Die First Ladys des Sozialismus Die Traumkarriere der Elena Ceausescu

05. März 2018, 12:25 Uhr

Elena Ceausescu, die aus dürftigsten Verhältnissen stammte, war ähnlich größenwahnsinnig wie ihr Mann, der rumänische "Conducator". Sie ließ sich als Wissenschaftlerin von Weltruhm feiern und war tatsächlich die zweitmächtigste Person Rumäniens.

Elena Ceausescu war keineswegs nur die Gattin an der Seite des rumänischen "Conducators" Nicolae Ceausescu, die ihm bei repräsentativen Terminen zur Seite stand. Ganz im Gegenteil. Sie war ungemein ehrgeizig und dabei ähnlich größenwahnsinnig wie ihr Mann. Sie ließ sich als "Lichtstrahl durch die Äonen", als "führende Gelehrte der Welt" und "Mutter aller Rumänen" preisen; ihr Konterfei war auf riesigen Plakaten abgebildet, auf Tassen, Tellern und Briefmarken und die angeblich von ihr verfassten Bücher lagen stapelweise in den Schaufenstern neben denen ihres Mannes. Den Rumänen waren Elena und Nicolae Ceausescu gleichermaßen verhasst, Elena aber wurde noch mehr gefürchtet.

Textilarbeiterin und Prostituierte

Lenuta Petrescu wurde am 7. Januar 1916 in Petresti, einem kleinen Dorf in der Nähe der Hauptstadt Bukarest, geboren. Sie besuchte bis zu ihrem 14. Lebensjahr die Schule und ging anschließend nach Bukarest, um in einer Textilfabrik zum Unterhalt der Familie beizutragen. Da Lenutas Einkünfte recht karg waren, soll sie sich im Bukarester Rotlichtviertel prostituiert haben. 1944 lernte sie den jungen Kommunisten Nicolae Ceausescu kennen, im Frühjahr 1945 heirateten beide. Bei der Gelegenheit änderte Lenuta (Lenchen) ihren Namen in Elena und machte sich drei Jahre jünger - fortan gab sie als Geburtsdatum 1919 an.

Mutter und Studentin

Von 1950 an soll Elena Ceausescu - so jedenfalls stand es in den offiziellen Biografien - Chemie am Polytechnischen Institut in Bukarest studiert und das Studium 1957 mit einem Diplom abgeschlossen haben. Daran freilich bestehen heute große Zweifel. Eine Diplomarbeit lässt sich nämlich nicht nachweisen. Tatsächlich hat Elena Ceausescu wohl lediglich Kurse am Polytechnischen Institut besucht, weil die dreifache Mutter für ein reguläres Studium keine Zeit hatte. Einerlei: Von 1957 an nannte sich Elena Ceausescu "Ingenieurin". Damit freilich war der Ehrgeiz Elena Ceausescus noch keineswegs gestillt.

Dr. Ingenieurin Elena Ceausescu

Zehn Jahre später, am 8. Dezember 1967, bekam sie für eine Arbeit über makromolekulare Verbindungen den Doktortitel am Polytechnischen Institut in Bukarest verliehen. Eine Besonderheit war, dass sie ihre Arbeit nicht verteidigen musste. Ein eilends erlassenes Staatsdekret regelte, dass Elena Ceausescu ihren Titel ohne Verteidigung erlangen könne. Ein möglicher Grund für dies einmalige Vorgehen: Eine Staatsratssitzung, auf der Nicolae Ceausescu als künftiger Präsident Rumäniens vorgestellt werden sollte, stand an. Und an seiner Seite sollte eine Frau stehen, die auch eine erfolgreiche Wissenschaftlerin war. Und dies schien nun tatsächlich der Fall zu sein. Seine Frau wurde den Parlamentariern vorgestellt als "Dr. Ingenieurin Elena Ceausescu".

Vor verschlossenen Türen

Einige Tage später war um 7.30 Uhr eine öffentliche Vorstellung der Dissertation Elena Ceausescus am Polytechnikum anberaumt. Hunderte Menschen kamen, um die Frau des Präsidenten zu hören. Doch die Tür des großen Festsaals war verschlossen. Auf einem Zettel stand: "Die öffentliche Vorstellung fand bereits um 6 Uhr statt." Natürlich hatte auch um 6 Uhr keine Verteidigung stattgefunden. Es gab ja nichts zu verteidigen. Es gab keine Dissertation von Elena Ceausecu. Es war alles nur ein Bluff. Aber das wusste - von wenigen Eingeweihten abgesehen - niemand.

"Gelehrte von Weltruhm"

Dr. Ing. Elena Ceausescu hätte es dabei bewenden lassen können. Aber sie wollte beweisen, dass sie tatsächlich eine "Gelehrte von Weltruhm", wie die rumänische Propaganda sie von Stund an pries, war. Unter ihrem Namen wurden in den folgenden Jahren etwa 100 wissenschaftliche Beiträge sowie vier große Monografien über Polymerchemie veröffentlicht. Und dies keineswegs nur in Rumänien. Die Arbeiten wurden in alle Weltsprachen übersetzt und erschienen auch in beiden deutschen Staaten. 1977 etwa nahm ein Darmstädter Fachverlag Elena Ceausescu in seinen Autorenkatalog auf: "Elena Ceausescu. Einige Forschungen im Bereich der Synthese und Kennzeichnung makromolekularer Vetrbindungen".

