17.07.1957: Bundestag ändert Ladenschlussgesetz Der umstrittene späte Feierabend

18. Juli 2017, 10:18 Uhr

Vor 60 Jahren findet die gesetzliche Regelung der Ladenschlusszeiten in der Bundesrepublik ihren vorläufigen Abschluss – durch die Einführung des "Langen Samstags". Ab dem 1. Januar 1958 dürfen die Geschäfte schließlich an jedem ersten Sonnabend im Monat bundesweit bis 18 Uhr Kundschaft empfangen. Doch insgesamt bringt das Ladenschlussgesetz keine Lockerung der Öffnungszeiten – und ist lange heftig umstritten.

Mitten im "Wirtschaftswunder" ist das Thema Ladenschluss in den 1950er-Jahren lange Zeit ein Aufreger in der westdeutschen Öffentlichkeit. Kleine und mittlere Einzelhändler sind mit Blick auf die Arbeitsbelastung überwiegend für Beschränkungen der Geschäftszeiten, größere Unternehmen mit mehr Personal eher dagegen. Vor diesem Hintergrund kommt es unter anderem 1954 zum so genannten "Münchner Kaufhauskrieg" – mit Demonstrationen und regelrechten Straßenschlachten.

Hitzige Debatten um Ladenschlussgesetz

"Wir fordern ein freies Wochenende" ist auf Plakaten zu lesen. Letztlich entscheidet sich der Bundestag für einen stärkeren Schutz der Angestellten und kleineren Unternehmer. Ende 1956 wird das neue Ladenschlussgesetz erstmals verabschiedet, im Juli darauf die geänderte Fassung. Die Geschäfte im Einzelhandel dürfen ab 1958 immer am ersten Sonnabend im Monat bis 18 Uhr Uhr öffnen. Diese Regelung bleibt, abgesehen von der Öffnung der vier Adventssamstage zwei Jahre später, bis 1989 unverändert gültig. Dem "Langen Samstag" gehen allerdings hitzige Debatten im Parlament voraus.

Ich bitte, meine Damen und Herren, machen wir uns es einfach: Lehnen wir das ganze Gesetz ab – dann haben wir mit dem Laden hier Schluss gemacht und wenden wir uns wichtigeren Aufgaben zu!

Franz-Josef Strauß bei einer Rede im Bundestag

Langer Samstag keine neue Erfindung

Trotz des "Langen Samstags" ist das Gesetz ein Einschnitt in die lange Zeit üblichen Ladenöffnungszeiten. Denn seit dem ersten Jahr der Weimarer Republik 1919 herrscht in der Regel von Montag bis Samstag zwischen 7 und 19 Uhr Geschäftsbetrieb. Dieser wird nun für Montag bis Freitag auf 18.30 Uhr, sowie für die "normalen" Samstage auf 14 Uhr verkürzt. Der "Lange Samstag" wird also nicht völlig neu erfunden.

Ein bisschen Ruhe

Die Anfänge der verordneten Geschäftsruhe liegen in den Religionen begründet. So führt der römische Kaiser Konstantin der Große im 4. Jahrhundert als Erster den gesetzlichen Sonntagsschutz ein, um seinen christlichen Untertanen den Gottesdienstbesuch zu ermöglichen. Über Jahrhunderte hinweg ist der Ruhetag des Herren auch der Ruhetag seiner Gläubigen. Erst im 19. Jahrhundert bringt die Industrialisierung mit ihren niemals schlafenden Maschinen diese alte Ordnung in vielen Ländern ins Wanken.

Der Sonntag wird vor allem für einfache Arbeiter Teil der Arbeitswoche. Dementsprechend fällt auch für den Großteil des Handels der Ruhetag weg. Im Deutschen Kaiserreich wird auf Druck der Arbeiterbewegung der Sonntagsverkauf allerdings 1891 auf fünf Stunden begrenzt. Zuvor öffnen die Geschäfte normalerweise täglich von 5 bis 23 Uhr.

Erstes Ladenschlussgesetz 1900

1900 verlegt der Reichstag mit dem ersten Ladenschlussgesetz den werktäglichen Feierabend zudem auf 21 Uhr vor. In der Weimarer Zeit wird der Sonntagsverkauf schließlich ganz untersagt und ein entsprechender Artikel in die Verfassung aufgenommen, der später Eingang in das Grundgesetz der Bundesrepublik findet.

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Grundgesetz, Artikel 140

Ostdeutsche Besucher hebeln Ladenschluss 1989 aus

Während in der Bundesrepublik der Ladenschluss 1956/57 zunächst weiter einheitlich geregelt wird, ist er in der DDR ein Flickenteppich. Die jeweiligen Öffnungszeiten werden örtlich bzw. regional separat festgelegt – sind dabei allerdings in etwa vergleichbar mit den westdeutschen Zeiten. Als 1989 die Mauer fällt, sorgt der Strom von DDR-Besuchern in besonders frequentierten Regionen der Bundesrepublik für ein vorübergehendes Aussetzen des Ladenschlusses.

Es ist eine Ausnahmesituation für den westdeutschen Einzelhandel, der durch den "Langen Donnerstag" bis 20:30 Uhr seit Oktober 1989 ohnehin schon zusätzlich gefordert ist. Nach der Wiedervereinigung werden die bundesdeutschen Zeiten für die neuen Bundesländer übernommen. 1996 und 2003 folgen weitere Lockerungen auf schließlich werktags 6 bis 20 Uhr.

Länder entscheiden über Ladenschluss

Durch die Föderalismusreform 2006 wird der Ladenschluss Sache der Bundesländer, von denen die meisten die Werktage letztlich komplett freigeben – darunter Sachsen-Anhalt und Thüringen, während in Sachsen werktags 6 bis 22 Uhr festgelegt wird. Nur der Sonn- und Feiertagsschutz bleibt über das Arbeitszeitgesetz einheitlich geregelt.

Sonntagsöffnung bis heute umstritten

Allerdings sind verkaufsfreie Sonntage unter bestimmten Voraussetzungen in den meisten Bundesländern bis zu viermal im Jahr möglich und darüber hinaus in jüngster Zeit immer wieder ein Thema – angesichts des stetig wachsenden Online-Handels rund um die Uhr. Bei einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung von 2014 erklärten gut zwei Drittel der Befragten diese Verkaufstage zu nutzen, aber nur weniger als ein Drittel forderte den kompletten Wegfall des Sonntagsschutzes.

Dieser steht aktuell auch nicht zur Debatte, nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits 2009 einer kirchlichen Klage gegen das besonders liberale Berliner Ladenschlussgesetz stattgegeben hat.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Radio: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 16.07.2017 | 10:00 Uhr