Christina Lynggaard und Kristine Bohmann nehmen Luftproben
Dr. Christina Lynggaard (links) und Prof. Dr. Kristine Bohmann (rechts) nehmen im Zoo Kopenhagen Luftproben für DNA-Analysen. Bildrechte: Christian Bendix

Zukunft des "Biomonitorings" Tiere allein über DNA-Spuren in der Luft erkennen

07. Januar 2022, 00:23 Uhr

Zoo-Luft enthält genug DNA, um alle möglichen Wirbeltiere im Tierpark und in seiner näheren Umgebung zu identifizieren. Das haben zwei Studien aus Großbritannien und Dänemark unabhängig voneinander bewiesen. Das Verfahren könnte die Überwachung der Artenvielfalt weltweit revolutionieren.

Die Artenvielfalt von Landtieren in freier Wildbahn zu überwachen, erfordert einen hohen Aufwand. Die persönliche Beobachtung in schwer zugänglichen Lebensräumen ist extrem schwierig. Auch ein indirektes "Biomonitoring" über Tierspuren wie Fußabdrücke oder Kot erfordert meist einen hohen Aufwand. Das gleiche gilt für die Überwachung durch Kameras.

Tiere über "Umwelt-DNA" erkennen

Dingos im Hamerton betrachten Geräte zur Luftprobenahme
Dingos im Hamerton Zoo in England betrachten neugierig Geräte zur Luftprobenahme. Bildrechte: Elizabeth Clare

Zwei Forschungsteams in Großbritannien und Kanada sowie in Dänemark haben nun unabhängig voneinander Verfahren entwickelt, wie sie die Anwesenheit von Tieren mittels aus der Luft gesammelter "Umwelt-DNA" oder eDNA ermitteln können. Das "Biomonitoring" von Tieren über die Sequenzierung von DNA-Proben ist zwar nicht neu. Die Technik kommt bereits bei der Überwachung von Bioorganismen im Wasser zum Einsatz. Doch der Nachweis von Wirbeltieren über das Sammeln ihrer Umwelt-DNA aus der Luft ist ein ganz neuer Ansatz.

Durch die Erfassung der Umgebungs-DNA von Wirbeltieren in der Luft können wir sogar Tiere aufspüren, die wir nicht sehen können.

Prof. Dr. Kristine Bohmann EurekAlert

Zoos in Dänemark und England

Elizabeth Clare sammelt DNA-Proben aus der Luft
Prof. Elizabeth Clare beim sammeln von DNA-Luftproben im Hamerton Zoo. Bildrechte: Elizabeth Clare

Die beiden Forschungsgruppen wählten für ihre Untersuchungen zwei europäische Tierparks: Das dänische Team unter der Leitung von Prof. Kristine Bohmann vom Globe Institute der Universität Kopenhagen sammelte Luftproben im Kopenhagener Zoo. Während das kanadisch/britische Team unter Assistenzprofessorin Elizabeth Clare von der York University Toronto bzw. der Queen Mary University of London die Umgebungsluft im Hamerton Zoo Park in Huntingdon /England gründlich durchfilterte.

Vakuumpumben sammeln 70 Luftproben

Jede Gruppe benutzte andere technische Hilfsmittel, um tierische eDNA aus der Luft zu filtern. Clares britisch-kanadisches Team verwendete empfindliche Filter, die an Vakuumpumpen befestigt waren. Damit sammelten die Forscher mehr als 70 Luftproben an verschiedenen Stellen im Hamerton Zoo. Sowohl in den Schlafbereichen der Tiere als auch draußen in der allgemeinen Zooumgebung durchfilterten sie die Luft nach tierischer eDNA aus Quellen wie Atem, Speichel, Fell oder Kot.

Staubsauger und Ventilatoren

Prof. Kristine Bohmann sammelt im Zoo Kopenhagen Luftproben
Prof. Kristine Bohmann beim Sammeln von Luftproben mit Hilfe eines Computer-Gebläses. Bildrechte: Christian Bendix

Bohmanns dänisches Team sammelte Luftproben hingegen nur mit drei verschiedenen Geräten: einem handelsüblichen Staubsauger mit Wasserfilter sowie zwei Gebläsen mit angeschlossenen Filtern. Das kleinste der beiden Gebläse-Geräte hatte die Größe eines Golfballs. Es bestand aus einem Computer-Ventilator mit dahinter befestigtem Filter. Die dänischen Forscher ließen ihre Apparaturen einige Zeit laufen, wobei sie Luftproben im Okapi-Stall, im Regenwaldhaus und zwischen den Außengehegen des Kopenhagener Zoos sammelten.

Millionen gewonnener Sequenzen

Das von beiden Teams eingesaugte genetische Material wurde später aus den Filtern extrahiert. Nach anschließender DNA-Sequenzierung wurden Millionen gewonnener Sequenzen mit einer DNA-Referenzdatenbank verglichen, um die Tierarten zu identifizieren. Die Ergebnisse beider Studien übertrafen alle Erwartungen. Trotz der sehr unterschiedlichen Filtermethoden gelang es beiden Teams, zahlreiche Tierarten innerhalb und außerhalb der beiden Zoos nachzuweisen.

Über mehrere hundert Meter wirksam

So entdeckte das britisch-kanadische Team um Clare die eDNA von 25 Säugetier- und Vogelarten, von denen 17 bekannte Zooarten waren. "Wir waren sogar in der Lage, eDNA von Tieren zu sammeln, die Hunderte von Metern von dem Ort entfernt waren", sagt Clare. Sogar die DNA des in Großbritannien vom Aussterben bedrohten eurasischen Igels wurde außerhalb des Hamerton Zoo Parks entdeckt.

49 Wirbeltierarten in Kopenhagen entdeckt

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Das dänische Team um Bohmann konnte 49 nicht-menschliche Wirbeltierarten nachweisen, darunter Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische. Dazu gehörten Zootiere wie das Okapi oder das Gürteltier. Sogar die Guppys in einem Teich des Regenwaldhauses konnten die Forscher nachweisen. In der Umgebung des Kopenhagener Zoos wurde zudem die Wasserwühlmaus und das rote Eichhörnchen entdeckt. Auch die DNA von Wanderratten und Hausmäusen, ja sogar von Futterfischen und anderen Nahrungstieren wurden identifiziert.

"Nicht-invasives" Instrument für Tiererfassung

Die beiden Forscherteams sehen in der Erfassung der Umwelt-DNA von Wirbeltieren in der Luft für die Zukunft ein wertvolles, "nicht-invasives" Instrument zur Überwachung der Artenvielfalt. Vor allem gefährdete oder bedrohte Arten in schwer zugänglichen Gebieten könnten damit künftig besser kontrolliert werden, so ihre Hoffnung.

Luftproben könnten das terrestrische Biomonitoring revolutionieren und neue Möglichkeiten bieten, die Zusammensetzung von Tiergemeinschaften zu verfolgen und die Invasion nicht heimischer Arten zu erkennen.

Prof. Dr. Elizabeth Clare EurekAlert

Sowohl die Studie des dänischen Forschungsteams von Kristine Bohmann als auch die Studie des britisch-kanadischen Teams unter Elizabeth Clare sind in der Zeitschrift "Current Biology" erschienen.

(dn)

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