen und Patienten", sagt Cornelia Herbert. "In dieser Bevölkerungsgruppe ist der Zusammenhang zwischen Erkrankungen der Zähne und des Zahnfleisches mit mentalen und körperlichen Einschränkungen, wie Demenz oder Herzkreislauferkrankungen, bereits sehr gut erforscht."

Für ihre Untersuchung hat die Psychologie-Professorin eine Online-Befragung durchgeführt. Insgesamt 162 erwachsene Personen füllten einen standardisierten Fragebogen aus, in dem sie unter anderem Angaben zu ihren erlebten, selbst wahrgenommenen depressiven Symptomen, ihrem Essverhalten, dem Körperbewusstsein und dem allgemeinen Gesundheitsverhalten gemacht haben. Auch die Mundgesundheit wurde mithilfe eines Fragebogens erhoben. Die Befragten mussten darin etwa Angaben zu verschiedenen Beeinträchtigungen machen, wie etwa zu Schmerzen, der Ästhetik oder ob sich subjektiv wahrgenommene Probleme im Mund-, Zahn- und Kieferbereich auf soziale Interaktionen auswirken.

Zusammenhänge "signifikant"

Die Auswertung der Ulmer Psychologie-Professorin zeigte schließlich Zusammenhänge, in signifikantem Ausmaß zwischen Beeinträchtigungen in der Mundgesundheit, depressiven Symptomen, der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und bulimischem Essverhalten. Interessant daran sei, bilanziert sie, dass aus diesen Zusammenhängen offenbar Stresssymptome resultierten, die eine wichtige Rolle spielten. "Ein spannendes Ergebnis in der weiblichen Stichprobe war, dass Probleme mit der Mundgesundheit immer auch mit Befindlichkeitsstörungen, wie depressiven Symptomen oder Angst einhergingen", erklärt die Forscherin. Außerdem hätten Personen, die mir ihrem Körper eher unzufrieden waren, in der Tendenz auch von einer schlechteren Mundgesundheit berichtet.

Psychologie-Professorin Herbert spricht sich aufgrund der Ergebnisse für eine bessere Prävention in Sachen Mundgesundheit aus. Mehr Aufklärung über das Thema sei ein wichtiger Aspekt für die Gesundheit junger Erwachsener – sowohl physisch als auch psychisch. Sie weist außerdem auf die Gefahren von psychischem Stress hin, der negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben könne.

Zwei Personen beim Zähneputzen
Aufklärung über Mundgesundheit hilft auch der Psyche. Bildrechte: imago images/Shotshop

Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf das Auftreten von psychischen Störungen bei jungen Erwachsenen vermuten, die es nun weiter zu untersuchen gilt. Dafür werden im Rahmen des neuen Forschungsprojekts nun unter anderem auch Laborexperimente folgen. Dabei sollen die Faktoren von oraler, psychischer und physischer Gesundheit mit unterschiedlichen Methoden untersucht werden, erklärt Herbert. "Dazu werden wir in einer ganzheitlichen Erhebung unter anderem die Kaufunktion und Bisskraft sowie die Geschmackswahrnehmung testen oder die Anzahl an Mundbakterien bestimmen." Aber auch die Herz- und Gehirnaktivität und das kognitive Leistungsniveau sollen zusammen mit der Mundgesundheit und verschiedenen psychologischen Faktoren untersucht werden, so die Psychologie-Professorin. Das Ziel sei es, mithilfe der Erkenntnisse psychologische Präventionsprogramme zu entwickeln.

(kie)

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR UM 4 | 25. Januar 2023 | 17:37 Uhr