Halles Bürgermeister Egbert zeigt Pläne zum Zunkunfszentrum am Cube (c)Thomas_Ziegler_Stadt_Halle_Saale
Die Stadt Halle hofft, das Zukunftszentrum an die Saale zu holen. (Archivbild) Bildrechte: Thomas Ziegler / Stadt Halle (Saale)

Interview Zukunftszentrum: Warum Halle gute Chancen hat

08. Februar 2023, 18:26 Uhr

In der Standortfrage für das Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation geht es in die heiße Phase: Die Jury ist in den Bewerberstädten unterwegs, um sich für einen Standort zu entscheiden. Bis 2028 soll das Zentrum entstehen. In Halle könnte es mitten im Herzen der Stadt in der Nähe des Riebeckplatzes gebaut werden. Politikwissenschaftler Everhard Holtmann im Interview über die Idee des Zukunftszentrums und welche Chancen die Stadt Halle als Standort hat.

MDR SACHSEN-ANHALT: So richtig vorstellen kann es sich noch niemand, das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation, das, wenn alles klappt, in Halle gebaut werden könnte. Der Name ist vielen zu sperrig. Wie sehen sie das, Herr Holtmann?

Everhard Holtmann: Nach meiner eigenen Beobachtung hat die Stadt Halle für mehrere Wochen, mindestens aber bis zur Präsentation gegenüber der Jury, auf dem Marktplatz eine Art Informationscontainer bereitgehalten und zugleich Videos laufen lassen, indem prominente Unterstützer des Zukunftszentrums Halle aufgetreten sind und dort auch mit Wortbeiträgen präsent waren. An Informationsangeboten hat es nicht gemangelt. Dass es etwas sperrig als Begriff daherkommt, spiegelt in gewisser Weise auch die damit einhergehende inhaltliche und auch verfahrensmäßige Komplexität wieder.

Wie kann so ein Zukunftszentrum zum Leben erweckt werden?

Das ist ein Bestandteil des Vorbereitungsprozesses. Zahlreiche bürgerschaftliche Initiativen, Gruppen, auch Einzelpersonen, haben sich freiwillig, spontan und mit großer Motivation an der inhaltlichen konzeptionellen Vorbereitung beteiligt. Wenn man sich beispielsweise anschaut, dass die Freiwilligenagentur Halle eine der größten in ganz Deutschland ist, dann kann man erahnen, welches Potenzial an Mitwirkungsmöglichkeiten und an Angeboten ein solches Zukunftszentrum haben wird.

Was kann und sollte das mögliche Zukunftszentrum in Halle leisten? 

Es sind drei Säulen oder drei Komponenten: Das ist zum einen der Schwerpunkt, der auf der wissenschaftlichen Forschung von Transformationsprozessen liegt. Es ist zum Zweiten die Erwartung, dass in einem Jahr mit Wanderausstellungen auch visualisierte Zeugnisse und künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Transformation erkennbar gemacht werden sollen.

Es ist also keineswegs gedacht als eine Art museale Erstarrung, sondern als eine Möglichkeit, auch die künstlerischen Dimensionen dieses komplexen Transformationsgeschehens zu veranschaulichen und den Besucherinnen und Besuchern nahezubringen. Ein dritter Punkt ist das bauliche Angebot. Man erwartet ja bis zu einer Million Besucherinnen und Besucher jährlich. Das ist eine Größenordnung, die man entsprechend mit Angeboten untersetzen muss.

Muss das Zukunftszentrum politisch unabhängig sein?

Ja, das ist eine der unabdingbaren Voraussetzungen. Denn allein die wissenschaftliche Forschung, aber auch die künstlerische Präsentation im Rahmen eines solchen Zentrums verträgt keine politischen Vorgaben. Und das ist auch bei allen Beteiligten Konsens. Die Entscheidung, wo letztlich dieses Zukunftszentrum angesiedelt wird, wird nach meiner Kenntnis allein von der Jury gefällt, die sich das sehr sorgfältig angeschaut und auch Lokaltermine bei den Bewerberinnen vorgenommen hat. Es ist nicht so, dass da eine bundespolitische Entscheidung von der Regierung zu erwarten ist.

