Steckbrief Franz Fühmann - ein verzweifelter Mann

24. November 2021, 18:24 Uhr

Die letzte Schaffensphase des Dichters Franz Fühmann galt dem Hörspiel. Desillusioniert vom Modell Sozialismus, war der Lyriker schon lange ins Visier der Staatsicherheit geraten.

Katholisch-nationalsozialistische Erziehung

Franz Fühmann wurde 1922 in Rochlitz (heute Rokytnice/Tschechien) geboren. Er wuchs nach eigenen Angaben in einer "Atmosphäre von Kleinbürgertum und Faschismus" auf. Mit zehn Jahren kam er in ein Jesuiten-Internat in der Nähe von Wien, aus dem er als Zwölfjähriger flüchtete. Fühmann war Mitglied der Hitlerjugend und nach der Annexion des Sudetenlandes der Reiter-SA. Er meldete sich freiwillig zur Wehrmacht und wurde als Nachrichtensoldat in Griechenland und der Sowjetunion eingesetzt. Im Mai 1945 geriet er in Böhmen in sowjetische Kriegsgefangenschaft.

Umdenken in der Kriegsgefangenschaft

1947 wurde Fühmann in eine sogenannte "Antifa-Schule" abkommandiert, in der er sich zum überzeugten Marxisten wandelte. 1949 wurde er in die DDR nach Berlin entlassen und wirkte als Funktionär in der Blockpartei NDPD mit. In dieser Partei, der er bis 1972 angehörte, leitete er bis 1958 die Hauptabteilung Kulturpolitik. Danach lebte und arbeitete Fühmann als freier Schriftsteller überwiegend in seinem kleinen Haus in Märkisch-Buchholz und zeitweise in Berlin.

Seit Prag 1968 auf Distanz zum Staat

Der Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in Prag im Jahr 1968 war für ihn ein einschneidendes Moment. Seine existentielle Krise überwand er durch ein radikales Umdenken. Fühmann ging zunehmend auf Abstand zur Politik der DDR, zog sich aus dem Schriftstellerverband zurück und unterstützte diskriminierte Autoren, so zählte er beispielsweise zu den Erstunterzeichnern der Petition gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann.

Wolf Biermann 1 min
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Vielseitiger Autor

Cover des Buches "Vom Moritz, der kein Schmutzkind mehr sein wollte" und Franz Fühmann
Franz Fühmann und eines seiner Kinderbücher: "Vom Moritz, der kein Schmutzkind mehr sein wollte" Bildrechte: henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag

Franz Fühmann war ein sehr vielseitiger Autor, der neben Gedichten und Nachdichtungen, Essays, Erzählungen und literarischen Experimenten auch Bücher für Kinder verfasste und Hörspiele schieb.

Nach längerer Krankheit starb Fühmann 1984 im Alter von 62 Jahren in der Berliner Charité-Klinik an einer Virusinfektion. In seinem Testament gibt er an, gescheitert zu sein - in der Literatur und beim Aufbau einer Gesellschaft, "von der wir immer träumten".

Drei Monate, nachdem Franz Fühmann am 8. Juli 1984 gestorben war, sendete der Rundfunk der DDR erstmals ein Originalhörspiel für Erwachsene von ihm: "Die Schatten". Bis zum Umbruch 1989 folgten jährlich weitere Originalhörspiele, die Fühmann kurz vor seinem Tod im Krankenhaus geschrieben hatte.

Dieses Thema im Programm: Lebensläufe | 07. Dezember 2017 | 23:05 Uhr