Wandelnde Dampfmaschine Die unerforschte Mensch-Maschine: Wie beeinflussen wir die Luft?

25. November 2021, 10:29 Uhr

Sauerstoff, Stickstoff, Spurengase und Partikel: Das ist die Luft, die wir Tag für Tag atmen. Durch unsere Lebensweise verschmutzen wir sie so sehr, dass jedes Jahr mehrere Millionen Menschen sterben. Manche Effekte auf die Luft können wir durch eine wirksame Klimapolitik unterbinden, andere durch eine Schutzmaske. Neuere Forschungen zeigen: Auch unsere Haut beeinflusst die Luft und Abhilfe dagegen ist noch weitestgehend unerforscht. Ein Ratschlag scheint aber universell zu gelten: Lüften hilft.

Meine Challenge

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Stellen Sie sich vor: Sie stehen draußen vor Ihrem Arbeitsplatz und rauchen eine Zigarette – ein Vorgang bei dem deutlich mehr passiert als Süchte zu befriedigen und Schadstoffe zu inhalieren, erklärt Jonathan Williams, Forscher am Max Planck Institut für Chemie: "Was dann passiert, ist, dass Sie sich mit kleinen Teerpartikeln bedecken und die Chemikalien aus der Zigarette in ihre Haare, auf ihre Haut und auch in ihre Lungenflüssigkeit gelangen".

Ein Mann mit kurzen grauen Haaren sitzt inmitten eines Raumes mit wissenschaftlichen Apparaturen.
Jonathan Williams forscht an der Zusammensetzung der Innenraumluft. Bildrechte: Jonathan Williams/Max-Planck-Institut für Chemie

Was glauben Sie, bringen Sie mit zurück zu Ihren Kollegen – außer dem Rauchgeruch? "Wenn Sie mit der Zigarette fertig sind, werfen Sie sie weg und kommen zurück ins Büro. Im Büro ist es wärmer und dann werden viele dieser Chemikalien, die sich lose an den Haaren oder im Blut befunden haben, wieder hineingelüftet. Es handelt sich hier um etwas, dass als Rauchen aus dritter Hand bezeichnet wird", beschreibt der Chemiker Jonathan Williams.

Forschungslücke: Innenraumluft

Raucherinnen und Raucher beeinflussen die Innenluft auf extreme Weise, Rauchen ist aber nur eine von vielen Quellen der Verschmutzung. Wie gut die Luft in unseren Innenräumen zirkuliert, sei eine sehr wichtige Frage und der Forschungsbedarf sei groß, erzählt Hartmut Herrmann vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig: "Innenraumluft wurde bisher immer ein bisschen stiefmütterlich behandelt. Die Atmosphärenchemiker haben sich um die Außenluft gekümmert, aber man geht jetzt auch in die Innenräume. Denn plusminus halten wir uns 80 Prozent unserer Zeit in Innenräumen auf. Es zeigt sich, dass die Luftqualität dort teilweise schlechter ist als außen." Vor allem Corona hat die Themen Luft in Innenräumen, Aerosole und Luftfilter in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, doch um das Virus soll es in diesem Artikel nicht gehen.

Wichtig ist, was von außen reinkommt

Ein älterer Mann blickt in die Kamera
Prof. Dr. Hartmut Herrmann erfroscht die Luftschadstoffe. Bildrechte: Katharina Kunze/TROPOS

Die Luft innen wird in besonderer Weise davon beeinflusst, was von außen durch das geöffnete Fenster oder die Fensterritzen reinkommt: Die wichtigsten Schadstoffe in der Luft sind Feinstaub in verschiedenen Partikelgrößen, Stickstoffdioxid und Ozon. Die wichtigsten Verursacher dieser Schadstoffe sind der Verkehr, die Energiewirtschaft, die Industrie und die Haushalte. Die besten Instrumente, um die Luftqualität draußen zu verbessern, sind laut Hartmut Herrmann ein zügiger Ausstieg aus der Kohlekraft, Umstieg auf Erneuerbare Energien und eine zügige Verkehrswende hin zu E-Autos und generell weniger privaten Pkw.

