Einführung ins Thema Der kleine Aufbruch (1970-73)

13. September 2019, 08:40 Uhr

Aus der Sicht nach 1989/1990 erscheint der Untergang der DDR oft als fast zwangsläufiger Endpunkt einer Fehlentwicklung. Doch gab es 1949-1989 durchaus Phasen oder Elemente der DDR-Geschichte, die von einer Erfolgsstory träumen ließen. Die frühe Zeit unter Erich Honecker schien mit Lockerungen und einer Art Aufbruch zu beginnen, auch ökonomisch deuteten sich Besserungen an. Wie kam es zu diesem "kleinen Aufbruch"?

Die DDR hatte lange Jahre unter Walter Ulbricht hinter sich, der nach den Ereignissen des 17. Juni 1953 und dem Mauerbau 1961 trotz pflichtgetreuer Propaganda innerhalb der parteitreuen Medien natürlich nicht mehr als Neuerer oder sozialistische Lichtgestalt verkauft werden konnte. Der gesellschaftliche Wandel in der Bundesrepublik – man denke nur an die Studentenbewegung/APO, die Frauenemanzipation oder die Popmusik – erreichte zeitverzögert auch die DDR.

Wandel durch Annäherung

Willy Brandts Ostpolitik erforderte neue Antworten, und trotz gewisser Stabilisierungen erschien die DDR unter Ulbricht hierfür nicht gut vorbereitet. Erich Honecker hatte hinter Ulbricht schon länger auf dessen Entmachtung hingearbeitet. Honecker nutzte die nachlassende Unterstützung aus Moskau für Ulbricht zu einem Machtwechsel, der intern sehr dramatisch inszeniert wurde. Für die Öffentlichkeit wurde natürlich  ein geordneter Führungswechsel vorgeführt, Ulbricht wurde – angeblich aus gesundheitlichen Gründen - von seinem Führungsamt befreit.

Der neue Mann an der Spitze

Der neue Generalsekretär der SED hieß nun Honecker, er verkündete auf dem VIII. Parteitag einen Kurs, der besonders eine "weitere Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes" zur Aufgabe erklärte (s. Mählert 2004, S.117). Symbole für den Wandel wurden Jeans in den Ladenauslagen, weltoffene Jugendfestspiele in Ost-Berlin oder auch neu erschienene Bücher und Filme, die man sich in der bisherigen DDR nicht hatte vorstellen können. Auch ökonomisch schienen bessere Zeiten anzubrechen – deren Nachhaltigkeit war damals schwer abzuschätzen.

Verbunden mit internationalen Entwicklungen (z.B. in Afrika und Lateinamerika) schien dieser "kleine Aufbruch" in das allgemeine Bild sozialistischer Erfolge und Befreiungsbewegungen zu passen. Kein Zufall war es daher, wenn ein Mann wie Fidel Castro in der DDR besonders gern empfangen wurde.

Die besonders vom westdeutschen Bundeskanzler Brandt ausgehende Entspannungspolitik wurde von Honecker vorsichtig aufgegriffen, auch und gerade zur Erlangung materieller Vorteile für die DDR.

Alle diese Entwicklungen und Signale schlugen Mitte der 1970er-Jahre um in eine Phase der Stagnation und Repression, welche zu den "lähmenden 80ern" führte. Die Biermann-Ausweisung 1976 war bereits ein starker Hinweis in diese Richtung.