Die Transportpolizei der DDR: Unterwegs für die Stasi

28. November 2018, 17:16 Uhr

Die Transportpolizisten der DDR gehörten mit ihren blauen Uniformen zum Alltag in den Zügen der Deutschen Reichsbahn. Zuständig für die allgemeine Ordnung und Sicherheit, waren sie weniger für ihr freundliches als vielmehr für ihr forsches und unhöfliches Verhalten bekannt und berüchtigt. Als hauptverantwortliche Kontrollinstanz auf den Schienenwegen gehörte die Transportpolizei zum Repressions- und Überwachungsapparat der DDR.

Die Geschichte der Transportpolizei reicht zurück bis ins Jahr 1921, als die Deutsche Reichsbahn einen "Eisenbahnüberwachungsdienst" ins Leben rief. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss der Alliierte Kontrollrat, in allen Besatzungszonen eine eigene Bahnpolizei aufzubauen. Zu deren Aufgaben zählten damals neben der Sicherung militärischer Nachschubtransporte vor allem der Schutz von Gütertransporten und Bahnanlagen vor Diebstählen, Überfällen und Sabotageakten. Am 16. Februar 1949 wurde die Bahnpolizei in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) als Transportpolizei in die Deutschen Volkspolizei eingegliedert. Die Trapo sollte Züge und Reisende kontrollieren, Straftaten, Unfällen und Betriebsstörungen auf dem Gelände der Deutschen Reichsbahn untersuchen sowie Züge und Bahnhöfe bei besonderen Veranstaltungen wie der Leipziger Messe, Fußballspielen, Staatssonderfahrten oder Gütertransporten absichern. Zentraler Aspekt im Arbeitsalltag war der Reiseverkehr in Richtung der innerdeutschen Grenze. Hier war die Transportpolizei die entscheidende Kontrollinstanz, die Republikfluchten entdecken, verhindern und aufklären sollte.

Kontrolle immer und überall

Seit 1950 setzte die Transportpolizei sogenannte Zugbegleitkommandos (ZBK) ein. Sie kontrollierten nicht nur die regulären Züge in der DDR, sondern auch die Transit- und Interzonenzüge in Richtung Bundesrepublik. Die Ermittler waren auch in Zivil unterwegs. Sie verwickelten Fahrgäste gezielt in Gespräche, um so an Informationen zu kommen, die für die Staatsmacht interessant sein konnten. Die ZBKs inspizierten während der Fahrt außerdem den gesamten Zug, von innen wie von außen. Hohlräume, die Zugtoiletten und sämtliche Abteile wurden gründlich geprüft. Die Transportpolizisten gingen mit Spürhunden durch den Zug und überprüften potenzielle Verstecken: in Mülleimern und Handtuchhaltern, hinter Spiegeln und Heizungen sowie unter den Sitzen suchten sie beispielsweise nach Rauschgift, Geld, verbotener Westliteratur, Zeitschriften und Videokassetten sowie nach Menschen, die auf diesem Wege versuchten, mit dem Zug in die Bundesrepublik zu fliehen.

Im Fokus der Staatssicherheit  

Von 1953 bis 1957 unterstand die Transportpolizei kurzfristig dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Der Zugverkehr zwischen Ost und West hatte das Interesse des DDR-Geheimdienstes geweckt, war er doch eine geeignete "Angriffsfläche" für Spionage, Schmuggel und versuchten Menschenhandel. Nach 1957 wechselte die Transportpolizei wieder in den Zuständigkeitsbereich des Ministeriums des Innern. Doch die monatlichen Kontrollberichte und Lageeinschätzungen der Transportpolizei gingen bis 1989 weiterhin an das MfS. Insbesondere für die Statistiken über die Verhinderung und Aufklärung von Fluchtversuchen interessiert sich das MfS. Dieses Interesse flachte in den 1960er-Jahren jedoch ab - ebenso wie die Bedeutung des Zugverkehrs in Richtung Westen. Denn wer nach dem Mauerbau am 13. August 1961 reisen durfte, war meist schon über 65 Jahre alt und für die DDR kein potenzieller Fluchtkandidat.

Das änderte sich jedoch 1972 mit dem Transitabkommen zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Westdeutsche konnten nun wieder einfacher per Zug in die DDR reisen. Vor allem aber durften jetzt auch jüngere DDR-Bürger die Bundesrepublik besuchen. Das führte zu einem, wie es im Amtsdeutsch der Trapo hieß, Anstieg neuer "Vorfälle" und "Vorkommnisse" im Transitverkehr. Dazu zählte für die Transportpolizei die Kontaktaufnahme zwischen westdeutschen Reisenden und DDR-Bürgern, Schmuggel, Spionage sowie das erhöhte Risiko der Republikflucht. Das führte dazu, dass die Arbeit der Transportpolizei wieder in den Fokus des MfS rückte, die Zusammenarbeit intensivierte sich. Ab den 1970er-Jahren waren die ZBKs der Transportpolizei und die Passkontrolleinheiten der neu gegründeten Abteilung VI des MfS gemeinsam für die Kontrolle und "politisch-operative Sicherung" der Reisenden in den Transit- und Interzonenzügen verantwortlich.

Verlängerter Arm des MfS oder eigenständiger Akteur?

Bisher wird die Transportpolizei bestenfalls als "Helferlein" des MfS betrachtet, das nur eine Nebenrolle auf der Bühne des umfassenden Überwachungssystems der DDR gespielt hat. Sicherlich machten Zugkontrollen, die Absicherung von Unfallstellen und die Festnahme randalierender Fußballfans einen Großteil der täglichen Arbeit der Transportpolizei aus. Doch dies war nur ein Teil ihrer Aufgaben. Gerade in den Grenzbezirken hatten die Transportpolizisten einen entscheidenden Auftrag: die Verhinderung von Republikfluchten. Insofern darf die Transportpolizei durchaus als eine Institution mit eigenständigem Verantwortungsbereich innerhalb des Repressionsapparates der DDR gelten.


Infobox Strukturell war die Transportpolizei wie die Deutsche Volkspolizei aufgebaut. Pro Bezirk gab es eine Transportpolizeiabschnittsverwaltung (AVT). Ihr waren jeweils mehrere Transportpolizeiämter (TPÄ) unterstellt. Sitz der AVT war die jeweilige Bezirkshauptstadt. Jedes Transportpolizeiamt (TPA) umfasste die Abteilungen Schutzpolizei (zur Objektsicherung), Stab/Nachrichten (unter anderem zuständig für die regelmäßigen Lageeinschätzungen) und die Kriminalpolizei (Untersuchung von Straftaten, Diebstählen, Unfällen und Bränden auf Reichsbahngebiet).

Unsere Autorin Die Historikerin Jana Birthelmer studierte Kulturwissenschaften und Europäische Kulturgeschichte an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Seit 2009 ist sie im Bereich Gedenkstätten zur Aufarbeitung der SED Diktatur tätig. Die Rolle der Transportpolizei im Repressionsapparat der DDR ist Gegenstand ihrer Promotion an der Freien Universität Berlin.


Über dieses Thema berichtete der MDR auch in "MDR Zeitreise": TV | 17.07.2018 | 21:15 Uhr