Gedenken Zerstörung Halberstadt 1945 Franzosenkirche
Gedenken an die Zerstörung Halberstadts 1945: Die Ruine der Franzosenkirche Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

8. April 1945 Bombenangriff auf Halberstadt

08. April 2023, 05:00 Uhr

Am 8. April 1945 flogen amerikanische Bomberstaffeln einen Angriff auf Halberstadt. Etwa 80 Prozent der historisch bedeutsamen mittelalterlichen Stadt wurden zerstört. Die Stadt verlor ihre Identität. Die Narben des Flächenbombardements sind bis heute sichtbar.

Der 8. April 1945 war ein Sonntag. Der Himmel über Halberstadt war wolkenlos, es war frühlingshaft warm. In einem Kino in der historischen Innenstadt sollte eine Kindervorführung stattfinden und in einer der Stadtkirchen eine Trauung. Um 11.10 Uhr aber heulten die Sirenen: Luftalarm. Die Halberstädter eilten in die Luftschutzkeller. Zwanzig Minuten später tauchten über der Stadt die ersten Bomber der 8. US-Luftflotte auf. Sie warfen zunächst Markierungsmunition ab. Dann folgten immer neue Bombergeschwander, sechs Staffeln insgesamt. Sie entluden 554 Tonnen Spreng- und Brandbomben über der Stadt. Um 11.54 Uhr war der Angriff beendet. Die Flugzeuge verschwanden vom Himmel. Halberstadt stand in Flammen.

Mittelalterliche Handelsstadt

Halberstadt war einst ein Kleinod und galt Kunsthistorikern als "Rothenburg des Nordens". Im Stadtzentrum reihten sich an die 700 Fachwerkhäuser aneinander, zudem gab es Villen aus der Gründerzeit, zahlreiche Kirchen und den prächtigen Dom. Halberstadt war eine muntere Handelsstadt mit etwa 50.000 Einwohnern. Am Stadtrand befand sich damals allerdings eine kleine Fabrik der Dessauer Junkers-Flugzeugwerke.

Der Innenraum des Doms zu Halberstadt
Der Innenraum des Doms zu Halberstadt Bildrechte: MDR/Dom Halberstadt

Angriff auf den Bahnhof

Dieses Junkers-Werk war bereits im Januar 1945 wiederholt Ziel von Angriffen amerikanischer Bomber gewesen. Am 7. April 1945 flogen sie wieder einen Einsatz auf das Werk, das zu jener Zeit schon ohne jede Bedeutung war. Obwohl Halberstadts Bürgermeister eine Verteidigung der Stadt aufgrund ihres reichen kulturellen Erbes ausgeschlossen hatte, feuerte an diesem Tag ein beim Bahnhof stehender Flak-Zug auf die anrückenden Bomber. Diese warfen ihre Bomben nun auch auf den Bahnhof Halberstadts. Es war das Vorspiel für die große Tragödie einen Tag später.

Historische Innenstadt verwüstet

Die Verwüstungen, die das Flächenbombardement am 8. April 1945 in der einst so geschäftigen Handelsstadt angerichtet hatte, waren verheerend. Etwa 80 Prozent Halberstadts waren zerstört, darunter weite Teile der historischen Innenstadt mit ihren Fachwerkhäusern und dem alten Rathaus. Der Dom und etliche Kirchen waren mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen. Doch auch Handwerksbetriebe, Schulen und Krankenhäuser waren den Angriffen zum Opfer gefallen. Ein funtionierendes Verkehrswesen gab es ebenfalls nicht mehr – der Bahnhof lag in Trümmern, die meisten Straßen existierten nicht mehr. Die Stadt hatte ihr Gesicht und ihre Identität verloren. Zwischen 2.150 und 3.000 Menschen sollen bei den Bombenangriffen auf Halberstadt ihr Leben verloren haben, die meisten davon beim großen Angriff vom 8. April 1945.

Gedenken Zerstörung Halberstadt 1945 Franzosenkirche
Gedenken an die Zerstörung Halberstadts 1945 in den Ruinen der Franzosenkirche 2020 Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

Drei Tage später kommen die Amerikaner

Als amerikanische Truppen drei Tage nach dem Bombenangriff in Halberstadt einmarschierten, waren die Feuer gerade gelöscht. Die Befreier bahnten sich ihren Weg durch Schutt und Asche. Widerstand gab es keinen mehr. Über der ganzen Stadt lag immer noch ein übler Geruch.

Die Luftangriffe der Amerikaner waren vor allem deshalb erfolgt, weil der Himmel am 8. April 1945 wunderbar wolkenlos war und Halberstadt daher ein gutes Ziel bot. Kriegswichtig war die alte Bischofsstadt nicht.

Sozialistische Stadterneuerung

Die Beseitigung der Trümmerberge dauerte insgesamt fast fünfzehn Jahre. An einer Wiederherstellung der alten Fachwerkhäuser in der Innenstadt hatte die Staatspartei SED kein besonders großes Interesse. Stattdessen wurden die Lücken im Stadtbild sukzessive mit Häusern in "moderner sozialistischer Bauweise" geschlossen. Um die noch vorhandenen Fachwerkhäuser kümmerte sich niemand. Man ließ sie einfach verfallen. "Ruinen schaffen ohne Waffen", nannte das die Opposition in der DDR damals sarkastisch. Erst das Ende der DDR rettete die noch übriggebliebenen Fachwerkhäuser Halberstadts vor dem endgültigen Verfall.

Tag/Außen/Quer: Gleimhaus Halberstadt. Gebäude-Ensemble neu/alt hinten mit Ausstellung
Das Literaturmuseum "Gleimhaus" in Halberstadt Bildrechte: MDR/Michael Rosebrock

Dieser Artikel erschien erstmals im April 2020.

Dieses Thema im Programm: 1945: Bomben auf Mitteldeutschland | 04. Februar 2020 | 22:05 Uhr

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