Themenkomplex Staat und Politik

12. September 2019, 11:03 Uhr

"Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation. Sie [soll] unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen." So verkündete es die Verfassung der DDR von 1968 (Abschnitt 1, Kap. 1, Art. 1). Die Leitung des Staates lag also in den Händen einer einzigen Partei: der SED. Wie funktionierte diese Verknüpfung von Staat und Einheits-Partei, wie konnte man diesen Staat als "demokratisch" titulieren? Wo lagen die Probleme und Widersprüche?

Bestimmend für Entstehung und Entwicklung der DDR war die Abhängigkeit vom "Großen Bruder" Sowjetunion. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war es der Sowjetunion als einer der Siegermächte gelungen, in der sich zuspitzenden Auseinandersetzung ("Kalter Krieg") mit der anderen Supermacht USA ihre Führungsrolle in ganz Ostmitteleuropa und eben auch in der DDR durchzusetzen. Lapidar lässt sich sagen: "Das Fundament der DDR war die Herrschaft der Sowjets" [Richter 2009, S. 17].

Sowjetunion diktierte politischen Kurs

Wesentliches Instrument der Einflussnahme war dabei die SED: Gründung, Machtausbau und Machterhalt der SED waren systematisch von Moskau gelenkt und unterstützt. Auch innerhalb der SED diktierte die Sowjetunion 40 Jahre lang den Kurs, etwa bei "politischen Säuberungen" im Parteiapparat in der Frühzeit der DDR oder bei der alles andere als demokratisch legitimierten Machtübernahme Honeckers 1971. Die SED stützte ihrerseits ihre Macht auf die wesentlich gegen die eigene Bevölkerung agierende Staatssicherheit.

Dabei lebte die "Nomenklatur" – die geschlossene Gruppe hoher und höchster Parteifunktionäre – in einer weitgehend von der DDR-Wirklichkeit abgeschotteten Welt. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, wie Einblicke in die "Waldsiedlung Wandlitz" – ein exklusiv für die Mitglieder des SED-Politbüros errichtetes Wohnviertel – eindrucksvoll belegen (vgl. Unterthema "Diktatur des Proletariats – 'Die Partei hat immer Recht'").

Umso verzerrter erscheint vor diesem Hintergrund die so gerne suggerierte Volksnähe der Parteifunktionäre, allen voran der Staats- und Parteichefs Ulbricht und Honecker, um die sich durchaus eine Art von Personenkult rankte (vgl. Unterthema "Erich Honecker - Karriere eines Kommunisten").

"Die Partei hat immer Recht"

So beschwor denn auch massive Propaganda offiziell die Einheit von Führung und Volk, von Staat und Partei. Schon 1950 hatte Louis Fürnberg in seinem berühmten Parteilied dem Bekenntnis zur SED die Maxime: "Die Partei, die hat immer Recht" gegeben. Die SED sollte für Volk und Staat "das neue […] Zeitalter […] gestalten und seine lichten Höhen […] erstürmen", hieß es auch in offiziellen Veröffentlichungen zur "Staatsbürgerkunde" (Min. f. Volksbildung 1970, S. 91).

Wahlfälschung im großen Stil

Der Bevölkerung gegenüber sollten scheindemokratische Wahlen die von der Führung bestimmte politische Richtung legitimieren. Probates Mittel, die zwar erhoffte aber nie erreichte Zustimmung der Bevölkerung zum kommunistischen Kurs vorzutäuschen, waren dabei von Anfang an Wahlfälschungen im großen Stil. Die fehlende demokratische Legitimation von SED und DDR war so von vornherein schwere Hypothek des Staates, die schließlich – im Protest gegen die Kommunalwahlen im Mai 1989 – auch mit in den Untergang führte (vgl. Unterthema "Politische Mitbestimmung? – Wahlen in der DDR").

Massenorganisationen sollten Staat etablieren

Ein weiterer Versuch, die Akzeptanz des Staates bei den eigenen Bürgern zu erhöhen, war die Etablierung sogenannter Massenorganisationen, in denen sich die verschiedenen Teile der Bevölkerung wiederfinden sollten: Jugendliche in der FDJ (Freie Deutsche Jugend), Frauen im DFD (Demokratischer Frauenbund Deutschlands), Arbeiter im FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) usw. Die Kontrolle dieser Institutionen lag natürlich bei der Partei, so dass die Massenorganisationen zugleich die weitere Durchdringung aller Bevölkerungsschichten darstellten (vgl. Unterthema "Massenorganisationen").