Sichtbares Zeichen für den Uranabbau der Wismut waren riesige Abraumhalden. 2004 begann man damit, sie in einem Tagebaurestloch verschwinden zu lassen.
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Die Geschichte der "Wismut" "Wismut" - vom Uranbergbau und seinen Anfängen

07. Juni 2016, 12:28 Uhr

"Wismut" war der Tarnname für den Uranabbau im Erzgebirge, der ab 1946 betrieben wurde. Bergleute konnten hier extrem viel verdienen - nicht ahnend, welchen Gefahren sie sich dabei aussetzten.

Im Februar 1946 fanden sowjetische Geologen Uranerz in Johanngeorgenstadt. Diese Entdeckung sollte das Leben in den Dörfern des Erzgebirges für lange Zeit verändern. Wenige Monate später begann unter strengster Geheimhaltung der Uranerz-Abbau in Johanngeorgenstadt.

Uranbergbau - streng geheim und abgeschottet

In den Schächten schufteten Zehntausende, die zwangsverpflichtet worden waren. Sie stammten aus allen Ecken der Sowjetischen Besatzungszone. Bergmann war kaum einer von ihnen gewesen, doch das interessierte die sowjetischen Direktoren nicht. Insgesamt wurden 43.000 Menschen bis 1947 zur Arbeit im Uranerzbergbau gezwungen.

Auf einem bahnsteig drängeln sich Männer vor zwei Zugwaggons, auch auf den Dächern sitzen Menschentrauben.
Die Züge zu den Schächten waren überfüllt und viele Bergleute fuhren auf den Waggon-Dächern mit. Bildrechte: MDR/AstFilm Production

Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Bergleute waren katastrophal. Der SED-Sozialpolitiker Helmuth Lehmann stellte Anfang 1947 fest: "Es werden vielfach körperlich und gesundheitlich ungeeignete Personen zur Arbeit eingewiesen. Der Arbeitsschutz ist mangelhaft." Die SED beauftragte daraufhin eine Kommission unter Leitung von Politbüromitglied Paul Merker, sich die Arbeitsbedingungen vor Ort anzuschauen - allerdings ließen die Direktoren des Bergwerks die Abordnung gar nicht erst aufs Gelände.

Die Buntmetallindustrie und der Tarnname "Wismut"

Barackensiedlung für die Wismut-Kumpel in Johanngeorgenstadt im Erzgebirge. Die Wismut AG lockte die Arbeiter regelrecht mit Annehmlichkeiten wie eigene Siedlungen und Krankenhäusern.
Wohnsiedlungen für Tausende von Arbeitern werden hochgezogen. Bildrechte: MDR/AstFilm Production

Im Mai 1947 verabschiedete der Ministerrat der UdSSR die Verordnung zur Gründung einer "Zweigstelle der staatlichen sowjetischen Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie". Von Uranerzabbau war nicht die Rede. Die neue Aktiengesellschaft bekam den Tarnnamen "Wismut"und vergrößerten ihr Gebiet um Schlema, Schneeberg, Annaberg, Lauter und Marienberg. Diese Regionen waren streng bewacht von Geheimdienst-Spezialeinheiten des NKWD, bis 1953 galt sowjetisches Militärrecht und später eine eigene Gerichtsbarkeit. Sogar der Personalausweis war hier ungültig - er wurde eingezogen. Stattdessen erhielten die "Wismut"-Männer mit ihrem Arbeitsvertrag einen "Schachtausweis", den sie immer dabei haben mussten. Den Alltag prägten "Wismut"-Kauf- und Kulturhäuser sowie Wohnsiedlungen. Für den Gesundheitsbereich wurden eigens Krankenhäuser, Sanatorien und Ferienheime geschaffen.

Mit Speck fängt man Mäuse

Je weiter das Wismut-Reich ausgedehnt wurde, um so mehr Uranerz wurde gefördert. 1946 waren es knapp 15 Tonnen, 1947 bereits zehnmal so viel. Doch Moskau verlangte immer noch mehr Erz. Dafür brauchte man wiederum weitere zehntausende Arbeiter in den Schächten. Statt über Zwangsverpflichtungen wurde überall in der Sowjetischen Besatzungszone geworben - mit unglaublich hohen Löhnen und stattlichen Lebensmittelrationen. Ein kluger Schachzug in den mageren Nachkriegsjahren, die geprägt waren von Lebensmittelknappheit. Prompt heuerten allein bis 1950 mehr als 160.000 Menschen freiwillig bei der "Wismut" an.

4.000 Mark für die Erzhauer - aber kein Schutz vor radioaktiver Strahlung

Die Arbeits- und Lebensbedingungen der "Wismut"-Kumpel verbesserten sich deutlich: Erzhauer trugen zum Beispiel um die 4.000 Mark heim. Trotzdem blieb die Arbeit unter Tage ein Knochenjob: Arbeitsunfälle gehörten zum Alltag und Schutz vor der radioaktiven Strahlung gab es nicht. Die 5.300 an Lungenkrebs und 15.000 an Silikose erkrankten Bergleute von 1946 bis 1989 "gehörten zu mehr als 90 Prozent der ersten Wismut-Generation an", konstatiert der Historiker Rainer Karsch.     

Heldenhafte Kumpel im unromantischen Alltag

Die SED und ihre Propaganda machten aus "Wismut"-Kumpeln sozialistische Helden, deren Arbeit den Frieden sicherte. Dass die Wirklichkeit anders aussah, beschrieb Werner Bräunig, der selbst in den Anfangsjahren im Uranerzbergbau gearbeitet hatte. Sein "Wismut"- Roman "Rummelplatz" durfte bis zum Ende der DDR nicht erscheinen. Dabei hatte Bräunig lediglich den Alltag geschildert:

"Da saßen sie an den Tischen, schütteten Bier und Wodka in sich hinein, lebten von Bockwurst und Gerüchten, von Skat und immer den gleichen Witzen, im Dreieck zwischen Biertisch, Barackenmatratze und Bohrhammer, tagaus- tagein."

Werner Bräunig Roman "Rummelplatz"

Das Ende der Wismut

1953 wurde die "Wismut AG" in eine sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) umgewandelt und zu einer Art volkseigenem Betrieb. Die DDR avanciert so zum viertgrößten Uranproduzenten der Welt - mit einem einzigen Abnehmer: Die UdSSR. Mit dem Uranerz aus dem Erzgebirge deckte sie immerhin 60 Prozent ihres Bedarfs ab. 1990 einigten sich die DDR und die UdSSR darauf, die Tätigkeit der "SDAG Wismut" zum 1. Januar 1991 einzustellen. Insgesamt hatte die "SAG/SDAG Wismut" von 1946 bis 1990 231.400 Tonnen Uran produziert.

Vogelperspektive Blick auf Landschaft mit Wiesen, Wegen, Hügeln und Dorf im Hintergrund
Ehemaliges Tagebaugelände heute Bildrechte: Wismut GmbH

Verwendete Literatur: Rainer Karlsch,
Uran für Moskau.
Links Verlag, Berlin 2008

Wissenswertes über die WISMUT