Das Geschäft mit den neuen Sex-Utensilien erweist sich schnell als lukratives Modell. Auch Dolly Buster ist mit von der Partie.
Das Geschäft mit den neuen Sex-Utensilien erweist sich schnell als lukratives Modell. Auch Dolly Buster ist mit von der Partie. Bildrechte: MDR/Noahfilm

Sexwelle in der Nachwendezeit Dolly Buster erobert den Osten

06. April 2018, 16:38 Uhr

Mit der Mauer fielen im Osten auch die Hüllen. Die westdeutsche Sexindustrie erobert die untergehende DDR. Deren Bürger holen im Eiltempo nach, was ihnen jahrelang verwehrt blieb und sind dabei bei Weitem nicht so prüde wie die Westdeutschen, erinnert sich Pornostar Dolly Buster.

Als Dolly Buster 1983 mit ihrer Familie von Prag nach Deutschland kam, war sie 14 Jahre alt. Den Kommunismus in ihrem Heimatland hatte sie nie richtig verstanden. Die neue Welt überrumpelte sie. Sie staunte über die Flut der Waren und stürzte sich auf die vielen kleinen Joghurtbecher, die es in Prag nicht gab. Diese Erfahrung, den Schock der bunten Warenwelt des Westens, hatte Dolly Buster den DDR-Bürgern voraus, als im November 1989 die Mauer fiel und sie auch in der DDR als Porno-Star bekannt wurde.

Sexwelle aus dem Westen, Stars aus dem Osten

Mit der Wende gab es auf einen Schlag auch in der DDR alles in Hülle und Fülle - auch nacktes Fleisch auf VHS-Kassetten und Hochglanzpapier. Denn der Besitz von Pornografie war laut Strafgesetzbuch der DDR zwar nicht verboten, ihre Verbreitung aber sehr wohl. Kein Wunder, dass nun eine regelrechte Sexwelle über die untergehende Republik rollt. Die DDR-Bürger sind neugierig auf das, was ihnen lange Zeit verwehrt blieb. Und lernen so auch die großen Namen der westdeutschen Pornobranche kennen - die zu dieser Zeit aus Osteuropa stammen. Teresa Orlowski als Polen und Dolly Buster aus der Tschechoslowakei. Für Buster war das kein Zufall.

Die Mentalität der Frauen aus dem Osten war, zumindest damals, wesentlich freier als im Westen. Also der Zugang zur Sexualität, der Zugang zur eigenen Sexualität, die Freiheit über die eigene Sexualität zu bestimmen und zu sprechen, war ganz anders und auch sehr selbstverständlich. Und ich würde mal behaupten, dass die Frauen aus dem Osten emanzipierter waren.

Alle wollen in die Sex-Shops

Auch Frauen und ältere Menschen fielen in die Kultstätten der westdeutschen Sexindustrie ein. Für die Branche, die bis dahin eher ein Schmuddelimage pflegte, war das neu. Auch Dolly Buster bemerkte bei ihren ersten Besuchen im Osten, auf Sexmessen oder in Erotik-Großmärkten, einen Unterschied beim Publikum in Ost und West.

Ich hatte manchmal das Gefühl, dass das, was die Menschen bei Autogrammstunden im Osten gesagt haben, ehrlich gemeint war. Es war keine Schleimerei. Es hätte ja auch kritisch sein können. Aber das war es eigentlich nie. Ich hasse Rumgeschleime und das haben sie nicht gemacht.

"Der Westen hat den Osten konservativer gemacht"

Nach einer beispiellosen Karriere als Pornodarstellerin und -produzentin ist Dolly Buster heute u.a. als Schauspielerin, Autorin und Malerin erfolgreich. Sie ist in Deutschland angekommen und hat es geschafft, ihren Namen zur Marke zu machen. Wenn sie sich an die Veränderungen nach der Wende erinnert, fällt ihr auf, dass vieles von der sexuellen Freizügigkeit, die im Osten nach der Wende zu spüren war, inzwischen verflogen ist.

Ich bin davon überzeugt, dass der Westen nicht nur Freiheit, sondern auch Prüderie, auch das verlogene Konservative in den Osten gebracht hat. Ich betrachte das Konservative ja oft als verlogen. Das wirkt für mich nicht echt. Aber es wird komischerweise ganz gerne  angenommen. Man versteckt sich auch gerne dahinter. Und anstatt, dass der Westen durch den Osten freier geworden wäre, ist der Osten etwas konservativer geworden. Das ist schade.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR Zeitreise | 03.04.2018 | 21:15 Uhr