Porträt Hans Reichelt: "Umsiedler" und Minister

15. Juni 2011, 17:03 Uhr

Hans Reichelt war Heimatvertriebener und Minister in der DDR. Doch Kritik an der Vertriebenen-Politik der SED hat er nie geäußert.

"Anfang 1950 war klar, dass die 'Oder-Neiße-Grenze' eine endgültige Grenze ist. Und auch, dass man in die Heimat nicht mehr zurückkommen kann, sondern alles darauf richten muss, sich in der neuen Heimat, also in der Deutschen Demokratischen Republik, eine Existenz und eine neue Zukunft aufzubauen", erinnert sich Hans Reichelt, langjähriger Minister in der DDR und selbst Vertriebener. Seine eigene Herkunft und sein eigenes Schicksal waren für ihn kein Grund, Kritik am Umgang der DDR mit den Vertriebenen zu üben. Ganz im Gegenteil: "Aggressiv auftretende Kräfte oder schädlich auftretende Kräfte mussten natürlich damals in Schach gehalten werden."

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Krieg und Gefangenschaft

Hans Reichelt stammt aus Proskau in Oberschlesien. Hier wurde er 1925 als Sohn eines Arbeiters geboren. 1943, als 18-Jähriger, wurde er zur Wehrmacht eingezogen und geriet schon ein Jahr später an der Ostfront in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Er absolvierte einen Lehrgang an einer sowjetischen "Antifa"-Schule und wurde 1949 als glühender Verfechter der Lehren Stalins in die DDR entlassen.

Jüngster Minister der DDR

Reichelt machte schnell Karriere. Er trat der "Demokratischen Bauernpartei Deutschlands" bei, wurde 1950 in die Volkskammer gewählt und im Mai 1953 zum Minister für Forst- und Landwirtschaften im Kabinett Otto Grotewohls berufen. Reichelt war damals gerade einmal 28 Jahre alt. Nachdem er im November 1953 sein Ministeramt wieder verloren hatte, wurde er Staatssekretär und stellvertretender Minister. Auf diesen Posten blieb er bis 1972. Dann berief ihn Erich Honecker in sein Regierungskabinett – Reichelt wurde Umweltminister und blieb es bis 1989.

Heimat ist ein politischer Ort

Seine schlesische Herkunft und der Verlust der Heimat waren für Reichelt nie ein Problem gewesen. Er schloss sich ganz der Auffassung der SED an, wonach Heimat vor allem ein politischer Ort sei. Nicht ein Landstrich oder ein Dorf sollten demnach als Heimat betrachtet werden, sondern der sozialistische Staat. Für das Verschweigen des Themas "Vertreibung" in der DDR hatte er vollstes Verständnis: "Auf keinen Fall konnte der Revanchismus genährt werden, also die Forderung nach Rückgabe von Gebieten, das war nicht denkbar, das war nicht mit unserer Politik zu vereinbaren und nicht mit der gesellschaftlichen Entwicklung." Immerhin räumt Reichelt heute ein, dass die SED vielleicht doch zu rigide vorgegangen sei: "Möglicherweise war das eine Überreaktion, dass man die Heimatpflege nicht gern sah und unterbunden hat."