Klaus Croissant - RAF-Anwalt und MfS-Spitzel

16. November 2017, 14:33 Uhr

Klaus Croissant, ehemaliger RAF-Anwalt, wird am 17. November 1977 in Paris festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. An seiner Geschichte erzählt sich ein Stück des "Deutschen Herbstes".

Paris, November 1977. Der Fall Klaus Croissant wird behandelt. Der ehemalige Anwalt von Andreas Baader ist nach Frankreich geflüchtet. Nun soll entschieden werden, ob er an die Bundesrepublik ausgeliefert werden soll. 14 Anwälte haben seine Verteidigung übernommen. Ihnen geht es darum zu beweisen, warum Klaus Croissant nicht nur unschuldig, sondern sogar ein Held ist. Die "ZEIT" schreibt damals: "Was dabei vor der 10. Pariser Berufungskammer vorgebracht wird, hört sich bisweilen an, als sei in der Bundesrepublik die Machtergreifung durch alte und neue Nazis nur noch eine Frage von Monaten. Die bundesdeutsche Hexenjagd auf Intellektuelle ist in vollem Gange, die Meinungsfreiheit existiert ausschließlich auf dem Papier. Croissant gibt das Stichwort: Wer sich gegen solche Strukturen auflehne, der sei nicht Terrorist, sondern ein Widerstandskämpfer gegen den Faschismus.“

Enfant terrible

Klaus Croissant, ein Hugenotten-Nachfahre, war einer der umstrittensten Anwälte Deutschlands. Er gehörte zur Liga prominenter RAF-Anwälte wie Otto Schily und Hans-Christian Ströbele. Im Gegensatz zu seinen Kollegen zeigte er sich bis zum Schluss als enfant terrible: Noch in seiner eigenen Verteidigung prangerte er die Rechtsbrüche des Gesetzgebers, der Regierung und der Justiz bei der Verfolgung seiner Mandanten an.

Croissant als Systemkritiker

Eigentlich war der Stuttgarter Anwalt auf Erbrecht spezialisiert. Mit Übernahme des Mandats des RAF-Mitbegründers Andreas Baader Anfang der siebziger Jahre zeigte sich Klaus Croissant als radikaler Systemkritiker. Andreas Baader hatte Brandsätze in Kaufhäusern gezündet, Einbrüche, Diebstahl, Bankraub begangen. Sprengstoffanschläge mit vier Toten gingen auch auf sein Konto. Im Frühjahr 1972 wurde er zusammen mit Jan-Carl Raspe und Holger Meins verhaftet. 

Hoch ideologisierte Prozesse

Die Prozesse gegen die Gefangenen der "Roten Armee Fraktion" waren mehr als ein juristischer Akt. Sie waren hoch ideologisch. Auf der einen Seite: Richter und Bundesanwaltschaft, die mit harten Bandagen gegen die Gewaltverbrecher vorgingen. Auf der anderen Seite: Anwälte, die ihre Mandanten gemeinsam verteidigten, sie noch aus Apo-Zeiten kannten und duzten und teils mit der Idee des bewaffneten Kampfes gegen das kapitalistische System sympathisierten. Wer am längeren Hebel saß, zeigte sich schnell. Noch vor Beginn des Stammheim-Prozesses wurde vom deutschen Bundestag eine Änderung des Strafverfahrensrechts beschlossen. Rechte von Verteidigern und Angeklagten wurden eingeschränkt: Nun waren maximal drei Verteidiger erlaubt, der Ausschluss von Verteidigern wurde erleichtert.  Die Hauptverhandlung konnte sogar ohne die Angeklagten statt finden. So wurden kurz vor Prozesseröffnung 1975 Baaders Anwälte Klaus Croissant, Kurt Groenewold und Christian Ströbele von der Verteidigung ausgeschlossen. Der Angeklagte Baader stand ohne die gewählten Verteidiger da.