Elena Ceausescus Leidenschaft: Ehrendoktortitel

Die "erlauchte Wissenschaftlerin, Akademiemitglied Doktor Ingenieurin Elena Ceausescu", die die Schule mit 14 verlassen hatte, pflegte darüber hinaus eine besondere Passion: Sie sammelte Ehrendoktortitel. Dutzende rumänischer Diplomaten waren vor Staatsbesuchen der Ceausescus auf der verzweifelten Suche nach Universitäten, die sich erweichen ließen, Elena Ceausescu eine Ehrendoktorwürde zu verleihen. Nicht selten hatten sie Erfolg: Mehr als 20 Ehrendoktortitel von Universitäten aus aller Welt konnte Elena Ceausescu einheimsen. Darunter den exotisch anmutenden Ehrendoktor von Bahia Bianca.

Einen großen Coup landete Elena Ceausescu 1978, als sie Mitglied des altehrwürdigen Londoner "Royal Institute of Chemistry" wurde. Nicht nur das Institut hatte sich ganz offensichtlich blenden lassen. "Die Zeit" schrieb ein Jahr später: "Die Fachzeitschrift 'Nature' hat 1978, als Dr. Elena Ceausescu in das Royal Institute of Chemistry aufgenommen wurde, festgestellt, dass diese Mitgliedschaft nicht nur eine Formalie anlässlich des Besuches von Staatschef Ceausescu sei, sondern eine verdiente Auszeichnung für ihre Arbeiten über Makrobiologie." Die "Zeit" sah das damals ganz genauso.

Zweitmächtigste Frau Rumäniens

Mitte der 1970er-Jahre startete die "führende Wissenschaftlerin Rumäniens" auch eine rasante politische Karriere. Auf den Geschmack soll sie die argentinische Präsidentin Evita Peron gebracht haben. Nachdem die Ceausescus von einem Staatsbesuch 1974 aus dem südamerikanischen Staat zurückgekehrt waren, soll Elena Ceausescu gesagt haben: "Wenn eine Hure aus einem Nachtclub in Caracas Politikerin werden kann, warum nicht eine Wissenschaftlerin?" Elena, die in jungen Jahren bereits der Kommunistischen Partei Rumäniens beigeteten war, wurde ins ZK der Partei und wenig später gar ins Politbüro gewählt, wo sie als Chefin der Kaderkommission die gesamte Elite der Partei überwachte. 1980 schließlich wurde sie zur stellvertretenden Staatspräsidentin gewählt. Nun war sie tatsächlich die zweitmächtigste Person Rumäniens. In den 1980er-Jahren wurde sie gar als Nachfolgerin ihres Mannes gehandelt, dem sie übrigens bedingungslos ergeben war. "So ein Mann wird nur alle 500 Jahre geboren", sagte sie einmal. Und genau aus diesem Grund kam sie auf die absurde Idee, dass jede Rumänin vier Kinder gebären solle, um das rumänische Volk rasch auf 30 Millionen zu bringen, da es für das Genie Nicolaes sonst zu winzig sei.

Vergoldete Wasserhähne im "Frühlingspalast"

Die Familie Ceausescu wohnte seit 1949 im noblen Bukarester Villenviertel "Frühling". Das Viertel war ausschließlich führenden Kadern der Kommunistischen Partei vorbehalten. Im Haus Boulevard des Frühlings Nr. 50 wohnten Ceausescus. Die Villa in einem parkähnlichen Anwesen hat zwei Dutzend Zimmer, es gab eine Sauna und einen Schönheitssalon. Die Wasserhähne waren sämtlich mit Blattgold verziert. Auch ein klimatisiertes Kino gab es in der Villa. "Dort lässt sich der Conducator 'Kojak'-Krimis vorführen", schrieb der SPIEGEL im November 1989, "während sich Ehefrau Elena lieber an jenen Videostreifen ergötzt, welche der Geheimdienst Securitate insgeheim von Schäferstündchen Prominenter oder von Ausländern mit Prostituierten-Agentinnen aufnehmen läßt, um sie später damit zu erpressen."

Trostloses Ende

Am zweiten Weihnachtstag 1989 stürmten Aufständische den Präsidentenpalast in Bukarest. Elena und Nicolae Ceausescu flohen mit einem Helikopter vom Dach des Palasts. In der Provinzstadt Targoviste wurde das Präsidentenpaar festgenommen. Nur wenige Stunden später verurteilte ein Militärgericht Elena und Nicolae Ceausescu zum Tod durch Erschießen. "Ich bin doch Eure Mutter", soll sie den Soldaten noch zugerufen haben. Begraben wurden beide auf dem Bukarester Friedhof Ghencea, nur wenige Minuten von ihrer Villa entfernt. Auf Elenas Grabstein aus rotem Marmor steht das von ihr erfundene Geburtsdatum: 1919.

(SL)

Über dieses Thema berichtete der MDR im TV auch in "Aktuell" 07.10.2014 | 17:45 Uhr

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