Der Kirmesfotograf Rolf Orschel

18. Mai 2011, 08:29 Uhr

Rolf Orschel ist einer der wenigen Kirmesfotografen in Ostdeutschland. Seit mehr als 30 Jahren fotografiert er Karussells und Zugmaschinen, Kirmesbesucher und Schausteller. "Damals im Osten" sprach mit dem in Suhl lebenden Fotografen.

Wann begann Ihre Leidenschaft für Rummelplätze?

Meine Eltern wohnten in Mühlhausen in Thüringen, nur 50 Meter Luftlinie von einem Kirmesplatz entfernt und da begann meine Leidenschaft für Fuhrgeschäfte, Karussells, Riesenräder. Denn: Eines Tages stand ich am Fenster und ein Traktor mit zwei Anhängern fuhr vorbei. Die Anhänger waren gelb und rot abgesetzt. Er fuhr auf den Rummelplatz hoch. Da bin ich dann hingelaufen, die Anhänger wurden aber nur abgehangen und der Traktor fuhr wieder fort. Im Laufe der Woche kamen immer mehr Wagen. Ich war völlig fasziniert, was für Karussells aus den Anhängern da entstanden, sogar Berg- und Talbahnen, Kettenflieger, Riesenräder und über Nacht war alles plötzlich wieder abgebaut und der Platz leer. Das war für mich die Initialzündung.

Und wie ging es weiter?

Als Jugendlicher half ich beim Auf- und Abbau der Fuhrgeschäfte, zum Beispiel durfte ich eine Geisterbahn aufbauen. Nach der Schule rannte ich heim und machte schnell die Hausaufgaben und dann auf den Platz. Es waren ja jedes Mal dieselben Schaustellerfamilien da. Ich hatte viele Freunde, Schaustellerkinder schlossen schnell Freundschaften. Sie waren ja nur eine begrenzte Zeit da, dann waren sie wieder weg und schwups!, nach einem Jahr waren sie wieder da und wir haben einfach weitergespielt. Wenn ich mal geholfen habe, bekam ich kein Geld, aber ich durfte umsonst Karussell fahren.

Haben Sie sich dort auch mal was dazu verdienen können?

Als ich 16 Jahre alt war, durfte ich an der "Seesturmbahn" kassieren. Ja – durfte – denn das war nicht jedem erlaubt. Man bekam nämlich gutes Trinkgeld. Die meisten wollten das Restgeld nicht zurück. Die Zeit war knapp zwischen zwei Fahrten.

Was haben Sie vom Alltag der Schausteller mitbekommen?

Die Schausteller hatten kaum Freizeit, keinen Urlaub, mal einen freien Tag und sie waren nie lange an einem Ort. Deswegen schlossen die Schausteller-Kinder auch so schnell Freundschaften. Die hielten aber. Ich habe heute noch Freunde, die ich auf dem Rummel kennengelernt habe.

Was war das Besondere an den Rummelplätzen in der DDR?

Die Schausteller waren wesentlich sozialer und kollegialer als heute. Man saß sehr oft abends noch zusammen, grillte, schwatzte, trank ein Bierchen. Sie haben ruhiger gelebt.

Sie sind mittlerweile einer der bekanntesten Kirmesfotografen. Wie kamen Sie dazu, auf dem Rummel zu fotografieren?

Die Schausteller sind ein eingeschworener Haufen, da passt einer auf den anderen auf. Die wollten auch keine Fotografen. Ich hab dann heimlich mal eine "Schlickerbahn" - Schlittenfahrt - fotografiert. Die Fotos habe ich dem Besitzer gezeigt. Dem gefielen die Bilder und er wollte noch mehr haben. Das sprach sich herum, dass da einer ist, der fotografieren kann. Und ich durfte nun alles fotografieren: die Fuhrgeschäfte, den Auf- und Abbau, die Zugmaschinen, die Schausteller selbst. Eben den Alltag auf dem Rummelplatz.

Welches ist Ihr Lieblingskarussell?

Der "Cortina Jet". Ein herrlich altes Karussell. Eine Art "Bobbahn". Und es fährt sogar heute noch.

Und fahren Sie heute noch?

Nur ganz selten. Wenn ich auf dem Rummel bin, fotografiere ich oder rede mit meinen alten Schaustellerfreunden.

Venus Clipper Fa. Gebhardt
Karussell "Venus Clipper" von Familie Gebhardt Bildrechte: Rolf Orschel

Fakten zu Ralf Orschel Rolf Orschel wurde 1952 in Mühlhausen/Thüringen geboren. Nach dem Abschluss der 10. Klasse absolvierte er eine Lehre zum Baumaschinisten und arbeitete später in verschiedenen Berufen – als Baumaschinist, Kraftfahrer, Elektromontierer und Hausmeister. Seit 1998 ist Rolf Orschel Autor und Redakteur der Fachzeitschrift "Kirmes & Park Revue".