Zinnowitz: Das "erste Seebad der Werktätigen"

06. Dezember 2021, 10:14 Uhr

Der Badeort Zinnowitz war seit jeher beliebt bei Ostseeurlaubern. Die Arbeiter in der DDR entdeckten den Ort allerdings erst spät für sich.

Das "erste Seebad der Werktätigen" ist zugleich einer der ältesten Badeorte an der Ostsee. Da es durch den Krieg relativ wenige Zerstörungen gab, wurde es schnell wieder zum Touristenmagneten. Schon 1950 wurde mit 20.000 Urlaubern der Vorkriegsstand erreicht. Schwieriger war es jedoch neben den eher bürgerlichen Touristen, die das Seebad schon aus Vorkriegszeiten kannten, neue Urlauber, gerade aus der Arbeiterschaft, zu einem Ostseeurlaub zu bewegen.

Diese Überzeugungsarbeit war besonders nötig, weil Landarbeiter - wenn sie nun da waren - liefen im Ort rum und gingen nicht an den Strand. Da hab ich sie gefragt, warum geht ihr nicht an den Strand? Da haben sie gesagt: 'Ach was sollen wir am Strand?' - Und ausziehen: na ihr zieht euch doch bei der Ernte auch aus. – 'Na, aber da sind wir doch unter uns. Und hier die fremden Leute.' Also die Arbeiter mussten lernen Urlaub zu machen.

Günther Witt, ehemals beim Feriendienst des FDGB im Bezirk Rostock auf Usedom

"Ich bin Bergmann, wer ist mehr?"

1953 kam es zur entscheidenden Veränderung für Zinnowitz. Durch einen Ministerratsbeschluss wurde das Ostsseebad zum zentralen Ferienort der SDAG Wismut. Die Wismut, die Uran förderte, stand unter sowjetischer Verwaltung. Im selben Jahr hatte die berüchtigte "Aktion Rose" dem FDGB durch die großflächige Enteignung von Hotels und Pensionen an der Küste genügend Ferienplätze besorgt. Die Wismut sorgte dafür, dass Kultureinrichtungen ausgebaut wurden, wie etwa ein Kulturhaus mit Theatersaal und Bibliothek. Das Unterhaltungsangebot war reichhaltig und abwechslungsreich. Gerade in den Achtzigern gastierten hier in den Sommermonaten die großen Stars der DDR Musikszene wie die Puhdys, Silly oder Stern Meissen.

Überdachte Bühne und leere Stuhlreihen 3 min
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3 min

Das Ostsseebad Zinnowitz war der zentrale Ferienort der Wismut. Aus renommierten Hotels wurden FDGB-Heime für die Bergarbeiter und Bauern.

Mo 01.12.2003 12:31Uhr 02:51 min

https://www.mdr.de/geschichte/ddr/alltag/reisen-freizeit/video288990_zc-bead8edb_zs-dec8cc5e.html

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Bevorzugte Belieferung

Der FDGB sorgte dafür, dass es auch beim Essen und Trinken an nichts fehlte, denn die Wismut hatte keinen normalen Betriebsferiendienst: "Sie hatten ganz andere Kontingente, sie wurden bevorzugt beliefert. Das war manchmal auch gar nicht einfach. Aber für die Wismut - das galt immer als oberstes Gebot - war eine besondere Versorgung zu gewährleisten", erinnert sich der ehemalige FDGB-Funktionär im Bezirk Rostock, Heinz Hanss. Der Feriendienst übernahm aber auch direkt für die Gemeinde Zinnowitz Sonderaufgaben. So wurde das Telefonnetz des Ortes mithilfe der Wismut ausgebaut, der Fuhrpark übernahm Teile des Schülertransportes am Ort und das medizinische Zentrum des Feriendienstes war allen Bewohnern des Ostseebades zugänglich.