Staffelspiel
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Recht auf Urlaub, Kita, Wohnung: So sozial war die DDR

18. Februar 2020, 16:42 Uhr

Vor allem in der Familienpolitik scheute die DDR keine Kosten. Mit sozialen Maßnahmen wie Babyjahr, Ehe-Kredit oder Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz sollte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert und die Geburtenrate erhöht werden. Doch das klappte in der Realität nicht immer so gut.

Die sozialpolitischen Ansätze sind eng verbunden mit dem VIII. Parteitag von 1971, als die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" verkündet wurde. Die Familie war im Familiengesetzbuch als "die kleinste Zelle der Gesellschaft" beschrieben. Der Artikel 18 der Verfassung stellte sie sogar unter den "besonderen Schutz des sozialistischen Staates". Unter anderem wurden materielle Anreize für Familien geboten wie Arbeitszeitverkürzung, Verlängerung des bezahlten Mutterschaftsurlaubes oder Ehekredite.

"Schutz der Mutter"

Glückliche Mutter mit ihrem Kind, 1971
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Das Gesetz "Zum Schutz von Mutter und Kind und über die Rechte der Frau" vom 27. September 1950 setzte das Startsignal für die in den folgenden Jahren immer weiter geführten Gleichstellungsbestimmungen. In den Jahren danach wurde von der Volkskammer das "Familiengesetzbuch" verabschiedete, Jahre später das "Arbeitsgesetzbuch". Dort wurden u.a. die Bedingungen für die Berufstätigkeit der Frauen festgehalten: die Einrichtung von Kinderkrippen und -gärten, von Betriebsverkaufsstellen und anderen Dienstleistungseinrichtungen.

"Beratungszentren für Haushalt und Familie"

Es wurden gleichzeitig arbeitszeitliche Sonderregelungen und Kündigungsschutz für Schwangere und stillende Mütter, unter anderem die Verlängerung des Schwangerschaftsurlaubs von sechs auf 20 bzw. 22 Wochen (bei Mehrlingsgeburten oder komplizierten Entbindungen), Arbeitsfreistellung und Zahlung von Mütterunterstützung bis zum Ende des ersten oder - bei Nichtbereitstellung eines Krippenplatzes - bis zum dritten Lebensjahr des Kindes sowie Kündigungsverbote für junge Mütter von mindestens einem bis zu drei Jahren festgelegt.

Seit Ende 1971 wurden zur beratenden Unterstützung berufstätiger Mütter sowie zur Vorbereitung auf Ehe und Familie über 200 "Beratungszentren für Haushalt und Familie" geschaffen, die sich unter der Regie des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands in den Bezirks- und Kreisstädten bald zu Einrichtungen praxisorientierter Haushalts- und Säuglingspflege sowie zu Eheberatungsstellen entwickelten.

Arbeit der Frau führte zu Doppelbelastung

Die alte Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau sollte in der kommunistischen Gesellschaft überwunden werden. In der DDR wurde dieser Fortschritt an der Berufstätigkeit der Frau festgemacht, die nach offiziellen Angaben bei gleicher Arbeit auch gleichen Lohn beziehen sollte. Allerdings bekamen Frauen nicht nur weniger Geld, sie spielten auch kaum eine Rolle in Führungspositionen, obwohl ihr Anteil in der Abiturstufe sowie an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen ständig stieg.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann ist es so, dass Frauen oft zusätzlich zu den 43 Stunden Arbeitszeit, die sie pro Woche im Durchschnitt ableisteten, weitere 43 Stunden mit Arbeiten im Haushalt, mit Einkaufen, mit Wäsche waschen, mit Wohnung putzen zugebracht haben. Das ist die berühmte zweite Schicht. Bei den Männern sah es anders aus. Männer haben in der Regel nur 10 Stunden im Haushalt in der Woche mitgeholfen. Männer hatten 30 Stunden mehr Freizeit als Frauen.