Beim Verbrennen von Kohle entstehen jede Menge Schadstoffe wie Feinstaub und Quecksilber, die die Luft weiträumig beeinträchtigen. Der auf fossilen Brennstoffen basierende Verkehr ist vor allem in Ballungsgebieten eine gefährliche Schadstoffquelle, Autos mit Elektroantrieb verursachen durch den Antrieb dagegen keine lokalen Emissionen. Die Weltgesundheitsorganisation hat vor kurzem verschärfte Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub vorgeschlagen, die die Luftqualität deutlich verbessern würden. Denn auch wenn gerade in Deutschland die Luft in den letzten Jahrzehnten bereits sauberer geworden sei, reichten die jetzigen Schadstoffkonzentrationen trotzdem, um Krankheiten und Todesfälle zu befördern, erklärt Hartmut Herrmann. Daher sei die Verschärfung der Grenzwerte europaweit richtig: "Dahinter steckt eben leider die Erkenntnis, dass man nicht sagen kann: Es gibt eine harmlose Konzentration der wichtigen Luftschadstoffe". Und doch noch ein Nebensatz zu Corona an dieser Stelle: Auch Viren werden in einer dreckigeren Luft leichter übertragen als in einer sauberen Umgebung.

Luftschutz = Klimaschutz

Ein rauchender Schornstein eines Wohngebäudes vor klarem blauen Himmel
Bildrechte: MDR

Neben den Schadstoffquellen draußen spielen auch die privaten Heizquellen im Inneren eine wichtige Rolle für die Luftqualität. Vor allem die Kaminöfen ohne Abgasfilter seien eine häufige und unterschätzte Verschmutzungsquelle, sagt Hartmut Herrmann: "Mit der Summe aller Kamine und Kaminöfen emittieren wir mehr Feinstaub in Deutschland als durch den gesamten Verkehr." Sowohl die Luft drinnen als auch die Luft draußen wird extrem von Kaminöfen ohne Filteranlagen beeinflusst. Daher ist für Herrmann neben dem Kohleausstieg, Ausbau der Erneuerbaren und der Verkehrswende die Verpflichtung zu Kaminfiltern das vierte wichtige Instrument für saubere Luft. Alle vier Maßnahmen kämen auch dem Klimaschutz zugute.

Wenn ich versuche, die Luftqualität zu verbessern, tue ich meistens auch was Gutes fürs Klima.

Prof. Dr. Hartmut Herrmann, TROPOS Leipzig

Dampfmaschine Mensch

Viele Effekte der Luftverschmutzung könnten wir durch eine wirksame Klimapolitik verringern, andere durch eine Schutzmaske über Mund und Nase, doch einen Faktor bekommen wir nicht aus der Gleichung – und da kommen auch alle Nichtraucher ins Spiel: "Jeder vergisst, dass wir, die Menschen, die in dem Raum leben, auch Chemikalien in die Luft abgeben. Diese Chemikalien können auch mit den anderen Chemikalien in der Luft interagieren und eine sehr interessante Chemie erzeugen", erklärt Chemiker Jonathan Williams.

Vor einem Jahr hat er genau diese Effekte des menschlichen Körpers auf die Luftqualität in mehreren Experimenten nachweisen können. Dabei hat er Probandinnen und Probanden in eine Klimakammer gesetzt, in der Möbel aus staubfreiem Edelstahl standen. Die Probandinnen bekamen präparierte Kleidung zum Anziehen, um keinen Dreck von außen einzutragen, und mussten stundenlang sitzen. In dieser Zeit wurde die Luftkonzentration in der Kammer leicht verändert um zu beobachten, wie die menschliche Hautoberfläche und die Luft wechselwirken: "Wenn die Haut mit dem Molekül Ozon interagiert, beschleunigen sich die Reaktionen auf der Haut. Ozon kennt man aus der Außenluftverschmutzung. Aber es gelangt auch in etwas geringeren Konzentrationen nach innen. Wenn das Ozon mit Ihrer Haut reagiert, erzeugt es Hunderte von weiteren chemischen Verbindungen, die sehr schnell zu einem interessanten Cocktail organischer Chemie in diesem Raum werden", so beschreibt der Chemiker die Beobachtungen.

