Ohrenpodcast Sehbehindert, hochgradig sehbehindert oder blind: Was ist was?

22. Oktober 2022, 12:24 Uhr

Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Mit Hilfe dieser fünf Sinne nehmen wir Eindrücke und Reize aus unserer Umgebung wahr. Wir reagieren auf hupende Autos, wenn wir sie beim Überqueren der Straße nicht rechtzeitig gesehen haben, auf Leuchtreklame, die uns auch nachts über die neuesten Schnäppchen informiert und finden dank unserer Nase auch spät abends den Weg zum duftenden Dönerladen. Zwar sind alle Sinne wichtig, doch gibt es einen, der heraussticht.

Wenn Menschen durch die Straßen laufen, sehen sie sich konstant Reizen ausgesetzt. Egal ob Geräusche, Gerüche oder visuelle Reize. Einer unserer Sinne wird laut der Wissenschaft jedoch am meisten "gereizt": der Sehsinn. Rund 80 Prozent aller Informationen aus unserer Umgebung werden durch die Augen aufgenommen und im Gehirn verarbeitet. Man könnte also sagen, der Sehsinn ist womöglich der wichtigste von allen. Schwierig wird es, wenn die Augen nicht so mitmachen, wie sie sollen. Für viele reicht dann eine sogenannte Sehhilfe - also eine Brille oder Kontaktlinsen. Bei allen anderen, die auch nach der Nutzung geeigneter Sehhilfen beeinträchtigt sind, kann von einer Behinderung gesprochen werden.

Ab wann gelten Menschen als behindert?

Viele Menschen assoziieren den Begriff "behindert" mit Personen in Rollstühlen oder solchen, die aufgrund ihres geistigen Zustands eine permanente Betreuung brauchen. Doch es gibt noch eine Menge andere Gründe für eine Behinderung. Nach dem Schwerbehindertengesetz gilt als behindert, dessen Teilhabe in der Gesellschaft aufgrund seines körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands beeinträchtigt ist.

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Schwerbehindertengesetz §2 SGB IX
Drei Jungen und ein Mädchen stehen lächelnd auf einer Bühne. 30 min
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Wie stark die betroffenen Personen durch ihre Behinderung(en) beeinträchtigt sind, wird anhand des Grades der Behinderung (GdB) gemessen. Der GdB reicht dabei in Zehnerschritten mit dem geringsten Grad von 20 bis zum Höchstgrad von 100. Hat die betroffene Person nicht nur eine, sondern mehrere Behinderungen, dann werden diese bei der Berechnung des GdB zusammen bewertet. Grundlage zur Feststellung des GdB sind die sogenannten Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Darin enthaltenen sind Angaben zum GdB die dem ärztlichen Gutachter als Orientierung dienen sollen. Für die Bemessung des GdB ist also ein Gutachter zuständig. Wichtig ist, dass die Bemessung bei jedem Menschen individuell und vom Einzelfall abhängig ist.

Ab wann gilt man als schwerbehindert?

Wird bei der betroffenen Person ein Grad der Behinderung von mindestens 50 festgestellt, spricht man von einer Schwerbehinderung. Diese Person kann dann bei der zuständigen Behörde einen Schwerbehindertenausweis beantragen. In Sachsen kann das beim jeweiligen Landratsamt geschehen. Nach Erhalt des Ausweises haben Betroffene Anspruch auf sogenannte Nachteilsausgleiche. Diese reichen von einem besonderen Kündigungsschutz über zusätzliche Urlaubstage bis hin zu einem monatlichen, pauschalen Geldbetrag. Bei Sehbehinderten ist es das Landesblindengeld.

Welche "Vorteile" hat der Schwerbehindertenausweis?

Blinde oder sehbehinderte Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis bekommen in ihrem Ausweis das Merkzeichen Bl vermerkt. Damit können Betroffene unter anderem kostenlos mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren, bekommen Fahrten zu ambulanten Behandlungen bezahlt und haben Steuervorteile. Das gilt beispielsweise bei der Hundesteuer, damit Betroffene eher die Möglichkeit haben, sich einen Blindenhund anzuschaffen. Doch nicht alle Menschen, die mit starken Einschränkungen beim Sehen leben, gelten vor dem Gesetz als blind. Eine Auflistung welche Nachteilsausgleiche für wen gelten, bietet die Seite Schwerbehindertenausweis.de.

Ab wann gilt man als blind?

In Sachsen leben laut der Gesundheitsberichterstattung des Bundes 432.695 Menschen mit einer schweren Behinderung (Stand: 2021). 23.755 von ihnen sind blind oder sehbehindert, was einer Quote von 5,4 Prozent entspricht.

Ausgehend von einer perfekten Sehschärfe von 100 Prozent, gelten in Deutschland Menschen dann als blind, wenn sie trotz Brille oder Kontaktlinsen auf ihrem besseren Augen nicht mehr als zwei Prozent (1/50) Sehvermögen besitzen. Dann liegt der Grad der Behinderung (GdB) bei 50 und sie haben Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis. Sinkt die Sehschärfe unter die zwei Prozent, steigt auch der Grad der Behinderung bis zu einem Maximum von 100 bei kompletter Blindheit. Eine genaue Auflistung des GdB bezogen auf die Sehschärfe gibt die sogenannte GdB-Visus-Tabelle.

Als hochgradig sehbehindert gilt, wer nur noch über ein Sehvermögen von maximal fünf Prozent verfügt. Als sehbehindert gelten Menschen, wenn sie maximal ein Sehvermögen von 33 Prozent besitzen. Blindheit kann aber auch vorliegen, wenn das Sehvermögen zwar oberhalb der 33 Prozent liegt, aber das Gesichtsfeld - also das periphere Sehen - beeinträchtigt ist. Damit ist der Bereich gemeint, den Menschen wahrnehmen, wenn sie mit ihrem Kopf und den Augen geradeaus schauen und dann sowohl Umgebung vor ihnen, aber auch die Umgebung rechts und links von sich wahrnehmen. Bei gesunden Menschen liegt das Gesichtsfeld bei rund 180 Grad. Spricht man nun von einer blinden Person aufgrund eines eingeengten Gesichtsfelds, dann nimmt diese Person nur das wahr, was in einem Winkel von 60 Grad um sie herum passiert.

MDR (koh)

Sachsen

weiße Hände auf blauem Grund mit den Buchstaben DGS in einem Fernsehbildschirm
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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Der Tag | 14. Oktober 2022 | 12:31 Uhr

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