Allerdings sah die Gleichberechtigung im Privatleben anders aus: Der Mann beteiligte sich nicht immer zu gleichen Teilen an der Bewältigung des Haushaltes und der Erziehung der Kinder, wie es 1965 im "Familiengesetzbuch" mit der Gleichberechtigung der Ehegatten "bei der Erziehung und Pflege der Kinder und der Führung des Haushaltes" festgeschrieben war. So mussten meist die Ehefrauen nach ihrem Arbeitstag die Kinder aus dem Kindergarten oder Hort abholen, einkaufen, Abendbrot machen, die Kinder ins Bett bringen und dann noch den Haushalt in Ordnung bringen. So wurden Einkäufe oder ein Gang zum Friseur schon mal während der Arbeitszeit getätigt.

Günstige Wohnungen

Wohnen war billig in der DDR. Zwischen 80 Pfennigen und 1,25 Mark kostete der Quadratmeter Wohnfläche. Benachteiligt fühlten sich nicht selten Mieter von Altbauwohnungen. Während sie für Heizung, Kalt- und Warmwasser selbst aufkommen mussten, war dies in nicht wenigen Plattenbausiedlungen in der ohnehin schon geringen Miete enthalten.

Dienstags und donnerstags war Sprechtag im Wohnungsamt. Die Wartezimmer platzten aus allen Nähten. Stundenlang standen junge Mütter mit Kleinkindern an der Hand mehr oder weniger geduldig in der Warteschlange. Die Kinder mitzunehmen, hatte gute Gründe. Für Familien mit Nachwuchs waren die Aussichten auf eine Wohnungszuweisung besser. Je mehr Kinder, desto größer die Chance. Alleinstehende ohne Kinder hatten es dagegen sehr schwer. Sie wurden nicht selten mit dem Satz abgespeist: "Kommen Sie wieder, wenn Sie verheiratet sind." Junge Ehepaare mussten sich deshalb oftmals noch Jahre nach ihrer Eheschließung ein Zimmer in der elterlichen Wohnung teilen.

Gleichberechtigung in der DDR

Gleichberechtigung hatte in der DDR Verfassungsrang. Und Gleichberechtigung hieß für die SED: die volle Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt. Auf dieses Ziel war alles ausgerichtet. Und Ende der 80er Jahre war es erreicht. Die Erwerbsquote von Frauen lag bei 91,2 Prozent. Weltweit einzigartig. "Bis Ende der achtziger Jahre haben Frauen im Durchschnitt 30 Prozent weniger verdient als Männer. Das hatte zum einen damit zu tun, dass natürlich über Jahrzehnte Frauen einen geringeren Bildungs- und Ausbildungsstand hatten als Männer", sagt Anna Kaminsky. "Dadurch natürlich auch weniger in leitende Stellungen aufrücken konnten, die besser bezahlt waren. Und es gibt auch die Kehrseite dieser Medaille: dass auch viele Frauen gesagt haben, sie wollen diese Leitungsposition gar nicht, weil das mit einem verstärkten gesellschaftlichen Engagement verbunden gewesen wäre. Und dieses gesellschaftliche Engagement sah in der DDR vor, dass man vor allem zur Versammlung ging. Und viele Frauen haben gesagt, das schaffen wir gar nicht", sagt Anna Kaminsky, Geschäftsführerin Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Staat fördert den Nachwuchs

Ulrich Wehling mit seiner Tochter Jana
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Kinderreiche Familien wurden von Vater Staat besonders bevorzugt behandelt - nicht nur bei der Wohnungsfrage. Denn Kinder waren ein Garant, den Bevölkerungsrückgang aufzuhalten. So wurde zum Beispiel der zinslose Ehe-Kredit von 7.000 Mark, den jedes Ehepaar bis zum 29. Lebensjahr erhielt, pro Kind in verschiedenen Höhen getilgt: Beim ersten Kind um 1.000 Mark, beim zweiten Kind um 1.500 Mark und beim dritten Kind um 2.500 Mark. In der DDR nannte man das "abkindern". Mütter mit zwei oder mehr Kindern arbeiteten ohne Lohneinbußen nur 40 Stunden, sie bekamen auch mehr Urlaub. Vor allem in den 80er-Jahren zeichnete sich ein Trend zu mehreren Kindern ab - ganz anders als in den westlichen Industriestaaten.

