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AbholzungZwölf Millionen Hektar Tropenwald sind weg

17. Februar 2020, 15:11 Uhr

Der aktuelle Bericht von Global Forest Watch zeigt: Die Rückgang tropischer Wälder ist unverändert hoch. Das ist fatal und liegt auch an Brasiliens Umweltpolitik. Inzwischen machen hunderte Wissenschaftler Druck bei der EU.

Vielleicht kann man sich unter der Fläche Englands zu wenig vorstellen, der Südteil Deutschlands passt aber auch ganz gut: Die Fläche von Bayern, Baden-Württemberg (und dazu noch sechs mal das Saarland!) – oder eben einfach etwas mehr als das Gebiet von Ostdeutschland – das entspricht ungefähr der Fläche, die allein im letzten Jahr an Tropenwald zerstört wurde. Zu dieser Erkenntnis kommt das Projekt Global Forest Watch (Weltweite Waldbeobachtung) der Universität Maryland. Ein Drittel davon ursprünglicher Regenwald, der als besonders schützenswert gilt und zum Teil aus jahrtausendealten Bäumen besteht.

Pro Tag verschwindet damit Tropenwald auf einem Gebiet viermal so groß wie die Dresdner Altstadt. Trotz der seit Jahren anhaltenden Brisanz des Themas ist das ein unverändert hohes Tempo. Frances Seymour, führende Wissenschaftlerin am Umweltinstitut World Ressources Institute in Washington, warnte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP:

Die Wälder der Welt sind jetzt in der Notaufnahme. Das Wohlergehen des Planeten steht auf dem Spiel.

Frances Seymour | World Ressources Institute

Waldverlust vor allem durch den Menschen

Mit jedem verlorenen Hektar Regenwald komme man dem Szenario eines unkontrollierten Klimawandels näher, so die Wissenschaftlerin. Denn Regenwälder sind nicht nur durch ihren besonderen Artenreichtum schützenswert, sondern gelten als die grünen Lungen unseres Heimatplaneten, da sie große Mengen an CO2 aufnehmen: weltweit etwa ein Drittel der von Menschen verursachten Treibhausgase.

Die Gründe für den Verlust sind in erster Linie menschgemacht, indem ehemalige Waldflächen für Viehzucht und Landwirtschaft genutzt werden. In Südamerika zum Beispiel Getreide für die Produktion von Biotreibstoffen, in Asien und Afrika der Anbau von Palmöl.

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Zu den größten Waldverlierern zählen die Demokratische Republik Kongo und Indonesien. Am härtesten hat es aber den Regenwald in Brasilien erwischt: In dem südamerikanischen Land ist allein ein Drittel des Regenwaldverlustes zu verzeichnen. Möglicherweise wird sich das auch erstmal nicht ändern: Brasiliens neuer, rechtsgerichteter Präsident Jair Bolsonaro hat unlängst angekündigt, Umweltauflagen zu streichen und industrielle Landwirtschaft und Bergbau in Ureinwohner-Reservaten zuzulassen.

Regenwald, Tropenwald, Tropischer Regenwald

Regenwälder gibt es nicht nur am Äquator, sondern auch als artenreiche Nadel- und Laubwälder in kühl-gemäßigten Zonen, die durch einen besonders hohen Niederschlag gekennzeichnet sind – zum Beispiel an der Westküste Nordamerikas. Tropenwälder schließen neben den tropischen Regenwäldern (etwa ein Viertel) auch tropischen Feucht- und Monsunwald mit ein, wo es nicht immer feucht ist. Umgangssprachlich wird aber der Begriff Regenwald für tropischen Regenwald verwendet.

Wissenschaftler fordern EU zum Handeln auf

Unterdessen haben hunderte Wissenschaftler und Ureinwohner die EU dazu aufgerufen, bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Brasilien auf den Schutz der Umwelt und die Einhaltung der Menschenrechte zu bestehen. In dem in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Brief heißt es: "Wir rufen die EU dazu auf, ihre Chance zu nutzen, um die Wahrung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt sicherzustellen." Denn solange die EU landwirtschaftliche Produkte aus Abholzung importiert, ist sie für die Situation in Brasilien mitverantwortlich.

Bildrechte: MDR/WWF (M)

Global Forest Watch zeigt auch: Beim Baumverlust 2017 sind Russland, Brasilien, Kanada, die USA und Indonesien in dieser Reihenfolge seit vielen Jahren die fünf führenden Länder. Die Vereinigten Staaten und Kanada stehen aber in der Waldgewinnung vor Brasilien, was auf ein Ungleichgewicht zwischen Abholzung und Aufforstung hindeutet.

Kein Urwald mehr, keine echte Notre-Dame mehr

Zudem gibt es auch Wald, der auch durch Aufforstung nicht einfach hergezaubert werden kann. Das zeigt eine traurige Anekdote nach den Bränden in der Pariser Kathedrale Notre-Dame Mitte des Monats: Gegenüber dem Sender Franceinfo erklärte Bertrand de Feydeau, der Vizepräsident der Stiftung Kulturerbe Fondation du patrimoine, dass der Dachstuhl nicht ohne Weiteres wieder orginalgetreu aufgebaut werden könne. Die Waldsituation beim Bau von Notre-Dame vor hunderten Jahren war eine andere. So hohe Urwald-Eichen, die groß genug sind, um einen orginalgetreuen Dachstuhl wiederherstellen zu können, lassen sich heute nicht mehr finden. Das Gefühl beim Besuch der wiederaufgebauten Kathedrale wird somit ein anderes sein.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 25. April 2019 | 17:45 Uhr