Presse, Fernsehen und Radio Medienlandschaft in der DDR: Mit dem Mauerfall kam die Vielfalt

17. September 2010, 10:28 Uhr

Mit aller Macht drängten westdeutsche Medien in das neue Verbreitungsgebiet. Dort trafen sie Anfang 1990 auf eine erstaunliche Vielfalt der Medien in der DDR. Neu gegründete Zeitungen konkurrierten mit den um Wandel bemühten Parteiblättern, und selbst das Staatsfernsehen erlebte eine extrem kreative Phase.

Am Arbeitsplatz, im Café an der Ecke, in jeder Straßenbahn, in den Schlangen vor dem Arbeitsamt - Der "SPIEGEL" und der "stern" waren unübersehbar in den Tagen vor der Volkskammerwahl. Die Nachrichtenmagazine aus Hamburg hatten aufwändige Sonderausgaben produziert. Sie wurden kostenfrei verteilt und lieferten – neben einer profunden, für die Meinungsbildung unerlässlichen Menge an Information – den "Appetithappen" für neu zu gewinnende Abonnenten.

Medien in der DDR: Rückblick auf den Einheitsbrei

Auf dem Papier gab es die Presse- und Meinungsfreiheit in der DDR, der Artikel 27 der Verfassung garantierte diese bürgerlichen Rechte. In der Praxis aber setzte das System auf Meinungsunterdrückung und Zensur. Ein wichtiges Werkzeug der Massenbeeinflussung waren die 39 Tageszeitungen. Sie befanden sich in den Händen der Parteien und Organisationen und sollten – gemäß einer Forderung Lenins – "kollektive Organisatoren, Agitatoren und Propagandisten" sein. Allen voran erfüllte das "Neue Deutschland" diese Funktion, das "Organ des Zentralkomitees der SED", gefolgt von der überregionalen FDJ-Zeitung "Junge Welt" und den Blättern der Parteileitungen in den 15 Bezirken der DDR. Daneben unterhielten die Blockparteien CDU, LDPD und NDPD eigene überregionale und lokale Blätter – im politischen Teil wurden auch sie von der zentralen staatlichen Nachrichtenagentur ADN gefüttert.

Gegen die Zensur: Blätter aus dem Untergrund

Gegen den Einheitsbrei der DDR-Medien schrieben in den 1980er-Jahren einige wenige Untergrundblätter an. Sie erschienen in kleiner Auflage, oft um die Zensur zu umgehen, mit dem Vermerk "nur für den innerkirchlichen Gebrauch" und wurden beispielsweise auf Wachsmatrizen vervielfältigt. Sie griffen tabuisierte Themen auf: Ausreiseproblematik, Wehrersatzdienst, Umweltprobleme. Einige der Macher solcher Samisdat-Schriften wie "Umweltblätter", "Grenzfall", "Blattwerk" oder "Telegraph" gehörten zu den Gestaltern einer neuen Öffentlichkeit während der friedlichen Revolution.

In Leipzig wurde im Februar 1990 "Die andere Zeitung" (DAZ) gegründet – der Versuch einer unabhängigen Wochenzeitung. Die Redaktion befand sich im Keller der Gleisstrasse 11 in Leipzig-Plagwitz. Verkauft wurde die kritische, teils investigative DAZ anfangs von den Redakteuren selbst, immer mittwochs an Ampeln und Haltestellen. Doch gegen die Konkurrenz der eingeführten Zeitungen konnte sich das Blatt nicht behaupten. Im April 1991 wurde es aus finanziellen Gründen eingestellt.

Privatisierung und Monopolisierung

Das Schicksal der DAZ war exemplarisch für viele Neugründungen der Wendezeit. Im Strudel der Ereignisse vermittelten die etablierten Abonnement-Zeitungen ihren Kunden ein Gefühl von beruhigender Gewissheit. Und so schafften es einige ehemalige SED-Blätter sogar unter ihrem alten Namen in die neue Zeit ("Volksstimme" aus Magdeburg, "Freie Presse" aus Chemnitz, das "Freie Wort" aus Suhl). Die großen ehemaligen SED-Bezirksblätter verfügten nach der Wende über abgesteckte Vertriebsgebiete, über eigene Produktionsstätten, über Informationsnetzwerke und Lokalredaktionen in allen Kreisstädten der DDR.

Im Zuge der Privatisierung galten die Zeitungen als attraktive Rosinen im Treuhandkuchen. Sie wurden schnell veräußert, in der Mehrzahl an Medienunternehmen aus dem Westen. So kam es zu einem nie dagewesenen Konzentrationsschub in der Medienwirtschaft der Bundesrepublik. Im Jahr 2010 gibt es noch 17 sogenannte Vollredaktionen im Osten Deutschlands, von mehr als hundert in Deutschland insgesamt. Medienkritiker bemängeln, dass es gerade im Bereich der Lokalblätter praktisch keine kritische Öffentlichkeit mehr auf dem Zeitungsmarkt in Ostdeutschland gäbe.

Kurzer Pressefrühling und Fernseh-Aufbruchs

Galt das Fernsehen der DDR lange als Stütze des Regimes, zeigte es sich seit dem Herbst 1989 zumindest teilweise als Institution des Wandels. Es dokumentierte den Umbruch und stieß mit kompetenten, kritischen Beiträgen selbst Veränderungen an. Legendär wurde das Jugendmagazin "Elf99" – Ende Oktober berichtete Reporter Jan Carpentier von den Mahnwachen für die zu Unrecht Inhaftierten in Halle. Ein echter Tabubruch im Fernsehen der DDR.
Zwei Wochen nach dem Fall der Mauer informierte "Elf99" in der berühmten "Wandlitz-Reportage" über die streng abgeschirmte Waldsiedlung, in der ranghohe SED-Funktionäre lebten. Zuschauerzuschriften bestärkten die Redaktion, zunehmend sahen sich die Fernsehmacher als "Sprachrohr der Gesellschaft" – nicht mehr als Diener der Partei. Und das sollte etwas bedeuten, waren doch von den etwa 350 Mitarbeitern im Bereich der für politischen Journalismus zuständigen Fernsehpublizistik fast die Hälfte Mitglied oder Kandidat der SED. Jetzt machten sich die Journalisten mündig.

1990: Sternstunde des DDR-Fernsehens

Die Zeit, so erinnerte sich "Elf99"-Redakteur Harald Becker, in der selbst live ausgestrahlte Unterhaltungssendungen "dreimal geprobt und viermal abgenommen worden" seien, war nun vorbei. Jetzt wurden sogar Themenvorschläge der Bürgerrechtsgruppen aufgenommen, und sackweise ging bei der "Aktuellen Kamera" Zuschauerpost ein. Die politischen Veränderungen der Wendezeit boten Journalisten die Chance, einen frischeren DDR-Rundfunk zu machen - und sie wurde genutzt. Viele Reporter erlebten eine kreative Phase in dem Gefühl, erstmals mit all ihren Talenten gefordert zu sein.

Der Einigungsvertrag legte im Oktober 1990 fest, dass der Deutsche Fernsehfunk Ende 1991 seinen Betrieb einzustellen hat. Im Gebiet der fünf neuen Bundesländer etablierte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk und der Privatfunk – ganz nach bundesdeutschem Vorbild.