Reformation und Landesherrschaft 1485-1648

08. September 2010, 13:46 Uhr

Mit dem Wirken des Reformators Martin Luther rückt Mitteldeutschland im 16. Jahrhundert in den Brennpunkt der europäischen Geschichte.

In den Wittenberger Thesen bringt Martin Luther die allgemeine Kritik an Kirche und Papsttum auf den Punkt und damit den Stein ins Rollen. Die folgenden Entwicklungen führen zu fundamentalen Veränderungen, die alle Ebenen gesellschaftlichen Lebens betreffen. Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen (Ernestiner) nimmt den mutigen Mönch und Wittenberger Professor unter seinen Schutz und trägt so zum Gelingen von Luthers Werk bei. Fürst Wolfgang von Anhalt-Köthen zählt ebenfalls zu den frühen Förderern der Reformation.

Die kirchliche Umwälzung erfasst nacheinander fast alle mitteldeutschen Territorien, deren protestantische Landesherren nunmehr häufig im Konflikt zur Zentralmacht stehen. Im Schmalkaldischen Bund sammeln sich die lutherischen Fürsten gegen den katholischen Kaiser. Doch finden die politischen Kämpfe auch im protestantischen Lager statt. Der katholische Kaiser Karl V. siegt im Bund mit dem protestantischen Herzog Moritz von Sachsen (Albertiner) in der Schlacht bei Mühlberg (1547) militärisch. Trotzdem kann er die kirchliche Erneuerungsbewegung und die politische Unabhängigkeit der mitteldeutschen Herrschaften nicht mehr aufhalten. So bleibt die Entscheidung im Machtkampf zwischen Ernestinern und Albertinern um die Vormachtstellung in den wettinischen Landen und damit im mitteldeutschen Raum das wichtigste Ergebnis der besagten Schlacht. Die Entscheidung fällt zugunsten der Albertiner. Sie erlangen die Kurwürde und beschränken den Einfluss ihrer Verwandten auf thüringische Gebiete.

In Einigkeit schlagen die Fürsten hingegen radikale Unruhen unter Bauern und Bürgern in Thüringen nieder (Bauernaufstand 1525 unter Thomas Müntzer), die zu einem großen Teil durch den Einfluss reformatorischer Ideale ausgelöst werden.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts glätten sich die Sturmwogen politischer und konfessioneller Auseinandersetzungen. Der Ausbau der Landesherrschaft schreitet ungehindert fort. Dabei entwickelt sich das albertinische Kursachsen zum bedeutendsten mitteldeutschen Territorium. Die Ernestiner in Thüringen verlieren aufgrund wiederholter Erbteilungen ihren überregionalen Rang, sind aber in der Ausgestaltung der Landesverwaltung erfolgreich. In ähnlicher Situation befinden sich die anhaltinischen Fürsten.

Nach einer längeren Friedenszeit hinterlässt der Dreißigjährige Krieg (1618-48) in ganz Mitteldeutschland Spuren. Söldnerheere der Kaiserlichen und die Truppen des Schwedenkönigs Gustav Adolf verwüsten Städte und Dörfer. Kursachsen verzeichnet zum Ende des Krieges mit dem Erwerb der Lausitz wenigstens territorialen Gewinn.

Im Rahmen des Ausbaus der fürstlichen Landesherrschaft werden die Errungenschaften der Reformation erfolgreich umgesetzt und durchdringen alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Dazu gehören der Aufbau einer Landeskirche und die Neuordnung des Bildungswesens. Waren im Mittelalter Klöster und Domschulen Zentren der Erziehung und des geistigen Lebens, so ändert sich dies infolge der Säkularisierung. Fast alle Klöster werden aufgehoben und neuen Zwecken zugeführt. So wird das ehemalige Zisterzienserkloster Schulpforta bei Naumburg, wie fürstliche Einrichtungen in Meißen und Grimma, eine Bildungsstätte modernen Zuschnitts. Als Mittelpunkte geistiger Kultur spielen die Städte eine immer größere Rolle. Die grundlegenden Ideen zur Einführung der allgemeinen Schulpflicht, wie zu einer Trennung von niederem und höherem Schulwesen in Mitteldeutschland stammen aus jener Zeit. Auch die noch vorwiegend durch geistliche Themen geprägte Literatur steht unter dem Eindruck der Reformation. Man denke nur an Luthers Bibelübersetzung, die - begünstigt durch die neuen Möglichkeiten des Buchdruckes - einer Vereinheitlichung der deutschen Sprache großen Vorschub gewährt. Nicht zu vergessen sind die ideellen Verbindungen zwischen Humanismus und Protestantismus. Lucas Cranach d. Ä., Hofmaler und Unternehmer in Wittenberg, spielt eine Schlüsselrolle in dem Prozess, in welchem Mitteldeutschland Anschluss an die Renaissance zu gewinnen vermag.

Im Verlauf des 16. Jahrhunderts rücken die Landesherren als wirtschaftsgestaltende Kraft immer stärker in den Vordergrund. Erzbergbau, Metallindustrie und Textilproduktion blühen. Neue Wirtschaftszweige, wie Papierherstellung und Druckereigewerbe, treten hinzu. Allerdings führen Misswirtschaft und Krieg im 17. Jahrhundert nicht nur zum Niedergang des Mansfelder Kupferbergbaus und des Erzbergbaus insgesamt, sondern werfen die Entwicklung der gesamten Region um Jahrzehnte zurück. Mitteldeutschland steht nach 1648 vor einem Neuanfang.