Matthias Platzeck
Matthias Platzeck war elf Jahre lang Ministerpräsident von Brandenburg. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Prominente über 25 Jahre Mauerfall Der Ausnahmepolitiker Matthias Platzeck und sein Tapetenwechsel

22. November 2021, 16:14 Uhr

Seit 30 Jahren lebt Matthias Platzeck Tür an Tür mit den selben Nachbarn. Was die eigenen vier Wände angeht, hat er nie einen "Tapetenwechsel" angestrebt, wohl aber in Volkskammern und Ministerien. Der 61-Jährige machte nach 1989 rasch politische Karriere - obwohl er eigentlich Ingenieur war und als Umwelthygieniker arbeitete.

Das Gesicht einer neuen politischen Ära

Zurück zum Anfang des Jahres 1990: Matthias Platzeck ist Spitzenkandidat der Grünen Partei. In der Übergangsregierung von Hans Modrow wird er zum Minister ohne Geschäftsbereich und sitzt in Wahlsendungen. Matthias Platzeck ist das Gesicht einer neuen politischen Ära, mit Vollbart und Karohemd. Doch noch Wochen zuvor kennen ihn höchstens eine handvoll Bürgerrechtler: 1988 gründet Matthias Platzeck mit Gleichgesinnten die Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung ARGUS. Nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes beteiligt sich der damals 33-jährige an der Gründung der "Grünen Liga". Er sitzt mit am "Runden Tisch" - ein rasanter Einstieg ins Politikgeschäft.

Man muss sich vorstellen, ich war damals noch ein junger Mensch und im Sommer hat uns die Staatssicherheit mehr oder minder deutlich gesagt, wenn das so weitergeht, werden wir nicht mehr lange frei rumlaufen. Und wenn man dann wenige Wochen später zu Staatsbesuchen fährt als Kabinettsmitglied, dann ist das unwirklich.

Mattias Platzeck, Ministerpräsident a.D.

Plötzlich Ministerpräsident!

Matthias Platzeck, Günter Nooke und Marianne Birthler posieren für ein Wahlplakat.
Matthias Platzeck (vorn links) mit Günter Nooke und Marianne Birthler im Jahr 1990. Bildrechte: Manfred Uhlenhut, Berlin

1990 zieht Matthias Platzeck in die Volkskammer ein, zusätzlich erringt er ein Mandat im Brandenburger Landtag. Im November übernimmt er dort unter Ministerpräsident Stolpe das Amt des Umweltministers und wird damit betraut, russische "Hinterlassenschaften" zu entsorgen. 40 Prozent der Landesfläche werden unter seiner Ägide in Landschaftsschutzgebiet umgewandelt. Für die Menschen in Brandenburg sieht es deutlich schlechter aus. Platzeck kann bei Betriebsschließungen oft keine Hoffnung auf bessere Aussichten und neue Jobs machen. "Manchmal hatten wir so Phasen, 1993, 1994, da wussten wir auch nicht richtig, was wird", erinnert er sich heute.

Für sich persönlich fasst Matthias Platzeck zu der Zeit einen Plan: Als sich die ostdeutschen Bürgerbewegungen zu "Bündnis 90" zusammenschließen und zwei Jahre später mit den westdeutschen Grünen fusionieren, wendet sich Platzeck ab und wechselt 1995 zur SPD. Als 2002 überraschend Manfred Stolpe als Ministerpräsident Brandenburgs zurücktritt, wird Platzeck sein Nachfolger.

Ausstieg aus der Politik

Matthias Platzeck hält ein Mikrofon
Matthias Platzeck bei einer Konferenz des Deutsch-Russischen Forums. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Platzeck ist beliebt, pragmatisch und überrascht auch mal gern: Die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze der Schröder-Regierung verteidigt er offensiv - in den Ohren einer krisengeschüttelten Bevölkerung der blanke Hohn. Doch die Partei bedankt sich und trägt dem Potsdamer den verwaisten SPD-Bundesvorsitz an. 99,4 Prozent geben Platzeck ihre Stimme. Es geht trotzdem nur 147 Tage gut. Zwei Hörstürze, ein Kreislaufzusammenbruch und Platzeck zieht die Notbremse: Er tritt zurück. Elf Jahre lang bleibt er Ministerpräsident in Brandenburg, bis sein Körper erneut streikt. 2013 bekommt er einen Schlaganfall und zieht sich aus der Politik zurück.

Heute ist Matthias Platzeck zwar offiziell Politrenter, aber als Vorsitzender des Vereins "Deutsch-Russisches Forum" doch mehr auf Reisen denn je - in Fragen neuer Krisendiplomatie.

Mich fragen oft westdeutsche Freunde: "Sag mal, du bist so russophil, den Russen so zugewandt. Ihr wart doch 40 Jahre lang besetzt? Also du müsstest doch da mit großer Reserviertheit und Abstand rangehen." Das zeugt von einer gewissen Unkenntnis, weil wir haben ja Russen, dadurch dass sie hier waren, in großer Zahl kennengelernt. Also ich bin in Potsdam unter lauter Russen großgeworden. Man kriegt ja dadurch einen anderen Bezug dazu.

Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums e.V.