Auch in der DDR wurde Kindergeld gezahlt

"Die Familie ist die kleinste Zelle der Gesellschaft. Sie beruht auf der für das Leben geschlossenen Ehe und auf den besonders engen Bindungen, die sich aus den Gefühlsbeziehungen zwischen Mann und Frau und den Beziehungen gegenseitiger Liebe, Achtung und gegenseitigen Vertrauens zwischen allen Familienmitgliedern ergeben." Dieses Hohelied auf Ehe und Familie stammt aus dem Familiengesetzbuch der DDR. Und so wurden in der DDR neben anderen sozialpolitischen Leistungen, die auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zielten, seit 1972 auch eine staatliche Geburtenhilfe in Höhe von zuletzt 1.000 Mark und später auch ein Kindergeld ausgezahlt. Die Kindergeld-Verordnung trat 1975 in Kraft. Die monatliche staatliche Leistung betrug für das erste und zweite Kind jeweils 20 Mark. Für das dritte Kind wurden bereits 50 Mark gezahlt, für das vierte Kind 60 Mark. Ab dem fünften Kind gab es immerhin jeden Monat 70 Mark. Studentinnen erhielten von nun an für jedes Kind 50 Mark zusätzlich zu Stipendium und Kindergeld.

Kinderbetreuung selbstverständlich

Kinderbande auf der Potsdamer Allee
27,50 Mark kostete ein Kinderkrippenplatz in der DDR monatlich. Bildrechte: MDR/Mahmoud Dabdoub

Da meist beide Elternteile berufstätig waren, ließen sie ihre Kinder tagsüber in Krippe und Kindergarten betreuen, von der ersten bis zur vierten Klasse konnten die Kinder ab sechs Uhr früh im Hort abgegeben werden, der auch nach der Schule bis 16 Uhr besucht werden konnte. Da der Staat Arbeitskräfte brauchte, förderte die ganztägige Betreuung der Kinder, dass auch die Frauen arbeiten gehen. Gleichzeitig besaß der Staat damit ein Erziehungsmonopol.

Die Kinderkrippen, in denen die Kinder bis zum dritten Lebensjahr betreut wurden, waren dem Gesundheitswesen zugeordnet. Für einen Krippenplatz bezahlten die Eltern 27,50 Mark im Monat. Die unter der Aufsicht der Volksbildungsorgane stehenden Kindergärten konnten kostenlos genutzt werden, lediglich ein Essengeldzuschuss von 0,35 Mark pro Tag musste entrichtet werden.

Der Haushaltstag

Drei Jahre nach Gründung der DDR wurde der Haushaltstag 1952 eingeführt. In der Bundesrepublik gab es unterschiedliche Regelungen auf Landesebene. In Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wurde ein gesetzlicher Anspruch auf zwölf bezahlte Hausarbeitstage im Jahr eingeräumt. Zu einer bundeseinheitlichen Regelung kam es nie. Im Jahr 1979 wurde der Haushaltstag in der Bundesrepublik durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. In der DDR ging man einen anderen Weg: Bereits ab 1965 wurde der Haushaltstag auch unverheirateten Frauen mit Kindern unter 18 Jahren zugestanden. Ab 1970 konnten ihn alle vollbeschäftigten Frauen und alleinstehende Männer in Anspruch nehmen.

Recht auf Urlaub und Auszeichnungsreisen

Bereits seit 1949 steht das Recht auf Urlaub in der DDR-Verfassung. In Westdeutschland gab es das hingegen nicht. Urlaub ist in der DDR Teil der Ideologie und der Politik. Sorge dafür tragen die staatlichen Betriebe oder der "Feriendienst des freien deutschen Gewerkschaftsbundes" (FDGB). In den FDGB-Heimen wurde bereits seit 1947 gerne Urlaub gemacht. Denn: Wer gut erholt war, arbeitete besser. Und das oberste Ziel war der Aufbau des Sozialismus mit kräftigen und tüchtigen Arbeitern. Außerdem gab es sogenannte Auszeichnungsreisen: Wer sich im Betrieb und für Staat und Sozialismus besonders verdient machte, bekam die Genehmigung für Sonderreisen wie Kreuzfahrten oder Urlaub in Luxushotels. Eines der bekanntesten Ziele war das Nobelhotel "Neptun" in Warnemünde.

(jok)

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: MDR Zeitreise | 08.03.2020 | 22:30 Uhr