Über Leipzigs erste Zeitungen im 17. Jahrhundert Später Start in der Zeit des dreißigjährigen Krieges

31. Mai 2011, 10:42 Uhr

Leipzigs Periodika entstanden später als die Zeitungen einiger anderer Nachrichtenzentren. Dafür gab es schon seit den 50er Jahren mehrfach eine Konkurrenz von täglich oder wenigstens mehrfach wöchentlich erscheinenden Blättern.

Für wenige Jahre besaß Leipzigs Zeitungswesen eine Dynamik wie sonst nirgendwo. Manchmal sind uns bis heute nicht einmal die Zeitungstitel bekannt. Auch mit der Überlieferung dieser Gazetten sieht es oft schlecht aus. Mitunter geben uns lediglich ein oder zwei Exemplare ein paar Anhaltspunkte.

Während andernorts Zeitungen schon ab dem Jahre 1605 oder 1609 erschienen, entstand Leipzigs erstes Periodikum vermutlich erst 1633 oder 1634. Über viele Jahre genügten hier "Newe Zeytungen". Das waren Blätter, die ein Einzelereignis beschrieben und die dann herauskamen, wenn ein solches Ereignis versprach, Interesse bei einem größeren Publikum zu wecken.

Das wechselte hier von Ausgabe zu Ausgabe. Das Interesse musste wie bei heutigen Kaufzeitungen mit jedem Stück neu geweckt werden. Neben den gedruckten Veröffentlichungen gab es zudem per Hand vervielfältigte Nachrichten, die bereits an feste Bezieher versandt wurden.

In Leipzig entstehen erste Periodika

Zunächst blieb Kursachsen etwa ein Dutzend Jahre vom Krieg verschont. Wohlmeinende Historiker sagen deshalb dem Kurfürsten nach, er habe sich nach Frieden gesehnt und die Reichsinteressen zu wahren gesucht. Soviel Ehre dürfte aber "Bierjörge", wie Kurfürst Johann Georg I. wegen seiner Liebe zu den Alkoholika von Freund und Feind genannt worden sein soll, kaum verdienen.

Das Reich scherte ihn wenig, wenn er dafür die beiden Lausitzen erhalten konnte. Deshalb taktierte er zunächst; hielt sich aus dem Krieg zurück. Da konnten auch Zeitungen schaden. Denn: Bierjörges Kollegen hätten bei jedem Blatt, das ihnen in die Nase gefahren wäre, sofort den Landesherrn verantwortlich gemacht. Zurückhaltung bei der Presse schadete daher nichts.

Erst mit dem Eintritt Kursachsens in den Krieg im Jahre 1631 begann sich die Situation in Leipzigs Zeitungswesen zu wandeln, wobei vor allem Sachsens Partner, das Königreich Schweden, auch das Postwesen und damit den Nachrichtentransport zwischen Frankfurt am Main und ganz Norddeutschland verbesserte.

Besonders nach Errichtung eines schwedischen Posthauses in Leipzig entstanden 1632 erste Blätter, die Nachrichten aus diesem Posthaus nutzten. Periodika waren es offenbar noch nicht. Aber eine serielle Produktion des "Aviso aus dem Schwedischen Posthause" kann schon nicht mehr ausgeschlossen werden: Das heißt, es gab schon einen feststehenden Titel.

Das Blatt erschien aber noch unregelmäßig, immer dann, wenn wichtige Informationen vorlagen. Im Laufe des Jahres 1633 erhielt der Leipziger Moritz Pörner, der bislang per Hand Nachrichten abgeschrieben hatte, vom sächsischen Kurfürsten ein Privileg, das zur Produktion gedruckter Zeitungen berechtigte.

Pörner hatte im Jahre 1619 begonnen, per Hand Nachrichten abzuschreiben und an möglicherweise feste Bezieher zu verschicken. Er brachte damit also eine gewisse Berufserfahrung schon mit. Notate, die im Leipziger Stadtarchiv erhalten geblieben sind, deuten an, dass dieses Privileg tatsächlich wahrgenommen wurde. Es gibt sogar Hinweise, dass zumindest 1634 diese Zeitung mit vier bis fünf Exemplaren pro Woche Verbreitung fand.

Häufig erscheinende Zeitungen werden Leipzig zugeschrieben

Die Zeitungsforschung der letzten Jahre stellte die Vermutung auf, dass die "Ordentliche Wochentliche Zeitungen" und die nahtlos anschließende "Einkommende Wochentliche Zeitungen" Pörners Produkt gewesen sein könnten.

Träfe das zu, so hätte Leipzig schon zu diesem Zeitpunkt fast eine Tageszeitung besessen. Die genannten Notate stützen eine solche Annahme. Als sicher gilt inzwischen, dass ab 1643 in Leipzig die "Wöchentliche Zeitung" erschien. Hier handelte es sich um ein Auftragswerk des neuen schwedischen Postmeisters.

Er kam nach der neuerlichen Inbesitznahme Leipzigs durch die Schweden an der Jahreswende 1642/1643 ins Amt. Schon ab 1644 sind von dieser Zeitung durchschnittlich mehr als vier Ausgaben pro Woche nachweisbar. Eine Titeländerung musste deshalb nicht vorgenommen werden, denn der Name des Blattes bezog auf die genutzten Quellen. Und das waren die aus verschiedenen Richtungen gewöhnlich wöchentlich eingehenden "Zeitungen" (Nachrichten).

Etwa zeitgleich mit dem Abzug schwedischer Truppen entstanden schließlich 1650 die "Einkommenden Zeitungen", die heute als älteste uns bekannte Tageszeitung der Welt gelten.

