Unter der Lupe
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Unter der Lupe – die politische Kolumne Deutsche Parteien in der Zerreißprobe – zwei Jahre Krieg in der Ukraine

24. Februar 2024, 05:00 Uhr

Seit zwei Jahren herrscht Krieg in der Ukraine und es macht sich mehr und mehr Kriegsmüdigkeit breit. In der Ukraine, aber auch unter westlichen Verbündeten. Das zeigt sich vor allem in den politischen Parteien und ihrer Suche nach Positionen – etwa zum Thema Waffenlieferungen.

Er wirkt an diesem Dienstag fast ein bisschen entrückt - der Fraktionschef der SPD. Wer Rolf Mützenich beim Statement vor der Fraktion betrachtet, sieht das ganze Dilemma seiner Partei. Es liegt wie eine fast sichtbare Last auf den Schultern des eher schmächtigen Fraktionschefs. Das Wort Taurus mag er nicht einmal mehr hören. Der sonst so besonnene Sozialdemokrat will das Wort am liebsten von sich schieben.

Zwei Jahre Krieg. Das wird für die Menschen in der Ukraine zu einer immer größeren Kraftanstrengung. Es fehlen Gerät und Munition. Und die Sorgen, dass die Unterstützer in der Welt nicht mehr liefern können und wollen, werden größer.

Die USA werden kriegsmüde, in Deutschland wachsen Zweifel

Bei den Amerikanern macht sich eine zunehmende Kriegsmüdigkeit breit.Und auch in Teilen der deutschen Regierung wachsen die Zweifel an immer weiteren Waffenlieferungen, vor allem von scharfen Waffensystemen, wie dem Marschflugkörper Taurus. Eine Präzisionswaffe, die schnell und wirksam ihr Ziel erreicht und vernichtet. Eine Waffe, die auch das russische Gebiet treffen könnte.

Das führt zum Konflikt in der Regierungspartei, zerrissen zwischen Staatsräson und innerer Überzeugung. Einige in der SPD haben ein immer noch ungeklärtes Verhältnis zu Russland. Andere ringen mit sich und ihrem inneren Verständnis von einer Friedenspartei.

Nachrichten

Die Grafische Darstellung des "Taurus" Lenkflugkörperps inklusive Beschriftung der eingebauten Sensoren. 1 min
Der Marschflugkörper vom Typ "Taurus" ist der wohl modernste Flugkörper der Luftwaffe. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min

Ob die Lenkflugkörper vom Typ "Taurus" an die Ukraine geliefert werden, ist seit Monaten schon immer wieder in der Diskussion. Hier stellen wir das Waffensystem vor.

Do 22.02.2024 16:44Uhr 00:28 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/video-taurus-lenkflugkoerper-marschflugkoerper-bundeswehr100.html

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Da wirkt das offensive "Ja" der Union zu Taurus-Lieferungen wie ein Schlag ins Gesicht. Und dass die Verteidigungsexpertin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, auch noch offen dafür wirbt, dem Antrag der Union unverhohlen zustimmt, macht es aus Sicht mancher Sozialdemokraten noch schmerzhafter.

Und so bleibt der Antrag der Bundesregierung für weitere Waffenlieferungen ohne klare Nennung der Systeme. Ob der Taurus mitgemeint ist, weiß keiner so genau. Der Kanzler bleibt öffentlich bei seinem Nein, die Formulierung aber lässt Interpretationsspielraum. Methode Scholz. Erstmal eine Grundverständigung herbeiführen, die nichts gänzlich ausschließt. Zuletzt war er damit erfolgreich, beim Haushaltsstreit. Die Schuldenbremse bleibt, es sei denn Unvorhersehbares passiert. Ja, aber. Das Hintertürchen bleibt. Dieses ABER fürchten jetzt einige in der SPD auch beim Thema Waffenlieferungen.

Im Osten spaltet der Krieg in der Ukraine die Gesellschaft

Aber auch die Linie der CDU, wie sie der Fraktionschef vorgibt, wird nicht überall unterstützt. Gerade in Ostdeutschland spaltet der Krieg in der Ukraine, und das damit verbundene deutsche Engagement die Gemüter. Die MDRfragt-Gemeinschaft bestätigt das. Ein Großteil der Ostdeutschen wünscht sich demnach gute Beziehungen zu Russland. Nur wenige sehen in der Unterstützung der Ukraine auch eine Verteidigung der eigenen Sicherheit.

