Bildung im Sozialismus Erweiterte Oberschule (EOS) in der DDR

12. Mai 2023, 16:54 Uhr

Der Zugang zu einer Erweiterten Oberschule (EOS) und damit zum Abitur war in der DDR streng reglementiert. Trotz Aussortierung der Schülern nach ideologischer Gesinnung war Widerstand nicht ausgeschlossen.

Ebenso wie der Besuch der POS war auch der EOS-Besuch kostenlos, seit 1981 erhielten die Schüler sogar eine Ausbildungsbeihilfe von monatlich 110 Mark in der 11. und 150 Mark in der 12. Klasse.

Wer darf zum Abitur?

Die Aufnahme in die EOS erfolgte bis 1981 nach der 8., dann nach der 10. Klasse und war streng limitiert. Aus einer POS-Klasse wurden durchschnittlich zwei bis drei Schüler in die weiterführende Schule aufgenommen, was bei einer Klassenfrequenz von etwa 22 Schülern einen enormen Leistungsdruck erzeugte. Damit entstanden viele Probleme, die manche Volksbildungsorgane zu Willkürakten veranlassten. Zeitweilig wurden Jungen bevorzugt, weil deren Anteil unter den Studierenden besorgniserregend sank; die häufig fleißigeren und disziplinierteren Mädchen, denen gerade während der 9./10. Klasse ein physischer Entwicklungssprung zugute kam, gruben den Jungen durch bessere Leistungen das Wasser ab. So gab es zeitweilig in ganzen Berufsgruppen (z.B. Zahnärzte und Lehrer) kaum männlichen Nachwuchs zu finden.

Zudem musste "die Volksbildung" regulierend eingreifen, da die geplanten Zahlen durch sinkende Geburten und den daraus resultierenden Arbeitskräfteausfall durcheinander gerieten, was wiederum Versorgungslücken zur Folge haben konnte. Die Chancen für eine Aufnahme an die EOS ließen sich verbessern, wenn die Kinder Studienwünsche oder Berufsinteressen vorgaben, an denen gerade Mangel herrschte. Mitte der 60er Jahre galt das beispielsweise für Diplom-Chemiker und Mathematiklehrer. Noch besser waren die Chancen, wenn als Berufswunsch "Berufsoffizier" angegeben wurde: damit konnten sich auch leistungsschwächere Jungen den Weg zur EOS sichern.

Positive staatliche Gesinnung

Eine wichtige Voraussetzung für den Besuch der EOS war eine vorzeigbare positive ideologische Gesinnung. Bei Anzeichen renitenten Verhaltens oder gar Widerspruch (dies betraf häufig Kinder von Pfarrern oder Dissidenten) war die Aufnahme in die EOS nahezu ausgeschlossen. Nur wenn sich das MfS die Förderung des Kindes als besondere Strategie gegen das "feindlich-negative Element" ausgedacht hatte, wurden auch solche Kinder in die EOS aufgenommen. Die vom Ministerium für Volksbildung herausgegebene Aufnahmeordnung für die Abiturstufe zeigt, welche Bedingungen die EOS-Schüler zu erfüllen hatten: "In die Erweiterte Oberschule werden Schüler aufgenommen, die sich durch Leistungsfähigkeit und Bereitschaft sowie politisch-moralische und charakterliche Reife auszeichnen, ihre Verbundenheit mit der DDR durch ihre Haltung und gesellschaftliche Aktivität bewiesen haben."

Dies wurde zum Teil sehr konsequent umgesetzt, wie ein Vorfall an der EOS "Carl von Ossietzky" in Berlin-Pankow im Jahr 1988 verdeutlicht: Einige Schüler brachten über Wandzeitungsartikel, Unterschriftensammlung und verbale Äußerungen ihre Ablehnung gegenüber Militärparaden der NVA zum Ausdruck. Die Folge waren Repressionen durch die Volksbildungsorgane, die SED und die FDJ. Nach den ersten Äußerungen war den Schülern zunächst ans Herz gelegt worden, ihre Haltungen offen darzulegen, was sie denn auch taten und auf ihrem Standpunkt beharrten, dass in der DDR politische Reformen notwendig seien und mehr gegen neofaschistische Tendenzen getan werden müsste. Trotz der Proteste namhafter Schriftsteller wie Stephan Hermlin und Christoph Hein wurden die vier "Unverbesserlichen" relegiert, andere versetzt oder mit Schulstrafen belegt.

Die Alternative: Berufsausbildung mit Abitur (BmA)

Zur Erlangung der Hochschulreife gab es alternativ zur EOS die Möglichkeit einer dreijährigen Berufsausbildung mit Abitur (BmA). Absolventen dieser Richtung konnten, sofern sie die zum Teil erforderlichen Eignungsprüfungen bestanden, ein beliebiges Studium aufnehmen, entschieden sich allerdings mehrheitlich für Ingenieurhochschulen bzw. Technische Hochschulen, da sie einen Hochschulabschluss bevorzugten, der in Beziehung zum erlernten Beruf stand. Von allen Hochschulbewerbern hatten ca. zwei Drittel der Absolventen die Hochschulreife an einer EOS und etwa ein Drittel im Rahmen einer BmA erworben. Ein dritter, wenn auch seltener Weg zum Abitur war das "Abendstudium" an Volkshochschulen.

Dieser Artikel wurde erstmals 2004 veröffentlicht.

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