Eberhard Cohrs
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Humor des Ostens Unser kleiner Eberhard - die Tragik eines Komikers

26. Juli 2010, 11:46 Uhr

Im Osten Deutschlands hatte er die Qualitäten eines "Straßenfegers". Im Westen, in den er 1977 "rübergemacht" hatte, blieb er ein Nobody. Eberhard Cohrs, einer der bekanntesten Komiker der DDR. Eberhard Cohrs, der Komiker der DDR.

Der Begriff "Straßenfeger" ist vom Fernsehen besetzt, natürlich im übertragenen Sinne. Die Fünfziger- bis Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts waren Fernseh-Frühzeit. Die ARD hatte in Westdeutschland das Sende-Monopol. Sie bekam erst mit dem ZDF öffentlich-rechtliche und in den Achtzigerjahren private Konkurrenz. Manche Sendung hatte traumhafte Quoten. Die Straßen blieben leer, weil buchstäblich das ganze Volk beispielsweise Rudi Carrells "Am laufenden Band" oder Karl-Heinz Kulenkampffs "Einer wird gewinnen" am Bildschirm verfolgte. Übrigens auch in Ostdeutschland, soweit dort Westfernsehen empfangen werden konnte. Nur nicht im Raum Dresden, dem "Tal der Ahnungslosen".

Im Osten hatte die Unterhaltungssendung "Ein Kessel Buntes" gesendet aus dem Berliner Friedrichstadtpalast diesen Kultstatus. Und in diesem Kessel Buntes glänzte und würzte die Suppe ein kleiner Mann mit großer "Gusche": Eberhard Cohrs. Wenn er mit seinen 1,56 Metern die Bühne betrat, hat er sie ausgefüllt. Ganz allein. Nur mit seinem Wortwitz und seinen Späßen, die er in breitestem Sächsisch zum Besten gab.

Witze als Ventil und Balsam für die Seele

Eine Studie aus jüngster Vergangenheit belegt, dass die sächsische Mundart die unbeliebteste in Deutschland ist. Das hat den kleinen Sachsen nicht angefochten. Im "breedesdn Säggssch mährde" er durch die zunehmend leerer werdenden HO- und Konsum-Verkaufsstellen des real existierenden Sozialismus' und suchte beispielsweise den Kaffee. "Ein Schiff wird kommen ..." kündigte er eine Schlagergröße an, und alle wussten, dass der momentane Kaffee-Engpass durch einen Frachter aus Kuba aufgehoben werden sollte. Es war nur nicht klar, ob in einer Woche, einem Monat oder einem halben Jahr. Und Cohrs hatte die Lacher auf seiner Seite. Oder: "Kennse den Unterschied zwischen Kapitalismus und Sozialismus? Der Kapitalismus macht soziale Fehler ..." - Das Publikum hat den Unterschied selbst zu Ende gedacht und bog sich vor Lachen. Und das in der DDR!

Dem Volk auf die Gusche geschaut

Eberhard Cohrs hat in bester lutherscher Manier dem Volke aufs Maul geschaut. Die Probleme und Problemchen des Alltags waren seine Themen. Das machte ihn beliebt, auch wenn es ihm in den Siebzigerjahren immer schwerer gemacht wurde, seine Texte "durchzukriegen". Er war eines der vielen kleinen Ventilchen, aus denen der zunehmend kritische gesellschaftliche Druck in der DDR entweichen konnte – bis Cohrs selbst entwich und zwar buchstäblich.

1977 nutzte er ein West-Berlin-Gastspiel dazu, auf den Weg zurück in den Osten zu verzichten. Was er nicht ahnen konnte: Im Westen war er ein Niemand und und sollte es bleiben. Diesen Zustand teilte er mit vielen DDR-"Abhauern". Allerdings hat ihm seine Prominenz – im Gegensatz zu den Zigtausenden anderen, die es ihm gleichgetan hatten und bis zum Mauerfall noch tun würden – sehr geholfen. Frau und Kind waren schon wenige Wochen später übergesiedelt. Andere mussten dagegen jahrelange Trennungen und entwürdigende Ausbürgerungsverfahren erdulden.

Über dieses Thema berichtete der MDR im TV auch in "Henne, Cohrs und Co." 15.07.2017 | 20.15 Uhr

Eberhard Cohrs war ein Spaßmacher. Er ist in eine Reihe zu stellen mit Heinz Ehrhard oder Didi Hallervorden, Otto kam gerade erst in Mode, als Cohrs seine Blütezeit hinter sich hatte. In einem aber ist Cohrs der Größte geblieben: Er ist der kleinste deutsche Komiker bester sächsischer Zunge.