Wer sitzt denn in dieser Jury?

Da wären zum Beispiel aus Sachsen-Anhalt Katrin Budde (SPD) zu nennen, aus der Bürgerbewegung Marianne Birthler. Matthias Platzeck, den ehemaligen Ministerpräsidenten von Brandenburg, kann man durchaus mit in diese Reihe stellen. Es sind Wissenschaftler, Elitenforscher, Ökonomen, Künstler – also eine zweistellige Zahl von Wissenschaftlern und Repräsentanten des gesellschaftlichen und politischen Lebens, die hier gemeinsam beraten und eine Entscheidung fällen.

Welche Chancen hat Halle?

Halle verdient Aufmerksamkeit und aus meiner Sicht gäbe es sehr gute Gründe, dieses Zukunftszentrum nach Halle zu vergeben. Die Stadt hat nicht nur ein breites wissenschaftliches Potenzial, inklusive der damit einhergehenden Transfer-Angebote in der Universität, mit den außeruniversitären wissenschaftlichen Einrichtungen bis hin zur Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften und den Franckeschen Stiftungen. Es ist auch eine bürgerschaftliche Partizipationsbereitschaft in einem hohen Maße vorhanden. Und nicht zuletzt hat sich Halle durchaus auch mit Blick auf die umgebende Region beworben, aus der klaren Erkenntnis heraus, dass das Transformationsgeschehen – das Vergangene und das Zukünftige – nicht nur ein rein städtisches ist, sondern eingebettet ist in die Region um Halle herum.

Die Fragen stellte Stefan Bringezu für MDR SACHSEN-ANHALT.

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MDR (Stefan Bringezu, Cornelia Winkler)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. Februar 2023 | 08:30 Uhr

5 Kommentare

Peter Mueller am 10.02.2023

Ich lese aus dem Artikel nicht einen Grund heraus, warum Halle gute Chancen haben sollte. Ein innerstädtisches zentrales Grundstück? Haben Jena und Frankfurt auch. Herausragende Transformationsforschung? Gibt es vor allem in Jena und Frankfurt. Transformationserfahrung? Haben alle Bewerber, aber wenn es um die politische Wende in der DDR ging, fallen einem wohl doch zuerst Leipzig, Jena und Plauen ein. Struktureller Entwicklungsbedarf? Da könnte Halle eher mithalten, aber Frankfurt und Eisenach sind noch entwicklungsbedüftiger. Zentrale Lage und gute Verkehrsanbindung? Haben fast alle außer Frankfurt und Plauen. Jena liegt gut, ist aber vom Eisenbahn-Fernverkehr abgehängt. Das könnte man aber auch als Entwicklungsbedarf sehen. Unter dem Strich erfüllen andere Städte die inhaltlichen Kriterien fast immer besser. Würde ich auswählen müssen, würde es, wenn die Strukturförderung überwiegt, Frankfurt, wenn die Forschungsarbeit überwiegt, Jena.

Greifswald 57 am 08.02.2023

Aus dem Gesagten kann die Einschätzung abgeleitet werden, dass die Stadt Halle aus mehrfacher Hinsicht betrachtet sich durchaus für diese Institution anbietet.
Es ist nur ein wenig überraschend, wie distanziert diese Chance vom MDR begleitet wird. Andere Städte im Sendegebiet haben bei deutlich weniger relevanten Projekten deutlich mehr Aufmerksamkeit und Begeisterung in den kommentierenden MDR-Beiträgen...

Peter Mueller am 10.02.2023

So langsam weiss jeder Leser hier, dass Sie ein Problem mit Jena haben. Aber ein bisschen Objektivität sollte man sich trotzdem bewahren.

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