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Bildrechte: IMAGO/Gueffroy

Helga Hahnemann: Eine Legende des DDR-Showbiz

16. August 2022, 11:25 Uhr

Am 29. Januar 1972 lief zum ersten Mal "Ein Kessel Buntes" im DDR-Fernsehen. Helga Hahnemann war in der Unterhaltungsshow Dauergast. Sie gehörte zu den Größten im Unterhaltungsfach der DDR. Sie unterhielt, sang, tanzte und war berühmt für ihre charmant-freche Berliner Schnauze. Nach dem Umbruch in der DDR konnte sie nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen und ging - wie so viele Ost-Stars - Klinken putzen.

Am 8. September 1937 wird Helga Hahnemann in Berlin-Pankow geboren und will immer nur eins: auf der Bühne stehen. Nach der Schauspielschule gibt sie 1959 ihr Debüt am Leipziger Kabarett "Pfeffermühle". Dort trainiert sie drei Jahre lang ihre unnachahmliche, fröhlich-freche Berliner Schnauze. Ab 1962 tritt Helga Hahnemann mit eigenen Solo-Programmen auf Berliner Bühnen und bald auch im DDR-Fernsehen auf. Ein breites Publikum lernt sie zunächst in der Satire-Sendung "Tele-BZ" kennen, mit "Helgas Fittparade" bekommt sie 1977 ihre erste Fernsehshow.

Garant für volle Säle

Ende der 70er-Jahre ist Helga Hahnemann auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Sie ist Moderatorin für die Fernsehshow "Ein Kessel Buntes" - das Höchste, was man in der DDR-Unterhaltungskunst erreichen kann. Denn die "Henne", wie sie auch genannt wird, ist ein Garant für volle Säle. Verbunden sind damit ein paar Privilegien wie Reisefreiheit und Westgeld. Und nach der Show nutzt sie das auch gern mal. Am liebsten mit ihrer Texterin und Freundin Angela "Gela" Gentzmer, mit der sie seit 1974 zusammenarbeitet.

Manchmal waren wir auch im Westen. Da war dann die Grenze zu, als wir zurückwollten. Da hat sie die Scheibe runter geleiert und hat gebrüllt: 'He, ihr Eierköppe, macht mal hier auf, ich will nach Hause.' Und dann haben die uns die Scheinwerfer ins Gesicht geknallt, um erstmal zu sehen, wer da grölt. Und dann haben sie gesehen, das ist die Hahnemann und haben aufgemacht.

Angela Gentzmer

Spagat zwischen Staatsopportunismus und Selbstachtung

Auftrittssorgen kennt Helga Hahnemann nicht. Sie ist in der DDR beliebt wie keine andere Entertainerin. Sie singt, tanzt, spielt im Friedrichstadtpalast, in der Rundfunksendung "Helgas Top(p)-Musike" und bei Gastspielen im Berliner Westen. Als Synchronsprecherin leiht sie der einzigen weiblichen Hauptrolle in der "Olsenbande" ihre Stimme. Mit Gela Gentzmer und Komponist Arndt Bause entstehen Hits wie "Wo ist mein Geld bloß geblieben", "Jetzt kommt dein Süßer" und "Hundertmal Berlin". Den Spagat zwischen Staatsopportunismus und Selbstachtung beherrscht sie perfekt. Für die Stasi wird die "Henne", die kein Blatt vor den Mund nimmt, uninteressant. Parteilos, partnerlos und kinderlos erlebt sie die Wende. Und will mit 52 Jahren noch mal durchstarten.

Klinken putzen nach der Wende

Doch nach der politischen Wende geht es Helga Hahnemann wie nahezu allen Prominenten aus der DDR. Auch sie wird von der Abwehr gegen alles "Ostige" erfasst. Ob als "Erna Mischke", "Ilse Gürtelschnalle" oder legendäre Diplomraumpflegerin "Traudel Schulze" - die Hahnemann als Stimme aus dem Volk will keiner mehr hören und sehen. Die "Henne" fährt nach Westen, um sich ein neues Publikum zu erobern.

Dann musste Henne auch Klinken putzen gehen. Und sie hat das auch gemacht. Sie ist überall hin und hat sich dazu gesetzt, wenn Diskussionen waren im Fernsehen und so. Und dann wurde sie auch mal mit Gottschalk abgelichtet. Aber die Macher haben gesagt, brauchen wir nicht, so einen Spaßmacher. Wir haben Hella von Sinnen, das reicht uns.

Angela Gentzmer

Helga Hahnemann macht vor allem im Radio weiter, aber ob sie es geschafft hätte vor dem neuen gesamtdeutschen Publikum, bleibt Spekulation. Anfang November 1991 erhält sie die Diagnose Lungenkrebs. Zwei Wochen später ist sie tot. Nur 54 Jahre wird "Big Helga" alt und bleibt doch unvergessen. Nach ihrem frühen Tod erscheinen mehrere Bücher zu ihrem Leben, unter anderem von Texterin Angela Gentzmer.

Seit 1995 vergeben die Zeitschrift "Super-Illu" und der MDR in Erinnerung an die große Entertainerin den Publikumspreis "Goldene Henne". Und seit September 2010 hat sie einen Stern auf dem Berliner "Boulevard der Stars" - direkt neben Stars wie Marlene Dietrich, Hildegard Knef und Romy Schneider.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV am:03.09.2017 | 20:15 Uhr