Kontaktsperre

Begründet wird der Ausschluss von Klaus Croissant damit, dass er ein schriftliches Interview vermittelt hatte zwischen RAF-Gefangenen und dem "Spiegel". Wie auch Hans-Christian Ströbele und Kurt Groenewold wurde Croissant weiterhin die Weiterleitung von "Zellenzirkularen" vorgeworfen. Blätter und Schriften, aus dem Gefängnis nach draußen geschmuggelt, um die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Für die Stuttgarter Staatsanwaltschaft beabsichtigte Croissant damit, für die politischen Zielen der RAF und für Mitglieder zu  werben und taktische Absprachen zu ermöglichen. Besonders unbeliebt machte er sich auch als Testamentsvollstrecker Ulrike Meinhofs. Als solcher leitete er auch die "Internationale Untersuchungskommission" zu den Todesumständen. Ergebnis: Sie sei ermordet worden.

Um eine rechtliche Basis zu haben, schränkte der bundesdeutsche Staat nun die Rechte der Verteidiger so stark ein wie nirgends sonst in Westeuropa: Die Kontaktsperre-Regelung verhinderte jegliche Berührung zwischen Anwälten und Mandanten. Mit dem Inkrafttreten des "Anti-Terror Gesetzes" vom 24. Juni 1976 war die Überwachung des gesamten Schriftverkehrs zwischen Anwälten und Angeklagten erlaubt. Verteidiger und Mandant waren von nun an bei Gesprächen durch eine dicke Glasscheibe getrennt. Neu geschaffen wurde auch der Paragraph 129a. Schon die Vorbereitung terroristischer Akte war damit strafbar. Aber auch die "Unterstützung einer kriminellen Vereinigung". Bis 1978 wurde dieser Straftatbestand 16 Anwälten vorgeworfen.

Das Kontaktsperregesetz gilt noch heute, wurde jedoch nie wieder angewendet.

Die Flucht

Das Archivbild zeigt einen Bildausschnitt von der Titelseite der französischen Zeitung 'Liberation' vom 28. September 1977, der den entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer unter dem Logo der RAF (Rote Armee Fraktion).
Der von der RAF entführte Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Bildrechte: picture-alliance/ dpa | UPI

Zweimal wurde gegen Klaus Croissant Haftantrag gestellt. Er floh er nach Frankreich und erhoffte sich dort politisches Asyl. Nur zwei Monate später wurde er von der französischen Polizei gefunden und festgenommen. Aber noch war fraglich, ob er auch Gefangener bleibt und ausgeliefert wird.

In der Zwischenzeit überstürzten sich die Ereignisse des "Deutschen Herbstes". Am 30. Juli 1977 erschoss die RAF den Generaldirektor der Dresdner Bank, Jürgen Ponto. Am 5. September wurde Hanns Martin Schleyer entführt. Am 13. Oktober entführten palästinensische Terroristen die Lufthansa-Maschine "Landshut". Als die Maschine am 18. Oktober gestürmt wurde, begingen drei RAF-Mitglieder Selbstmord. Die RAF erschoss Hanns Martin Schleyer.

Gefangener in Stammheim

Für das BKA war Klaus Croissant Teil dieses Terrorismus. In dem Antrag auf Auslieferung wurde er mit den Anschlägen auf Buback und Ponto sowie mit der Entführung Schleyers in Verbindung gebracht, allerdings ohne irgendetwas davon beweisen zu können. Unter Protesten der französischen Linken wurde Croissant dennoch ausgeliefert.

Einen knappen Monat später, am 17. November 1977, war Klaus Croissant wieder Gefangener in Stammheim. Der Prozess gegen ihn dauerte fast ein Jahr. Am 16. Februar 1979 wurde er wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ zu zweieinhalb Jahre Haft und vier Jahren Berufsverbot verurteilt.

IM "Taler"

Nach seiner Entlassung trat Croissant kaum noch öffentlich in Erscheinung, er arbeitete aber wieder als Strafverteidiger in Berlin. Währenddessen traf er sich jedoch regelmäßig mit der Staatssicherheit der DDR. Unter dem Decknamen "Taler" bespitzelte er vor allem Personen des "linken Spektrums", so die Bundesanwaltschaft, dem er selber einst zugerechnet wurde: Friedensbewegte und Grüne, Autonome und Militante. 71.000 DM erhielt er dafür von der Stasi. 1993 wurde er wegen Geheimnisverrats zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Die Strafe hat Croissant hingenommen. Getroffen hat ihn, dass seine Freunde ihn für die Zusammenarbeit mit der Stasi kritisierten. Für ihn war die DDR immer der bessere Staat gewesen.

Über dieses Thema berichtete der MDR im TV auch in "Brisant" 18.10.2017 | 17.15 Uhr