Stacheldraht
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Schulprojekt "Alltag im Grenzgebiet" Geschichten aus dem Grenzgebiet: Als Oma nicht mehr zu Besuch durfte

25. November 2019, 10:43 Uhr

Im Rahmen des medienpädagogischen Projekts "Alltag im Sperrgebiet - Ein grenzüberschreitendes Filmprojekt" hatten Schulklassen aus Thüringen, Niedersachsen, Hessen und Bayern Gelegenheit, ihren ganz eigenen Blick auf einen Teil deutscher Geschichte zu werfen. Entstanden sind neun Filme, in denen Schüler Interviews, Reportagen oder Kurzfilme mit Zeitzeugen oder deren Familien erstellt haben.

Ein Zaun. Ein Turm - und grüne Wiese. Mehr ist oft nicht von ehemaligen Grenzgebieten übrig. 1400 Kilometer Mauer teilte Deutschland entlang Orten wie Mödlareuth, Teistungen oder Geisa. Orte, die Sperrgebiete waren, weil sie so nah an der Grenze zu Westdeutschland verliefen. Für die Menschen in diesen Gebieten war der Alltag anders. Zwangsumsiedlung, Militär vor Ort oder dauerhafte staatliche Überwachung gehörten zum Leben. Für junge Menschen, die Jahrzehnte nach dem Mauerfall geboren wurden, sind solche Bedingungen kaum mehr nachvollziehbar. 

"Ein differenzierter Blick auf Leben in einer Diktatur"

Im August 2019 wurden daher die Orte Grenzlandmuseum Eichsfeld in Teistungen, Gedenkstätte Point Alpha und das Museum Mödlareuth zu Begegnungsorten für junge Schüler um deutsch-deutsche Geschichte greifbar zu machen. 

Geschichte an einem geschichtsträchtigen Ort zu erfahren, mit Zeitzeugen ins Gespräch zu kommen und dabei noch selbst einen Film produzieren zu können, hat mir Kenntnisse und Erfahrungen gebracht, die selbst der beste Geschichtsunterricht in der Schule nicht bieten kann.

Anna Köllner, Rhön-Gymnasium Kaltensundheim

Neun Filme sind im Rahmen der Medientage "Alltag im Sperrgebiet - Ein grenzüberschreitendes Filmprojekt" entstanden. Neun Filme, in denen die Schüler die Geschichte der eigenen Heimat besser kennen lernten. Neun Filme, durch die die Schüler "eine differenzierte und tiefgründigere Einstellung zum Leben in einer Diktatur bekamen", wie Schülerin Lilli Bicking vom Rhön-Gymnasium Kaltensundheim berichtet.

Wenn Oma nicht mehr zu Besuch darf

Mit Zeitzeugen und deren Familien konnten Schüler persönliche Geschichten und Erfahrungen aufarbeiten. So wie die von Robert Ritz. Der 67-Jährige ist im Grenzgebiet groß geworden. Seine Kindheit war davon geprägt, dass seine Oma in Rasdorf wohnte und er mit seinen Eltern in Geisa. "Bis 1960 durfte sie noch nach Geisa. Danach nicht mehr", erzählt Ritz. "Sie hat auf dem Berg gestanden und ins Tal zu uns geschaut." Als Ritz geboren wurde, gab es noch keine Mauer. Erst neun Jahre später wurde diese gebaut und damit die Familie geteilt. "Da wurde ein Band zerschnitten", so der Thüringer.

Schulkameraden verschwanden von einem auf den anderen Tag

Einige seiner Schulkameraden und Familien waren von einem auf den anderen Tag nicht mehr da. Machten rüber. Die Klassenkameraden die davon angeblich Kenntnis hatten, wurden in der Schule denunziert und als Verräter hingestellt. Auch Ritz' Bruder war Republikflüchtig. 1968 wurde er in Rostock verhaftet und kam acht Monate in Haft. Ritz erzählt in einem der Schüler-Dokumentarfilme, wie eingeschränkt er sich damals fühlte. Und damit ist er nicht allein.