Zu Beginn des Jahres 1652 erhielt das Blatt von Timotheus Ritzsch Konkurrenz in Form einer Zeitung des Leipziger Postmeisters Christoph Mühlbach. Dessen Zeitungstitel dürfte "Ordinar-Post-Zeitungen" gelautet haben.

Übrigens: Die Bezeichnung Postmeister mag vielleicht etwas irritieren. Kurfürstlich-sächsischer Postmeister zu sein, war eine Ausnahme- und Vertrauensstellung, die es im ganzen Kurfürstentum nur einmal gab. Dieses Amt erhielt nur, wer sich dem Kurfürsten als absolut vertrauenswürdig erwiesen hatte. Und Mühlbach verdiente solches Vertrauen. Immerhin hatte er sich als treues Landeskind 1642/43 geweigert, in schwedische Dienste zu treten.

Erste Leipziger Zeitungs"fusion"

Schon zur Jahresmitte 1652 einigten sich Ritzsch und Mühlbach auf ein gemeinsames Blatt, die "L. Einkommende Ordinar- und Post-Zeitungen", das bis zum August 1659 bestand.

Die nunmehrige Lücke füllte sofort der Leipziger Georg Kormart, der gleichfalls ein Privileg erworben hatte und ab September 1659 eine eigene Zeitung drucken ließ. Es gilt als verbürgt, dass es sich hier um das Blatt "Vollständige Leipz. Einkommende Post-Zeitungen" handelte. Bereits ab dem 1. Januar 1660 erhielt Kormart Konkurrenz. Erneut trat Timotheus Ritzsch auf den Plan: Er begann mit der Verbreitung seiner Tageszeitung "Neu-einlauffende Nachricht von Kriegs- und Welthändeln".

Auf kurfürstliche Vermittlung hin, stellte Kormart im Laufe des Jahres 1663 seine Zeitung ein und war fortan an Ritzschs Publikation beteiligt. Doch schon zwei Jahre später, 1665, sahen sich beide einem neuen Widersacher gegenüber. Seither bestand ein neues Blatt des Postmeister Mühlbach, das "L. Neue Postzeitung" hieß und vorerst zwei Ausgaben pro Wochen besaß.

Da Ritzschs 1671 auslaufendes Privileg nicht verlängert wurde, endete mit jenem Jahr auf lange Zeit das Nebeneinander von Leipziger Zeitungen. Mühlbachs Blatt sollte unter wechselnden Titeln bis zum 31. Dezember 1918 am Leben bleiben. Erst im 19. Jahrhundert erhielt die Zeitung, die über den längsten Zeitraum den Titel "Leipziger Zeitung" trug, wieder eine Konkurrenz.

Zeitungen des 17. Jahrhunderts in anderen Städten des heutigen MDR-Sendegebietes

Über die Wurzeln der Presse in anderen Regionen des heutigen MDR-Sendegebietes gibt es viele Unklarheiten. Bleiben wir bei dem einigermaßen Gesicherten: Nach heutiger Kenntnis dürfte es in Magdeburg etwa ab 1661 eine etwa wöchentlich erscheinende Zeitung gegeben haben.

Hinweise auf das Blatt können nur den Akten entnommen werden; körperlich ist das Blatt bislang nicht nachweisbar. Vermutungen, dass bereits früher in der Elbestadt eine Zeitung erschienen sei, haben sich inzwischen als falsch erwiesen. Das entsprechende Exemplar ist inzwischen eindeutig als eine Frankfurter Zeitung identifiziert worden.

Für andere Städte fehlen ebenfalls sichere Belege. So halten es die Bremer Zeitungsforscher Else Bogel und Elger Blühm für recht wahrscheinlich, dass die aus den Jahren 1644 bis 1667 erhalten gebliebenen "Ordinari Wochentliche PostZeitungen" ein Erfurter Blatt gewesen sein könnten, das zweimal in der Woche verlegt wurde.

Auf jeden Fall ist aktenkundig, dass der kaiserliche Postmeister Breitenbach 1644 in Erfurt eine Zeitung drucken ließ. Ein Gothaer Drucker hatte im Jahre 1691 ein Zeitungsprivileg erhalten, soll aber zu diesem Zeitpunkt bereits Wochenblätter hergestellt haben.

Ein aus dem Jahre 1699 überliefertes Exemplar der "Gothaische Wöchentlich-eingelauffene Gazetten" belegt, dass dieses Privileg auch wahrgenommen wurde.

Im Herzogtum Sachsen-Weimar wurde bereits im Jahre 1674 an einen Buchdrucker in Jena ein Zeitungsprivileg vergeben. Einige wenige Überlieferungen einer "Jenische Post- und Ordinar-Zeitung" aus der Zeit ab 1688 deuten an, dass es sich hier um ein Blatt gehandelt haben könnte, das bis zu viermal in der Woche herauskam.

Vage Hinweise auf weitere Zeitungen im Kurfürstentum Sachsen

Daneben haben vor allem die mit der frühen Zeitungsgeschichte befassten Zeitungshistoriker Else Bogel und Elger Blühm noch für eine Handvoll Zeitungen aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges die Möglichkeit erwogen, dass sie im sächsischen Raum entstanden sind. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass in den Jahren der zweiten schwedischen Besetzung Leipzigs – zwischen 1642/43 und 1650 – ein solches Wochenblatt in Dresden erschien, wo der Kurfürst weiter residierte. Sichere Indizien gibt es dafür aber nicht.