aufgeschlagenes Buch
Zensur gab es im gesamten Literatur- und Kulturbetrieb der DDR. Jede Veröffentlichung musste ein "Druckgenehmigungsverfahren" bei der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel durchlaufen. Bildrechte: colourbox

Abschaffung der Druckgenehmigung Wie die Literatur-Zensur in der DDR funktionierte

24. November 2021, 18:01 Uhr

Am 30. November 1989 kippte die Literatur-Zensur in der DDR. Bis dahin versprach die DDR-Verfassung zwar das Recht auf freie Meinungsäußerung. Praktisch regelte aber die Zensur, was gedruckt wurde. Doch die Literaten wussten sich zu helfen.

Das Monopol über die rund 80 DDR-Verlage oblag der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur. Sie hob den Daumen oder senkte ihn, wenn es um die Zustimmung oder Ablehnung einer Veröffentlichung ging. Sie bestimmte die Auflagenhöhe, wies Papier und Druckkapazitäten zu und hatte zudem Einfluss auf Verlagsleitung und Lektoren. Durchaus gängige Praxis war, dass ein wohlgelittener Autor eine Auflage von 30.000 Exemplaren genehmigt bekam, ein kritischer Schriftsteller, wenn überhaupt, von nur 10.000 Exemplaren.

Einheitliche Regeln fehlten

Jedes Buch musste dem Kulturministerium zum Begutachten vorgelegt werden – auch jede Neuauflage. Zusammen mit dem Manuskript waren mindestens zwei Gutachten einzureichen: ein vom Lektor erstelltes sowie ein Außengutachten. Beide beurteilten sowohl die literarische Qualität als auch die politische Aussage des Manuskriptes und galten der Hauptverwaltung als Empfehlung. Daran gebunden war sie jedoch nicht. Das Problem dabei: Es gab keine einheitlichen Regeln. Das machte die Zensur unberechenbar. Ein Ja oder Nein war abhängig von den aktuellen politischen Vorgaben genauso wie vom Geschmack des jeweiligen Funktionärs. Es konnte sogar von Ort zu Ort ganz unterschiedlich ausfallen. Man wusste also nie, was die Uhr gerade geschlagen hatte. So passierte es eben auch, dass selbst dem Sozialismus eng verbundene Schriftsteller Opfer der Zensur wurden, wenn sie das "falsche" Thema gewählt hatten.

Opfer der Zensur

Zu den Opfern der Zensur gehörten bekannte Autoren wie Stefan Heym, Irmtraut Morgner und Werner Bräunig. So wird unter anderem Heyms Roman über Ferdinand Lassalle als Kritik am real existierenden Sozialismus verstanden und zunächst nicht zum Druck zugelassen. Genau wie Irmtraut Morgners "Rumba auf einen Herbst", Heiner Müllers "Hamletmaschine" oder Werner Bräunigs "Rummelplatz".

Literaturschaffende aus Ost und West erzählen

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Wolf Biermann erklärt Mechanismen des DDR-Literaturbetriebs, wie schlechte Dichter unverhofft wichtig werden.

Mi 05.05.1999 22:05Uhr 00:40 min

https://www.mdr.de/geschichte/stoebern/damals/video173552.html

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Falsche Fährten: Die "Weißen Elefanten"

Bei so manchem Autoren führte die "Genehmigungspraxis" zur Selbstzensur, auch "Schere im Kopf" genannt, mit der er oder sie das eigene künstlerische Werk so beschnitt, dass es eine Chance zur Veröffentlichung erhielt. Aber es gab auch das Spiel mit der Zensur. Dabei schrieben Autoren ganz bewusst so genannte "weiße Elefanten" in ihre Bücher – Sätze, von denen klar war, dass sie dem Zensor sofort ins Auge fallen und ihn provozieren würden. Sie sollten ihn von anderen subtil verfassten und kritischen Sätzen ablenken.

Alternative Künstler pfeifen auf offizielle Genehmigungen

Seit dem Ende der 1970er-Jahre etablierte sich in Leipzig, Dresden, Chemnitz und vor allem im Berliner Prenzlauer Berg eine alternative Kunstszene. Die jungen Künstler – unter ihnen A.R. Penck, Helge Leiberg, Jan Faktor und Bert Papenfuß – scherten sich nicht mehr um staatliche Restriktionen. Sie hatten mit dem System abgeschlossen und versuchten gar nicht erst, ihre Werke in den offiziellen Verlagen zu veröffentlichen. Sie gaben ihre Künstlerbücher in kleinen Auflagen selbst heraus. Unterstützt wurden sie dabei von etablierten Autoren wie Christa und Gerhard Wolf, von Heiner Müller, Karl Mickel und Adolf Endler. Freilich wusste die Staatssicherheit Bescheid. Auch in dieser Szene hatte sie ihre Zuträger.

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