Eine andere Chemikalie, die durch Haut und Luft freigesetzt wird, ist Ammoniak; es entsteht vor allem in warmen, beheizten Umgebungen. Das Gas kann laut Williams reduziert werden, indem wir weniger heizen und weniger Haut in der Wohnung zeigen, also langärmelige Kleidung tragen. Langärmelige Kleidung allerdings reibt auf der Haut und erzeugt dadurch mehr Feinstaubpartikel, die wiederum ungünstig für die Luftqualität sind.

Einige dieser Verbindungen können auch krankheitserregende Substanzen in der Luft erzeugen. Doch der Chemiker beruhigt: So schlimm könnten unsere direkten Effekte auf die Innenraumluft nicht sein, sonst wären wir alle bereits tot. Allerdings stecken die Forschungen zu den Auswirkungen der menschlichen Haut und des menschlichen Körpers auf die Luft noch in den Kinderschuhen. Williams plant bereits weitere Experimente in der Klimakammer. Außerdem stehen neue Studienergebnisse und Veröffentlichungen zum Thema Ende des Jahres an. Einen Hinweis für bessere Luft kann Jonathan Williams aber (fast) uneingeschränkt geben: "Eine einfache Möglichkeit ist mehr zu lüften. Wo das Optimum liegt weiß ich noch nicht genau, aber Belüftung ist wahrscheinlich der Schlüssel, um alle wirklich hohen Konzentrationen wegzubekommen."

Lüften, aber richtig

Die Wissenschaftler haben eine Handvoll Tipps für richtiges Lüften und saubere Luft im Innenraum:

1. Stoßlüften statt Dauerlüften – wer dauerhaft lüftet, lässt mehr Schadstoffe aus der Außenluft ins Innere. Also lieber mehrmals täglich für kurze Zeit die Fenster aufreißen.

2. Die Innenluft feucht halten – üblicherweise ist die Innenraumluft etwas zu trocken. Das erhöht die Schadstoffkonzentration und bereitet der Lunge mehr Arbeit beim Atmen. Luftfilter leisten hier Abhilfe, lohnen sich aber finanziell nicht immer. Wasserschälchen im Raum oder frische Wäsche können die Luftfeuchtigkeit auch verbessern ...

3. Lüften im Regen – ...oder Sie lüften gleich im Regen. Dann wird die Luft draußen nämlich schön sauber gespült. Hier sollten Sie aber darauf achten, dass es bereits ein bisschen geregnet hat; am Anfang eines Regenschauers werden die ganzen Schadstoffe erst einmal aufgewirbelt.

4. Tagsüber statt nachts lüften – nachts ist die Grenzschicht der Atmosphäre deutlich niedriger. Die Grenzschicht liegt wie eine Art Glocke auf unserer Umgebung; je kleiner die Glocke, desto höher die Konzentration an Feinstaub und Co. in der Umgebung. Eine ideale Zeit zu lüften ist ein sonniger Morgen, nachdem die Sonne bereits aufgegangen ist. Dann steigt die Grenzschicht und die Luft wird klarer.

5. Feuer- und Rauchquellen vermeiden – Kaminöfen, Zigaretten und Kerzen sind Feinstaub- und Rußbomben im Inneren. Daher empfehlen die Atmosphärenforscher: Nichts davon in Innenräumen, oder nur in Maßen.

20.000 Mal atmen wir am Tag ein und aus und den Großteil der Zeit machen wir das in Innenräumen. Wie die Luftqualität dort von uns beeinflusst wird und wie wir sie verbessern können, beginnen wir aber erst langsam zu verstehen. Bis es soweit ist, denken Sie daran, regelmäßig zu lüften. Zum Beispiel jetzt.

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