Sowjetische Soldaten sitzen 1989 auf ihren Panzern vom Typ T-64
Sowjetische Panzer sicherten die sowjetische Vormachtstellung in den osteuropäischen "Bruderländern" des Warschauer Pakts. Bildrechte: picture alliance / dpa | Roland Holschneider

Geschichte des Warschauer Paktes Warschauer Pakt: Verteidigungsbündnis oder Kontrollinstrument der Sowjetunion?

10. Juli 2022, 05:00 Uhr

Als der Warschauer Pakt zu Grabe getragen wurde, sprachen die Beteiligten von einer "historischen Beerdigung". Dennoch blieben alle Augen trocken. Die Auflösung des östlichen Militärbündnisses sei ein "lange erwarteter Tod" gewesen, sagte der damalige bulgarische Präsident Schelju Schelew. Sein tschechoslowakischer Kollege Václav Havel meinte: "Es war ein schmerzloses Ende." Nur der sowjetische Vertreter äußerte sich kritisch. Am 14. Mai 1955 wurde der Warschauer Pakt gegründet. Knapp 36 Jahre später, am 31. März 1991, wurde seine Auflösung beschlossen.

Zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hatten acht sozialistische Staaten am 14. Mai 1955 in Warschau das Militärbündnis gegründet. Zu den Unterzeichnern gehörten neben der Sowjetunion Albanien, Bulgarien, die DDR, Polen, Rumänien, die Tschechoslowakei und Ungarn. Sie verpflichteten sich, in den internationalen Beziehungen keine Gewalt anzuwenden, ihre Außenpolitik zu koordinieren und im Fall eines Überfalls von außen einander militärisch zu helfen.

In den ersten Jahren hatte das Bündnis allerdings eher politisches als militärisches Gewicht. Es wurde als östliches Pendant zur NATO gegründet, um dem Westen eine Art Tauschgeschäft schmackhaft zu machen: Die beiden Bündnisse sollten nach dem Willen Moskaus aufgelöst und durch ein kollektives Sicherheitssystem ersetzt werden, ähnlich dem Völkerbund der Zwischenkriegszeit. Die westlichen Regierungen lehnten jedoch ab - zu groß war die gefühlte Bedrohung aus dem Osten, ganz davon zu schweigen, dass das Vorbild versagt hatte.

Warschauer Pakt: Verteidigung durch Angriff

Mit der zweiten Berlin-Krise 1961 wurde die Verteidigungsdoktrin des Warschauer Pakts deutlich aggressiver. Im gegenseitigen Wettrüsten setzten auch die Strategen in Moskau auf Kernwaffen. Diversen Planungen zufolge sollte Westeuropa im Konfliktfall binnen Tagen überrannt werden. Dieses Szenario übten die Armeen des so genannten Ostblocks in großen gemeinsamen Manövern wie "Waffenbrüderschaft 80" oder "Schild 84".

Soldatengruppe posiert für die Kamera während des Militärmanövers - Schild 84.
Soldaten aus verschiedenen Warschauer-Pakt-Staaten beim gemeinsamen Manöver "Schild 84" Bildrechte: IMAGO / Ulrich Hässler

Ein Bündnis gleichberechtigter Partner war der Warschauer Vertrag allerdings nie. Von Anfang an diente er der Sowjetunion auch dazu, die sozialistischen Satellitenstaaten zu kontrollieren und die sowjetische Hegemonie im Ostblock zu sichern. "Diese Doppelrolle ist ein Unterschied zur NATO, die ein reines Sicherheitsbündnis war", sagt der Historiker Frank Umbach, der eine der umfangreichsten Monografien zu dem Thema verfasst hat. Bereits ein Jahr nach der Vertragsunterzeichnung marschierten sowjetische Soldaten 1956 in Ungarn ein, um die dortige Reformbewegung zu beenden, und 1968 erstickten die eigentlich verbündeten Einheiten den Prager Frühling. Auch bei den großen Solidarność-Streiks in Polen 1980 war die Angst vor einer Intervention weit verbreitet.

Langsamer Niedergang des Warschauer Paktes

Solange die UdSSR groß und mächtig blieb, war an einen Austritt der "Bruderländer" aus dem Warschauer Pakt nicht zu denken. Doch die Sowjetmacht begann zu bröckeln. Das Wettrüsten der Breschnew-Ära - zeitweise hatte der Warschauer Pakt fünf Millionen Mann unter Waffen - hatte die Wirtschaft des Ostblocks überfordert. Michail Gorbatschow war daher zum Umdenken gezwungen, Abrüstungsabkommen waren die Folge. Ein allmählicher Niedergang setzte ein und Ende der Achtziger war die Sowjetunion nicht mehr stark genug, um ihre Juniorpartner Ost-Berlin, Warschau, Prag und Budapest daran zu hindern, eigene Wege zu gehen. Im September 1990 trat die DDR als Gründungsmitglied nur wenige Tage vor der Wiedervereinigung aus dem Warschauer Pakt aus. Rainer Eppelmann, der frühere DDR-Minister für Abrüstung und Verteidigung, unterzeichnete das Austrittsprotokoll, in dem auch die Abwicklung der Nationalen Volksarmee geregelt ist.

Auflösung des Warschauer Paktes

Am 31. März 1991 beschlossen die Regierungschefs der Warschauer-Pakt-Staaten die Auflösung des Bündnisses nach fast 36 Jahren. Drei Monate später wurden auch die politischen Gremien der Organisation aufgegeben. Der Kalte Krieg schein seitdem, Geschichte zu sein - bis zum russischen Angriff auf die Ukraine.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise: Die Rückkehr der Panzer | 10. Juli 2022 | 22:00 Uhr

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