Erinnerung an die "Druschba"-Trasse "Trassniks"-Treffen: Erinnerungen an abgefrorene Ohren und dreitägige Hochzeiten

23. Januar 2020, 14:19 Uhr

Mit Anfang 20 arbeitete Evelyn Richter in den 1970er-Jahren als Ingenieurin an der "Druschba"-Trasse in der heutigen Ukraine. Noch heute organisiert sie in ihrem Heimatort Schöneck im Vogtland ein Treffen für die ehemaligen "Trassniks". Zu erzählen gibt es jedes Mal viel.

Evelyn Richter wurde in Chemnitz geboren und studierte später an der Fachschule für Ökonomie in Plauen. Im dortigen Forstbetrieb lernte sie ihren Ehemann kennen, mit dem sie von 1975 bis 1978 in Kremetschug an der "Druschba"-Trasse arbeitete. Alle vier Jahr treffen sie und ihre ehemaligen Mitstreiter sich im Vogtland, um in Erinnerungen zu schwelgen, wie sie der MDR Zeitreise erzählt.

Zeitreise: Frau Richter, Sie sitzen dieses Wochenende nach über 40 Jahren wieder mit ihren Mit-"Trassniks" zusammen. Wie ist die Stimmung da gerade?

Mittlerweile sind wir eine relativ kleine Gruppe. Viele sind ja doch mittlerweile im hohen Alter und einige leider auch schon nicht mehr unter uns. Aber die Erinnerungen sind natürlich sofort wieder da. Vor allem an den Zusammenhalt und die Wertschätzung füreinander. Wir lebten ja auf engstem Raum, Montag bis Sonntag. Da wächst man zusammen.

Woran erinnert man sich dann?

Viele Erinnerungen hängen schon direkt mit der Arbeit zusammen. Das sind Erlebnisse, die man mit den russischen und ukrainischen Partnern hatte. Wie man sich untereinander geholfen hat. Wenn denen ein Kran gefehlt hat, da wurde eben schnell einer abgegeben - ohne groß zu fragen, was das am Ende kostet.

Es gibt ja auch eine romantische Vorstellung vom Leben an der Trasse. Die Realität hieß aber 10 bis 12 Stunden Arbeit am Tag. Dazu 40 Grad plus im Sommer und minus 35 im Winter. Wie war das?

Sommer und Winter fühlen sich dort ganz anders an. Durch die Trockenheit der Luft wirkt es im Sommer gar nicht so heiß wie hierzulande. Genauso war es im Winter. Man merkte gar nicht, dass da minus 40 Grad sind. Daran wurden wir auch sofort als Deutsche erkannt: dass wir teilweise ohne Mütze und mit offenem Mantel rumgelaufen sind. Gefährlich wurde das, wenn noch der Wind dazu kam. Da ist ganz schnell mal ein Ohr abgefroren.

Ist das bei Ihnen vorgekommen?

In unserer Brigade nicht, nein. Aber ich habe einen entfernten Onkel in der Familie, der war im Krieg zufällig auch in Kremetschug. Dem ist das Ohr da abgefroren.

Frei gab es bei Ihnen nur am Sonntag. Was hat man da gemacht, nach der ganzen harten Arbeit?

Samstagabend und Sonntags gab es kulturelle Veranstaltungen. Wir haben uns in Kremetschug eine schöne Waldbühne gebaut. Da sind viele DDR-Größen aufgetreten: Chris Doerk, die Puhdys und viele andere. Das waren für uns Erlebnisse, die wir zuhause vielleicht nicht gehabt hätten. Aber sowas gab es vielleicht einmal im Monat. Ansonsten unter der Woche einmal Kino und am Wochenende haben wir viel selbst organisiert.

Sicherlich auch Partys?

Ja, aber das war alles ganz spontan. Ich erinnere mich an das erste Wochenende. Da wurde von den russischen Kollegen plötzlich ein riesiger Grill gebaut. Da gab es dann ganze Spanferkel drauf. Und irgendwann hat immer jemand die Gitarre rausgeholt und gesungen und es wurden Getränke verteilt. Das waren spontane Momente, die nicht von oben dirigiert wurden.

Nun hieß die Trasse ja übersetzt "Freundschaft". Sind solche Freundschaften da wirklich entstanden?

Sicherlich. Wir haben als Brigade ja auch die Partner eingeladen und internationale Feste veranstaltet. Natürlich nur mit Genehmigung! Aber da haben sich dann die Mädels und Jungs beider Seiten kennengelernt. Daraus sind dann manchmal auch Hochzeiten entstanden.

Und die wurden dann an der Trasse gefeiert?

Naja, nicht an der Baustelle direkt. Aber im nahen Kremetschug schon. Die Feiern dauerten dann mindestens drei Tage.

(ahe)

Über dieses Thema berichtete der MDR in: "Lexi TV" |24.03.2014 | 15:00 Uhr