Friedrich Merz' Forderung nach einer schnellen Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern dürfte wohl auch deshalb im Osten nur schwer vermittelbar sein. Manch ostdeutscher Bundestagsabgeordneter der CDU macht in diesen Tagen einen hohen Bogen um diese Debatten. Wohl wissentlich, dass er im Wahlkreis dafür wenig Applaus ernten wird.

Die Debatte über Waffenlieferungen könnte der CDU schaden

Ein Dilemma für die CDU. Gerade in diesem Jahr, wo in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt werden, könnten solche Debatten über Waffenlieferungen der CDU im Osten eher schaden. Russlandfreundlich passt nicht zur DNA der Partei und russlandkritisch passt offenbar nicht zu vielen Wählern in Ostdeutschland.

Die AfD hat sich dem Wählerwillen angepasst und bedient dieses Unbehagen der Bevölkerung gegenüber dem Krieg in der Ukraine. Mal wieder ein leicht gemachter Punkt in einer wohl schwierigen Frage. Einfach, wenn man nicht regieren muss.

Eine schwammige Formulierung, wie es die Ampel-Koalition versucht hat, dürfte aber genauso wenig funktionieren. Der Krieg in der Ukraine verlangt klare Positionen. Die Menschen in der Ukraine brauchen nach zwei Jahren Tod, Folter und Zerstörung mehr Unterstützung denn je. Und es wird die Politik in Deutschland noch oft vor unangenehme Entscheidungen stellen.

Kristin Schwietzer und Hans-Georg Maaßen mit Audio
Der Werteunion-Vorsitzende Hans-Georg Maaßen (noch CDU) will am Samstag bei einer Mitgliederversammlung in Erfurt aus dem CDU-nahen Verein am Sonntag eine Partei machen. Bildrechte: ARD-Hauptstadtstudio/Reiner Freese, dpa Heiko Rebsch

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 10. Februar 2024 | 06:00 Uhr

10 Kommentare

Thommi Tulpe vor 12 Wochen

Wenn Milliarden für diesen Krieg ausgegeben werden, dann sicher mit dem Ziel, Putin in seinen Expansionsplänen zu stoppen!? Denn stoppt man diesen Despoten nicht, werden wir irgendwann kein Geld mehr "für Bildung, Gesundheit, Infrastruktur oder einfach nur Sozial-Wohnungen" ausgeben müssen, da dieses in einem möglichen Dritten Weltkrieg völlig überflüssig wäre.

Thommi Tulpe vor 12 Wochen

"90% sprechen sich für zumindest eine diplomatische Lösung aus." Shantuma. Haben 90 Prozent auch eine Lösung für das Problem, wie mit jemandem verhandelt werden sollte, der an Verhandlungen kein klitzekleines Interesse hat? Vielleicht sollte sich mal einer jener, den Sie so wählen, in den Flieger nach Moskau setzen und in der wagen Hoffnung an die Kreml-Tür klopfen, Gehör zu finden!?
90 Prozent, auch Ihnen, scheint offenbar entgangen zu sein, dass es Putins erklärtes Ziel ist, Russland wieder zu alter Sowjetstärke zu führen. Der Kreml-Despot wird sich wegen dieses erklärten Zieles sehr sicher nicht "nur" mit der Ukraine zufrieden geben. Wollen Sie z. B. Ostdeutschland, das einst von Moskau beherrscht wurde, als Masse für Verhandlungen mit dem Kriegstreiber einbringen?

Thommi Tulpe vor 12 Wochen

"Die AfD hat sich dem Wählerwillen angepasst und bedient dieses Unbehagen der Bevölkerung gegenüber dem Krieg in der Ukraine. Mal wieder ein leicht gemachter Punkt in einer wohl schwierigen Frage. Einfach, wenn man nicht regieren muss."
Wer hier regelmäßig meine Kommentare verfolgt, weiß, dass ich entschiedener Gegner dieser Blaubraunen bin. Wenn aber im Beitrag wieder erwähnt wird, dass die Union vehement die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine fordert, wäre ebenso die Feststellung treffend: "Einfach, wenn man nicht regieren muss."

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