Einführung ins Thema Politische Mitbestimmung? – Wahlen in der DDR

13. September 2019, 15:33 Uhr

Aus Sicht ihrer Funktionäre repräsentierte die DDR die Weiterentwicklung der Demokratie zu einer wahren Volksherrschaft: zu einer "Volksdemokratie". Diesem ihrem Selbstverständnis nach konnte und wollte die SED-Führung nicht auf die Legitimierung durch das Volk verzichten. Regelmäßige politische Wahlen waren integraler Bestandteil in der DDR. Fehlende Zustimmung zum System ließen freilich die Pseudo-Wahlen rasch zum bloßen politischen Ritual verkommen.

Schon 1947 identifizierte Otto Grotewohl im Rahmen der Diskussion um einen neuen deutschen Staat das "Parlament[,] in dem die lebendige Willensäußerung des Volkes durch die politischen Parteien ihren höchsten Ausdruck findet[,] als höchstes Staatsorgan" [Grotewohl 1947, S. 63]. Auffällig ist zum einen das klare Bekenntnis zum Mehrparteiensystem, zum anderen die zentrale Stellung der gewählten Volksvertretung. Und pro forma folgten die DDR-Staatsverfassungen beiden Grundsätzen. Umso frappierender fallen bei Untersuchung der tatsächlichen Umstände die Widersprüchlichkeiten ins Auge. So war die Etablierung mehrerer, völlig von der SED abhängiger Blockparteien lediglich der Versuch, nach außen hin den demokratischen Schein zu wahren, nach innen hin dem System fernstehende Gesellschaftskreise einzubinden (Material 1, Material 2). Politisch endgültig gezähmt wurden Blockparteien und Parlament (Volkskammer) nicht zuletzt durch die Einbindung in die Nationale Front und das Wahlverfahren per Einheitsliste (Material 3, Material 4). Von "unten" her wurde "Wählers Stimme" z.B. durch regelmäßige Missachtung des Wahlgeheimnisses und mehr oder weniger direkte Ausübung von politischem Druck manipuliert.

Wahlfälschung an der Tagesordnung

Es ist davon auszugehen, dass diese Einflussmechanismen bereits hohe Zustimmungsraten bewirkten. Weil diese aber dem SED-Regime immer noch nicht ausreichten, erschienen Wahlfälschungen als probates Mittel, demokratische Legitimation vorzutäuschen – und das von der ersten Volkskammerwahl 1949 bis zur letzten Kommunalwahl 1989. Gerade am Beispiel dieser Wahl lässt sich einerseits der offizielle Umgang der Führung mit Wahlen und Wahlergebnissen (Video 1, Video 2), andererseits die konkrete Praxis der Wahlmanipulation (Video 3, Video 4, Video 5) studieren. Nicht zuletzt war es gerade die Empörung über die Mai-Wahlen 1989, die schließlich eine breite Öffentlichkeit politisierte und in die Friedliche Revolution führte.